[Exkurs] Wohnbau, wie ich ihn sehe!
„Pionier“, bei diesem Titel hebt der zurückhaltende Hamburger eher abwehrend die Hand. Dennoch fokussierte sich Philipp Schmitz-Morkramer als einer der ersten auf Wohnimmobilien. In einer Zeit, als andere noch auf Office oder Hotel als Assetklasse schielten, investierte er für Institutionelle und sein Family Office, agiert aber auch als einer der größten Entwickler Deutschlands. Trotzdem zeigt sich der sympathische Familienvater im Gespräch als Kaufmann ohne Plattitüden. Mit seinem glasklaren Blick auf den Markt analysiert er Erfolgsfaktoren und Hürden. Das Volumen seiner Projekte lag allein 2020 bei 1,5 Milliarden Euro, begeistert aber hat ihn ein Sportplatz in seiner Wahlheimat.
Blick zurück
Man spürt das Herzblut der Gründertage, wenn man Philipp Schmitz-Morkramer nach seinen ersten Projekten fragt. „Als Developer erwarben wir 2008 den Allianz-Sportplatz in Hamburg. Für das fünf Hektar große SO-Gelände, eingebettet in Kleingärten, entwickelten wir den B-Plan“, erläutert der gebürtige Frankfurter das erste Projekt in seiner Wahlheimat, in der er seit 26 Jahren zu Hause ist. Damit sei ein Flächentausch für die Kleingärtner, aber auch eine neue, öffentliche Sportinfrastruktur einhergegangen. „Eine Win-Win-Win-Situation. Ein guter Deal für die Stadt, für uns und für die Sportvereine“, freut sich Schmitz-Morkramer. Das sei heute schwieriger: Sport in verdichteten Gebieten sei aufgrund des Lärms selten gewünscht.
Der Investmentspezialist begann früh: Anfang 2006 legte Quantum das erste Sondervermögen, den Wohnimmobilienspezialfonds „Habitare“, auf. „Zu dieser Zeit waren kaum Investoren zu finden, die in die vermeintlich langweilige Assetklasse investieren wollten“, erinnert sich Philipp Schmitz-Morkramer. Denn damals trennten sich viele Investoren von ihren Wohnimmobilienbeständen, um sich renditeträchtigeren Alternativen zuzuwenden. Der Experte sah darin trotzdem eine attraktive Beimischung.
Aber was sah er, was die anderen nicht sahen? Die breit gestreute, atomisierte Mieterstruktur wertete er als krisenresistent. Die Vielfalt der Mietverträge würde zukünftig dazu beitragen, dass starke Wertverluste ausblieben. Wie recht er damit haben sollte, würden Krisen wie der Lehman-Crash oder die Corona-Pandemie zeigen. Konkret suchte das Team weniger volatile Investments mit guter Risikostreuung. Schritt für Schritt überzeugten Schmitz-Morkramer und sein Co-Vorstand Frank Schmidt Investoren von ihrer Sichtweise.
Trotz des Runs auf Wohnimmobilien haben wir den Zenit noch nicht gesehen.
„Als Deutsche waren wir unter den institutionellen Playern fast allein“, erinnert sich der heute 52-Jährige und fährt fort: „Es gab ausländische Wettbewerber, die für 500-900 €/m² kauften. Zahlen, die aus heutiger Sicht dem Märchenbuch der Immobilienwirtschaft zu entspringen scheinen.“ Auch als die „Schallmauer“ von über 1.000 €/m² durchbrochen wurde, sprachen deutsche Immobilienspezialisten von „überpreist“. Ausländische Investoren, wie etwa das US-Unternehmen Cerberus Capital Management, fingen aber gerade erst an, in den für sie unterbewerteten Markt zu investieren.
Tages-Schau
„Wenn ich den Markt heute betrachte, macht ja mittlerweile jeder Wohnen“, winkt der Quantum-Chef ab. Etwa vor sechs, sieben Jahren begannen Investoren seinen Beobachtungen nach, verstärkt auf den Zug „Wohnen“ aufzuspringen. Warum dieser Sinneswandel? Der Branchenkenner begründet das mit der aus der Lehman-Krise resultierenden Unsicherheit. Und so kam 2013/2014 der Durchbruch in der Breite. „Was das Geschäft aber nicht einfacher macht“, sagt er. „Das Produkt ist überschaubar, der Markt ist kleinteilig, der relevante Teilmarkt stark zersplittert, und Grundstücke werden nicht billiger. Retrospektiv betrachtet sind wir gut aufgestellt und waren immer überzeugt, zu einem vernünftigen Preis eingekauft zu haben.“ Aber nicht einmal der First-Mover Schmitz-Morkramer kann von sich behaupten, er habe zum jeweiligen Zeitpunkt günstig gekauft.
