Deutscher Wohn-Investmentmarkt blickt zurück auf ein Jahr mit viel Kaufzurückhaltung

Wohn-Investmentmarkt Deutschland

Die deutlich gestiegenen Fremdkapitalkosten, die zu geringen Risikoprämien im Vergleich zu anderen, ebenfalls sicheren Assetklassen und die spürbar gestiegene Unsicherheit über weitere Regulierungen dämpften den deutschen Wohn-Investmentmarkt 2023 deutlich. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 5,23 Mrd. € in größere Wohnungsbestände (ab 30 Wohneinheiten) investiert. Damit wurde das Ergebnis des Vorjahres um 60 % deutlich verfehlt. Auch der langjährige Durchschnitt wurde um 72 % unterschritten. Die größtenteils bereits vollzogenen Bewertungskorrekturen, die Aussichten auf Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte und die anziehende Mietpreisdynamik sprechen jedoch für eine spürbare Marktbelebung im Jahr 2024. Dies ergibt eine Analyse von BNP Paribas Real Estate.

„Im vergangenen Jahr belief sich das Investitionsvolumen auf nur rund 5,23 Mrd. €. Damit wurde der geringste Wert seit 2010 verzeichnet. Auch in der zweiten Jahreshälfte konnte keine signifikante Belebung am deutschen Wohn-Investmentmarkt beobachtet werden“, erläutert Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment der BNP Paribas Real Estate GmbH. „Neben makroökonomischen Unsicherheiten sowie polykrisenartigen Effekten sind viele Marktakteure von einem weiteren Preisrückgang ausgegangen. Dies hat zu einer starken Kaufzurückhaltung der Investoren sowie zur Zurückstellung oder Stornierung von Projekten beigetragen. Trotz des großen Interesses von institutionellen Investoren an Value-add-Opportunitäten wurden keine Deals in diesem Bereich realisiert. Angebahnte großvolumige Transaktionen blieben daher größtenteils aus. Die Chancen stehen jedoch gut, dass die Preisfindungs- und Konsolidierungsphase an den Wohnungsmärkten im Jahr 2024 ein Ende findet. Es beschäftigen sich bereits einige neue Akteure mit einem Eintritt in den deutschen Wohn-Investmentmarkt. Für eine klare Marktbelebung bedarf es jedoch großvolumiger Transaktionen mit Signalcharakter. Die deutlich verbesserten Bewertungsrelationen im Wohnbereich, die Aussicht auf steigende Mittelzuflüsse, also ‚Dry Powder‘, eine sehr starke Mietpreisdynamik und die Perspektive auf stabile oder leicht fallende Zinsen sprechen für einen deutlich dynamischeren Wohn-Investmentmarkt im Jahresverlauf.“

Markt weiter kleinteilig, Überdurchschnittlicher Anteil kleiner Deals (bis 25 Mio. €)

Im abgelaufenen Jahr wurden vergleichsweise viele kleine Deals abgeschlossen. Das Segment bis 25 Mio. € verzeichnete immerhin ein Investitionsvolumen von 1,35 Mrd. € und kommt mit einem Umsatzanteil von knapp 26 % auf einen weit überdurchschnittlichen Anteil (Ø 10 Jahre: 14 %). Ebenfalls einen überdurchschnittlichen Umsatzanteil (Ø 10 Jahre: 15 %) steuern mittelgroße Deals (50–100 Mio. €) mit 19 % bei. Absolut betrachtet kommt das Segment jedoch auch nur auf 986 Mio. €. Wie schon in den Vorquartalen ist das insgesamt niedrige Investitionsvolumen auf die geringe Anzahl an Großabschlüssen zurückzuführen. Das Segment über 100 Mio. € notiert mit einem Umsatzanteil von nur 39 % deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 57 %. Auch absolut betrachtet ist das Volumen von 2,02 Mrd. € (7 registrierte Großtransaktionen 2023) in diesem Segment im langjährigen Vergleich sehr niedrig (Ø 10 Jahre: 12,02 Mrd. €). Die unterdurchschnittliche Anzahl an Großdeals ist ein Beleg für die sehr verhaltenen Aktivitäten von institutionellen Investoren.

Bestandsobjekte mit Umsatzanteil von 63 %

Die geringe Anzahl an großvolumigen Transaktionen prägt auch die Verteilung des Investitionsvolumens auf die einzelnen Assetklassen. Für gewöhnlich entfallen mehr als die Hälfte davon (Ø 10 Jahre: 54 %) auf größere Bestandsportfolios. Diese steuerten 2023 hingegen nur 822 Mio. € bzw. knapp 16 % zum Gesamtumsatz bei. Hingegen kommen sowohl ältere Bestandsobjekte mit 35 % (Ø 10 Jahre: 16 %) und moderne Bestandsobjekte mit 28 % (Ø 10 Jahre: 4 %) auf deutlich überdurchschnittliche Umsatzanteile. Auch hier zeigt sich die Kaufzurückhaltung von institutionellen Investoren.

