DIE FERIENHOTELLERIE – VOM STAPELSTUHL ZUM INVESTMENT-PRODUKT

Der Begriff des „deutschen Ferienhotels“ katapultiert manch einen gedanklich in die Vergangenheit der 80er- und 90er-Jahre zurück: Von der Sonne verblichene Eiscreme-Werbeschilder und rudimentär instandgehaltene Betriebe mit Namen wie „Zum goldenen Anker“ – diese Assoziationen standen zumindest bis vor Kurzem hierzulande oftmals noch in Verbindung mit dem Großteil der Ferienhotellerie. Doch spätestens seit sich der deutsche Hotelmarkt aus der Corona-Krise herausbewegt hat und touristische Übernachtungen nicht mehr untersagt sind, erleben Urlaubshotels einen Boom.

Gemeinsam mit unseren beiden Hotel-Expert:innen Alexander Trobitz und Chantal Wahnschaffe begeben wir uns auf eine kurze Zeitreise und schauen uns das Phänomen des deutschen Ferienhotels und dessen Entwicklung genauer an.

Blick in die Vergangenheit

„Die deutsche Ferienhotellerie war früher nahezu ausschließlich in der Hand von familiengeführten Betrieben – sie war oft wenig professionalisiert“, erklärt uns Alexander Trobitz. In Konsequenz bedeutete dies weniger Personal, kleinere Anlagen und Häuser sowie häufig ein saisongetriebenes Hotelkonzept. Selbstverständlich litt die Branche dadurch massiv unter der Konkurrenz des internationalen Massentourismus, der betrieblich komplett anders gestaltet war als die hiesige Privathotellerie. Hinzu kam das Problem des Generationenwechsels: Nachkommen in der Familie sahen, oft auch aufgrund schwieriger Destinationen der Hotels und langer Arbeitszeiten, wenig Anreiz, den Familienbetrieb zu übernehmen.

Kehrtwende und neue Trends  

Ab etwa 2010 fand nach und nach ein Umdenken statt: Der Urlaub im eigenen Land wurde spannender, die Saisonalität ließ – auch klimabedingt – nach. Man erkannte: Die Küste hat auch im Winter ihre schönen Seiten und die Berge eignen sich ebenfalls zum Wandern und nicht nur zum Skifahren. Urlauber:innen fingen an, sich Gedanken über ökologischere und damit kürzere Wege in ihre Feriendestinationen zu machen. „Gleichzeitig haben die Menschen, auch durch den Einfluss von Marketingmaßnahmen und insbesondere Social Media, ein hohes Qualitätsbewusstsein und einen gewissen Anspruch an das Ferienhotel und suchen das auch in Deutschland“, leitet Chantal Wahnschaffe zum Status quo über.

Nach und nach entstanden so immer mehr Projekte und Marken im Segment der Ferienhotellerie. Durch effizientere Abläufe und Konzepte erzielen die nun größeren Liegenschaften bessere Skaleneffekte. Zudem ermöglichen moderne Buchungssysteme und gezielte Marketingstrategien einen erfolgreichen Vertrieb. Ein konstantes Yield Management führt zu einer deutlichen Performancesteigerung in einem boomenden Marktumfeld für Ferienhotels. „Die Lessons Learned aus der Stadthotellerie werden auf die Ferienhotellerie übertragen und die damit einhergehende, gesteigerte Profitabilität der Betriebe stellt aktuell mancherorts die Stadthotellerie in den Schatten, sodass entsprechend professionelle Betriebe auch für institutionelle Investoren spannende Investmentprodukte darstellen“, erklärt Chantal Wahnschaffe.

So trennte sich beispielsweise Alexander Winter, CEO Arcona Hotels & Resorts, von seinen Stadthotels: „Wir haben gemerkt, dass der Markt dort enger wird. Auch die Preisentwicklung verlief in Relation flacher als in unseren Leisure-Häusern. Das war für uns der Ausgangspunkt, die Strategie zu ändern und die Ferienhotellerie wieder verstärkt ins Portfolio zu nehmen.“

Eigentlich lässt sich die Transformation dieses Segments treffend mit der Aussage ‚vom Stapelstuhl zum Investment-Produkt‘ beschreiben.

Chantal Wahnschaffe
Associate Director Hotel Services bei BNPPRE

Boom der Ferienhotellerie

Durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Reisebeschränkungen ins Ausland erfuhr die deutsche Ferienhotellerie den großen Aufschwung. Unlängst übertreffen die Übernachtungszahlen teilweise das Vorkrisenniveau. Auch auf dem Hotel-Investmentmarkt, versichert uns Alexander Trobitz, besteht große Nachfrage nach renommierten Urlaubshotels an Top-Destinationen – sowohl von deutschen und europäischen institutionellen Investoren als auch von Privatinvestor:innen und Family-Offices – und fügt hinzu, „die Ferienhotellerie ist eines der Teilsegmente, das am zügigsten aus dem Pandemie-Tief herauskam".

Investoren bemerken, dass das vermeintlich sichere Stadthotel vielleicht doch nicht immer so sicher ist und die Ferienhotellerie unter bestimmten Parametern wie einem guten Standort, solidem Betreiber und Konzept krisenresistent sein kann. Chantal Wahnschaffe schließt unseren Austausch zur Entwicklung der Ferienhotellerie mit den Worten: „Eigentlich lässt sich die Transformation dieses Segments treffend mit der Aussage ‚vom Stapelstuhl zum Investment-Produkt‘ beschreiben.“

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Dieser Artikel ist Teil des CHANGE Magazins 05

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Alexander Trobitz MRICS
Alexander Trobitz FRICS
Managing Director / Head of Hotel Services
Als Leiter des Bereichs Hotel Services mit aktuell 10 Mitarbeitenden begleite ich mit meinem Team deutschlandweit Verkaufsprozesse sowie Betreibersuchen von Hotel- und Serviced-Apartment-Immobilien. Seit der Gründung des Bereichs konnten wir Hoteltransaktionen mit einem Volumen von über 3 Mrd. € in Deutschland sowie im angrenzenden Ausland begleiten.
Transaction
Chantal Wahnschaffe
Deputy Head of Hotel Services
Transaction

Dieser Artikel basiert auf einem Gespräch mit Chantal Wahnschaffe und Alexander Trobitz vom 11. Juli 2022. 

Fotos: adobestock: Gunter Kirsch; Arcona Hotels & Resorts 

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