Blick in die Zukunft – auch ohne Glaskugel
Dennoch ist der versierte Branchenkenner überzeugt: „Trotz des Runs auf Wohnimmobilien haben wir den Zenit noch nicht gesehen. Die Verdichtung in den Ballungsräumen wird anhalten, die Städte werden unterm Strich wachsen, und Wohnraum wird fehlen. Deshalb stehen alle Zeichen auf Wachstum.“
Auf das Thema Mietpreisbremse reagiert Schmitz-Morkramer leicht ungehalten, und nicht nur deshalb, weil es die Renditen seiner Immobilienfonds schmälert. Sie führe vor allem dazu, dass weniger gebaut werde und bei den wenigen Wohnungen solventere Mieter bevorzugt würden. So werde der Plan der Politik „Mehr Wohnraum für alle“ sicherlich nicht aufgehen. Eine Quote für geförderten und sozialen Mietwohnungsbau hält er grundsätzlich für richtig. Als Planer runzelt er allerdings über Querschläger die Stirn. Unlängst wurde beispielsweise in Hamburg die Bindungsfrist von 15 auf 30 Jahre erhöht. „Wenn man das weiß, kann man damit arbeiten. Kommt eine solche Änderung im laufenden Projekt, wird es herausfordernd“, zeigt sich Schmitz-Morkramer irritiert.
Einen schwer aufzulösenden Konflikt für Investoren sieht der Spezialist in dem Zusammenspiel aus gedrosselten Mieten und den stetig steigenden technischen und regulatorischen Anforderungen. Renditen seien über die letzten Jahre stetig gefallen und lägen im Durchschnitt bei um die 3 Prozent. Drehe sich das Zinsniveau, könne das unter den aktuellen Voraussetzungen auch bedeuten, dass das Segment Mietwohnungsbau in eine Stillstandsphase eintrete.
„Ich kann niemandem, der im Wettbewerb zu uns steht, den Wohnmarkt empfehlen“, lacht Schmitz-Morkramer mit feiner Ironie in der Stimme, „nur Investoren, die bei uns anlegen wollen.“ Momentan seien Wohnbauobjekte gemessen am absoluten €/m²-Kaufpreis sehr teuer, aber immer noch eine attraktive Assetklasse. Die Renditen erreichten teilweise abstruse Niveaus – in den Top-Metropolen sogar in Einzelfällen negativ nach Kosten bei kleineren Einheiten. Deshalb sollte man sich grundsätzlich Immobilien leisten können, rät der Profi auch privaten Investoren, insbesondere wenn der Markt sich wider Erwarten anders entwickeln sollte als prognostiziert.
Herausforderungen im Visier
In keiner A-Stadt ist es aktuell leicht, an geeignete Objekte zu gelangen. Weder für Quantum noch für andere. Der Erfolg hängt letztlich von Parametern wie Marktzugang oder aktueller Angebotslage ab. Aus Entwicklersicht bevorzugt der Quantum-Vorstand große Grundstücke, da hier die Anzahl der Wettbewerber geringer sei. Andererseits gebe es nicht viele davon. Warum große Grundstücke? „So können wir einen eigenen Quartierscharakter schaffen und mit einem hochwertigen Produkt sogar bessere Mietpreise in vermeintlich niedrigpreisigen Lagen generieren“, erläutert er die Sicht durch die Entwicklerbrille. Quantum sucht gezielt in den Metropolregionen, ist schnell und verfügt über einen guten Marktzugang, insbesondere z.B. in Hamburg, Düsseldorf oder Köln. Die über Jahre aufgebaute Reputation helfe zusätzlich.
Erfolgsfaktoren im Fokus
„Lage, Lage, Lage“ gilt nach wie vor. Die Hamburger Immobilienprofis fokussieren auf gute, bürgerliche Wohnlagen. Das Mietpreisspektrum reicht hier von rund 8 bis 25 Euro, Spitzenpreise werden in der HafenCity realisiert. In punkto Bauqualität ist man penibel: Der Qualitätsanspruch spiegele sich beispielsweise in Außenfassaden oder Treppenhäusern wider, was sich langfristig bei der Instandhaltung rechne. Wie viele Entwickler beobachten auch die Norddeutschen, dass Wohnungen zunehmend kompakter sein müssen, um vertretbare Absolutmietpreise zu bieten. Quantum legt Wert auf einen guten Mietermix – für jedes Alter und jede Lebenssituation. „Natürlich können auch wir nicht die eierlegende Wollmilchsau entwickeln, versuchen aber, ein breites Spektrum abzudecken“, so Schmitz-Morkramer im Gespräch.
