ES GEHT AUCH VERTIKAL! LOGISTIKIMMOBILIEN WACHSEN IN DIE HÖHE
Der Flächenmangel wird zum brennenden Thema des Logistikimmobilienmarkts. Vor allem in Metropolen fehlt immer häufiger Platz. Eine Lösung, die in anderen Ländern bereits genutzt wird, kommt nach Deutschland: mehrgeschossige Logistikgebäude. Noch gibt es wenige Referenzprojekte – wird sich das in Zukunft ändern?
Ist mehrgeschossig Schnee von gestern?
Mehrere Stockwerke stellen im Logistiksegment eigentlich keine Neuerung dar; Versandhändler wie Neckermann haben das bereits vor einigen Jahrzehnten eingeführt. Allerdings gab es ein Problem, dass die verschiedenen Ebenen lediglich über Lastenaufzüge zu erreichen waren. „Eine Nutzung der Immobilie für mehrere Parteien war damit undenkbar. Der Aufwand beim Waren-Handling ist zu groß. Heute sind dagegen viele weitere Möglichkeiten realisierbar“, so Bastian Hafner von BNP Paribas Real Estate.
Schnee von gestern sind Logistikimmobilien auf mehreren Geschossen also ganz und gar nicht. Vielmehr gewinnen sie durch verschiedene Faktoren immer mehr an Bedeutung, weiß Hafner: „Neben dem Flächenmangel und den Grundstückspreisen spielt vor allem auch das Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle.“ So plant die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar pro Tag zu verringern. Bis 2050 wird sogar von der EU das Flächenverbrauchsziel Netto-Null (Flächenkreislaufwirtschaft) angestrebt.
Vorreiter Asien: Lagerflächen auf sechs oder sieben Etagen
„In Asien sind vertikale Logistikanlagen bereits Standard. Da sind es nicht nur zwei oder drei Geschosse, sondern gerne mal sechs oder sieben“, berichtet Hafner und ergänzt: „Hier ist der Flächenmangel bereits seit längerer Zeit und vor allem wegen der sehr hohen Grundstückskosten auch meist ein größeres Problem als hierzulande.“ Die höchste Logistikimmobilie steht übrigens in Hong Kong und kann stolze 200.000 Quadratmeter auf 24 Etagen verzeichnen. Alle Stockwerke sind dabei über eine spindelförmige Rampe einzeln zu erreichen. Aber auch unsere Nachbarn in den Niederlanden oder in Frankreich haben den Bedarf an innovativen Lösungen erkannt.
Im Pariser Vorort Gennevilliers wurde bereits 2019 „Paris Air2 Logistique“ von Segro entwickelt. Dabei wurde die Multi-Level-Immobilie von Ikea und dem Baumarkt- und Garteneinzelhändler Leroy Merlin gleichzeitig genutzt. Über eine Rampe können beide Etagen von 40-Tonnern gleichzeitig angefahren werden.
„Chapelle International“ ist ein weiteres Vorzeigebeispiel aus Paris. Das Projekt des Immobilienentwicklers Sogaris ist ein modernes Quartier, das neben einem 45.000 Quadratmeter großen Multi-Level-Objekt auch Wohnungen, Büroflächen und sogar einen Bauernhof vorweist. Dabei liegen die Logistikflächen meist im Erdgeschoss, während Wohnungen, Kitas und Schulen sich auf den oberen Stockwerken befinden. Auch in London gibt es ähnliche Projekte. Nur in Deutschland sind diese noch Mangelware.