US-amerikanische Käufer und Family Offices nutzen die Gunst der Stunde

2023 war eine deutliche Strukturveränderung der Kapitalherkunft am deutschen Wohn-Investmentmarkt zu beobachten. US-amerikanisches Kapital meldet sich mit einem weit überdurchschnittlichen Anteil von rund 24 % (Ø 10 Jahre: 6 %) eindrucksvoll zurück. Deutsches Kapital steuert knapp 68 % zum Umsatz bei, dominiert aber nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren den deutschen Wohn-Investmentmarkt (Ø 10 Jahre: 76 %). Ebenfalls kommen Käufer aus dem europäischen Ausland auf einen unterdurchschnittlichen Anteil von nur knapp 6 % (Ø 10 Jahre: 12 %).

Noch stärker hat sich die Verteilung des Investitionsvolumens nach Käufergruppen durch die geänderten Rahmenbedingungen auf dem Wohn-Investmentmarkt im Vergleich zu den vergangenen Jahren gewandelt. Family Offices stechen in Bezug auf die Nachfrage besonders positiv heraus. Mit einem weit überdurchschnittlichen Umsatz von 997 Mio. € bzw. 19 % (Ø 10 Jahre: 4 %) stellen diese die zweitstärkste Käufergruppe dar. Family Offices können ihre starke Eigenkapitalausstattung für die Realisierung von Opportunitäten nutzen. Hingegen wurden Immobilien AGs/REITs durch die häufig notwendige und in den Vordergrund gerückte Re-Finanzierung nicht auf der Käuferseite aktiv. Mit rund 1,28 Mrd. € bzw. 24 % können Investment-/Asset Manager den höchsten Umsatzbeitrag vermelden (Ø 10 Jahre: 10 %).

Die Bundeshauptstadt steht für rund 35 % des gesamten Investitionsvolumens

Die Big-Six-Städte kommen auf einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil von knapp 59 % (Ø 10 Jahre: 44 %) und dominieren damit klar das Transaktionsgeschehen auf dem deutschen Wohn-Investmentmarkt. Jedoch ist die Verteilung auf die einzelnen Städte sehr heterogen: Berlin zeichnet mit einem Umsatz von 1,81 Mrd. € für 35 % des Gesamtvolumens verantwortlich. Mit 14 % kommt München auf den zweithöchsten Umsatzanteil. Die bayerische Landeshauptstadt erzielt mit einem Volumen von 716 Mio. € als einziger deutscher Top-Standort ein Ergebnis über dem langjährigen Schnitt (581 Mio. €). Hamburg (172 Mio. €; -82 %), Frankfurt (115 Mio. €; -86 %), Köln (151 Mio. €; -56 %) und Düsseldorf
(93 Mio. €; -79 %) bleiben derweil deutlich unterhalb ihrer üblichen Resultate.

Leichte Renditedekompression gegenüber Q3 2023

Im Schlussquartal haben die Netto-Spitzenrenditen für Neubauobjekte gegenüber dem dritten Quartal moderat angezogen. Der Anstieg gegenüber dem Vorquartal bewegte sich im Bereich zwischen 10 und 15 Basispunkten. München und Berlin sind die teuersten Standorte (3,60 %). Dahinter rangieren Frankfurt bei 3,65 %, Hamburg und Stuttgart bei 3,70 % sowie Düsseldorf bei 3,80 %. Für den günstigsten A-Standort Köln werden aktuell 4,0 % angesetzt.

Perspektiven

„Auch in den letzten drei Monaten des Jahres 2023 konnte noch keine spürbare Belebung des deutschen Wohn-Investmentmarktes beobachtet werden. Vor dem Hintergrund des erhöhten Zinsniveaus halten sich institutionelle Kunden hier weiterhin mit Käufen zurück. Das Zinsplateau dürfte jedoch diesseits und jenseits des Atlantiks bereits erreicht sein. Es mehren sich die Anzeichen, dass die FED und die EZB im Laufe des angebrochenen Jahres beginnen werden, behutsam die Zinsen zu senken. Dadurch dürfte perspektivisch der Zugang zu Fremdkapital erleichtert und die Finanzierung günstiger werden und dies den Marktakteuren mehr Planungssicherheit geben. Vor dem Hintergrund bereits gestiegener Miet- und perspektivisch rückläufiger Staatsanleiherenditen stehen die Chancen gut, dass die Risikoprämien gegenüber anderen sicheren Assets anziehen und Wohn-Investments wieder attraktiver werden. Außerdem dürfte der Wohn-Investmentmarkt von Mittelzuflüssen, also ‚Dry Powder‘, profitieren, da die Anleiherenditen perspektivisch fallen und Investmentfonds wieder vermehrt ein Re-Balancing vornehmen müssen, was unter anderem an den sehr starken Aktienmärkten 2023 lag. Auch fundamental dürfte die Angebots-und-Nachfrage-Relation vor dem Hintergrund eines sehr angespannten Wohnungsmarktes und eines sich abzeichnenden Einbruchs im Wohnungsneubau attraktiver werden. In Erwartung eines sich verbessernden fiskalischen und konjunkturellen Umfeldes dürften im ersten Halbjahr 2024 die Umsätze zunächst leicht zulegen, bevor es im zweiten Halbjahr zu einer deutlichen Belebung am deutschen Wohninvestmentmarkt kommt“, fasst Christoph Meszelinsky die weiteren Aussichten zusammen.