Realiter liegt sein Fokus auf Neubau. Auch wenn im vergangenen Jahr sieben Transaktionen im Wert von 200 Millionen Euro über Bestandsportfolios angekauft wurden: „Je nach Chance-Risikoprofil können Forward Deals deutlich spannender sein“, zeigt der Quantum-Sprecher auf. „Im Rahmen der Erstvermietung können prognostizierte Mieten weit übertroffen werden. Hinzu kommt ein überschaubares Risiko was die Instandhaltung betrifft.“
Genau hinschauen: die ESG-Lupe
Seit 2019 arbeitet Quantum mit einem eigenen ESG-Scoring-Modell. Nur wenn das Votum bei über 50 Kriterien positiv ausfällt, denkt das Team über einen weiteren Ankaufsprozess nach. Die Kriterien reichen von Infrastruktur über Wohngrößen bis hin zu energetischen Komponenten. „Unser Scoring-Modell ist am Markt begehrt, wird aber nicht verkauft“, lehnt sich der Inhaber entspannt im Bürostuhl zurück.
Städte-Radar
Lieblings A-Stadt von Quantum? Frankfurt! Im Haus schwärmt man von der dynamischen Wachstumsstory der gesamten Rhein-Main-Region, die bessere Renditen als Stuttgart oder München verheißt. In Köln sehe man Aufholpotenzial im Vergleich zu Düsseldorf.
Was die Mikrolagen betrifft, agieren die Hamburger in konzentrischen Kreisen. Zuerst sind seltene zentrale Lagen an der Reihe, wie etwa das Konversionsareal in Hamburg-Hammerbrook. Das Gelände eines japanischen Elektronikunternehmens wurde für den Wohnbau umgewidmet. Es folgen die Randlagen und der „Speckgürtel“: in Hamburg z. B. im südöstlichen Bergedorf oder im benachbarten holsteinischen Ahrensburg. Immer vorausgesetzt, dass die Infrastruktur und die ÖPNV-Anbindung stimmen. Und nicht zuletzt ein Blick jenseits der A-Städte: Hier lohnt es sich, in die Ferne nach Baden-Württemberg auf Städte mit rund 100.000 Einwohnern zu schauen.
Sichtbares Quartiersgefühl
„Warum fühlt man sich denn wohl in Stadtvierteln, die es schon seit hundert Jahren gibt?“, fragt Schmitz-Morkramer eher rhetorisch. „Weil sie einfach gut gemacht sind. Insofern versuchen wir durch Fassadengestaltung, gute Aufenthaltsqualität in den Außenbereichen, Grünflächen, Spielmöglichkeiten und Zusatzausstattung wie Lademöglichkeiten für E-Autos und E-Bikes ein lebenswertes Quartier zu schaffen.“ Große Quartiere sollen und müssen heterogen sein, davon ist Schmitz-Morkramer überzeugt. Von Einzelpersonen bis zur Familie sollte sich jeder wohlfühlen. So müsse man verschiedenste Nutzungen und Bedürfnisse antizipieren. „Dem Reiz, eine Grundstücksfläche vollständig zu verdichten, darf man nicht erliegen, sonst kippt das Gefüge“, mahnt der langjährige Investor.
Perfekte Sicht
Ein besonderes Wohngefühl verspürt der gebürtige Frankfurter in den von ihm entwickelten und ausgebauten lichten Wohnungen der Elbphilharmonie. „Der Bau von Herzog & de Meuron ist absolut einmalig“, begeistert sich der Architekturkenner und Kunstsammler. Das Bauwerk übe eine ähnliche Faszination wie die Guggenheim-Gebäude aus und zöge sechs Millionen Besucher an. „Die Wohnungen haben einen unverbaubaren, traumhaften Blick. Man schwebt förmlich über der Elbe, mitten in der Stadt. Ein Lebensgefühl, das großstädtischer anmutet, als Hamburg ist,“ schließt Schmitz-Morkramer das Gespräch und lässt uns in Gedanken an der Waterkant verweilen.
Autorin: Michaela Stemper
Fotos / Visualisierungen: Ralf Buscher, Matthias Friedel Luftbildfotografie; Carsten Brügmann
Dieser Artikel ist Teil der Reihe City Report Wohnimmobilien