Multilevel-Logistik: Vor und Nachteile im Überblick
Vorteile:
- geringerer Grundflächenbedarf und dadurch geringere Grundstückskosten
- maximale Flächenausnutzung bei begrenzter Grundstücksgröße
- geringere Flächenversiegelung
- strategisch vorteilhafte Standorte und daher einsetzbar für die Last Mile-Logistik
Nachteile:
- höhere Baukosten durch u. a. Sicherstellung der Traglast und hohe Brandschutzauflagen
- höhere Betriebskosten
- eventuell kleinere Mietflächen wegen eines höheren Anteils an Verkehrsflächen wie Aufzüge, Treppenhäuser und Rampen in den EG-Flächen
- aufwendige Umsetzbarkeit und bisher wenig Erfahrung bei der Entwicklung
- hohe gesetzliche Auflagen
Deutschland hat Nachholbedarf
Die Vor- und Nachteile der vertikalen Lösungen für Logistikimmobilien zeigen bereits auf, warum sich in Deutschland bisher nur Wenige an das Thema herangewagt haben. Ein Projekt ist in den letzten Jahren jedoch in aller Munde: „Mach2“ von Projektentwickler Four Parx und Investor AEW. Bereits 2018 hat der Entwickler auf der Expo Real angekündigt, in Hamburg mehrgeschossig zu bauen. Der obere Ladehof sollte dabei über zwei zwölf Meter hohe beheizbare Rampen erschlossen werden, die von LKWs mit bis zu 45 Tonnen befahren werden können. Die Hallenhöhe je Stockwerk sollte sich auf zehn Meter Unterkante Binder belaufen. Auf der diesjährigen Immobilienmesse hat Four Parx genau für dieses Projekt, was mittlerweile planmäßig fertiggestellt und vollvermietet ist, den Sonderpreis „Leuchtturm-Projekt“ des Logix Award erhalten. Mit der Verleihung wollte die Jury insbesondere den Pioniergeist würdigen, da hier vielfältig Neuland betreten wurde. Zahlreiche Herausforderungen mussten überwunden werden bis zur Fertigstellung im September 2022, angefangen bei einem komplexen Baugenehmigungsverfahren über einen aufwendigen Planungsprozess bis hin zu Problemen bei der Wasserhaltung aufgrund von Schichtenwasser sowie einer Vielzahl von Kampfmittelfunden. Bastian Hafner zeigt sich begeistert von diesem Projekt: „Vom Markt wurde das Objekt sehr gut angenommen, wenige Monate vor der Fertigstellung konnte die Vollvermietung bereits verkündet werden.“ Mieter sind unter anderem Airbus, JYSK, der Logistikdienstleister Bechtle sowie der Online-Lebensmittelhändler Picnic.
Mehrgeschossigkeit in A-Lagen wird wahrscheinlicher
„Neben Four Parx setzen mittlerweile auch Panattoni und Goodman auf doppelgeschossige Lösungen“, berichtet Bastian Hafner. So plant Goodman in Hamburg-Billbrook, einer der gefragtesten Lagen für Last Mile-Logistik der Hansestadt, die Errichtung einer mehrgeschossigen Logistikimmobilie mit 25.000 Quadratmetern Gewerbefläche und 2.500 Quadratmetern Büro- und Sozialfläche. „Anders als bei Mach2 setzt Goodman auf eine andere Lösung der Mehrgeschossigkeit. So wird unter anderem eine spindelförmigen Rampe wie in Asien verwendet und im zweiten Obergeschoss auf einen Gewerbepark gesetzt“, erklärt Hafner.
Auf dem Brownfield wird zudem viel Wert auf den Einsatz von nachhaltigen Materialien gelegt. Im Bereich Energiemanagement wird die Immobilie eine fossilfreie Heizung, Fotovoltaikanlagen, Smart Metering für eine intelligente Verbrauchsmessung sowie Ladeeinrichtungen für E-Autos, -Bikes, -Vans und -Lkw bieten.
Auch Panattoni setzt in seinem Multi-Level-Projekt Campus Köln auf Nachhaltigkeit. Auf dem 57.900 Quadratmeter großen Brownfield, das zum Produktions- und Logistik-Quartiers FUSION COLOGNE gehört, sollen bis 2026 Unternehmen aus Logistik, Industrie, Produktion und Gewerbe auf 45.000 m² Nutzfläche Platz finden. Geplant sind ein Nahwärmeanschluss, der die Abwärme einer benachbarten Müllsortier-Anlage nutzt, um eine CO2-arme Wärmeversorgung zu gewährleisten. Hinzu kommen eine 40-prozentige Begrünung der Fassade und die fossilfreie Energiegewinnung durch Photovoltaikanlagen auf den Dächern. Für Mitarbeitende der Unternehmen sollen zudem hochwertige Freizeitbereiche geschaffen werden.
„Aktuell beschäftigt man sich mit der Multilevel-Logistik in Metropolregionen mit großer Flächenknappheit, wie man an den drei vorliegenden Beispielen sieht. Das heißt, in Hotspots wie München, Hamburg oder dem Rhein-Main-Gebiet mit sehr begrenztem und hochpreisigem Grundstücksangebot werden mehrgeschossige Logistikimmobilien zukünftig öfter zu sehen sein. Sie sind mittlerweile wirklich eine Option, doch sie bleiben zunächst erstmal eine Spezial-Immobilie.“ fasst Hafner das Thema zusammen.