Im ersten Halbjahr 2020 wurden an den acht deutschen Standorten Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig und München rund 1,3 Mio. m² Bürofläche umgesetzt. Damit wurde das außergewöhnliche gute Vorjahresergebnis um rund ein Drittel verfehlt. Dies ergibt die Analyse von BNP Paribas Real Estate. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Mit 1,3 Mio. m² Flächenumsatz erwartungsgemäß starker Rückgang gegenüber 2019 (-34 %)
- Leerstand über alle Standorte im Jahresvergleich nahezu stabil
- Leerstandsquote im Schnitt weiterhin nur bei 4 %
- Spitzenmieten haben in den letzten 12 Monaten um durchschnittlich 5 % angezogen
„Auf den deutschen Büromärkten waren die Auswirkungen der Corona Krise und des wochenlangen Lockdowns vor allem im zweiten Quartal erwartungsgemäß sehr stark zu spüren. Zum Halbjahr wurde ein Flächenumsatz von rund 1,3 Mio. m² erfasst, was im Vorjahresvergleich einem Rückgang um etwa einem Drittel entspricht. Betrachtet man nur das zweite Quartal, in dem 557.000 m² umgesetzt wurden, liegt das Ergebnis im Vergleich zu 2019 um 48 % niedriger. Überraschend kommt diese Entwicklung nicht. Nach den stark steigenden Infektionszahlen, dem bundesweiten Lockdown mit Kontaktverbot und der sich abzeichnenden Rezession in 2020, ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen ihre geplanten Anmietungen entweder für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt oder, was überwiegend der Fall ist, verschoben haben, um die weitere wirtschaftliche Entwicklung im zweiten Halbjahr und die Erholungsgeschwindigkeit abzuwarten, bevor sie größere Investitionen tätigen. Zwar kann momentan noch niemand sicher absehen, wie schnell die Konjunktur wieder anspringt und ob die verschobene Nachfrage zum Teil auch wieder aktiviert wird, aber spürbare Reaktionen auf der Angebotsseite, z. B. deutlich sinkende Mieten oder stark steigende Leerstände, sind noch nicht erkennbar. Daran dürfte sich vor dem Hintergrund des im langfristigen Vergleichs sehr niedrigen Angebots auch in den nächsten Quartalen nichts grundlegend ändern“, erläutert Piotr Bienkowski, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland.
Umsatzrückgang in allen Städten
Die skizzierten Einflüsse haben den Flächenumsatz in allen Städten spürbar sinken lassen. Um die Spitzenposition lieferten sich Berlin und München ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das die Hauptstadt mit 341.000 m² knapp für sich entschied. Damit liegt das Ergebnis immer noch über den Jahreswerten, die bis 2015 erzielt wurden. Der Umsatzrückgang fiel demzufolge mit 18 % im bundesweiten Vergleich auch relativ gering aus. Auch die bayerische Landeshauptstadt bleibt mit 326.000 m² nur 24 % hinter ihrem Vorjahresresultat und 11 % hinter dem zehnjährigen Schnitt zurück. Auf Platz drei vorgeschoben hat sich Düsseldorf mit 158.000 m², ein Rückgang um -35 % im Vergleich zum vorjährigen Rekordumsatz. Die Rheinmetropole konnte insbesondere von einem noch sehr starken ersten Quartal profitieren. Gut die Hälfte weniger wurde in Hamburg umgesetzt, wo nur 152.000 m² erfasst wurden. Neben den Corona-Auswirkungen hat hierzu auch die Tatsache beigetragen, dass in den ersten sechs Monaten noch kein Großabschluss über 10.000 m² getätigt wurde. Ähnlich stellt sich die Situation in Frankfurt dar. Mit lediglich 133.000 m² (-53 %) wurde das schwächste Ergebnis der letzten 20 Jahre registriert. Auch hier wurde bisher lediglich ein Vertrag über 10.000 m² abgeschlossen, was für die Bankenmetropole ungewöhnlich ist. Auf 41 % beläuft sich der Umsatzverlust in Köln mit 87.000 m². Ein vergleichbar niedriger Umsatz wurde in der Domstadt in jüngerer Vergangenheit nur 2010 erzielt. Verglichen mit dem Rekordjahr 2019 muss zwar auch Essen deutliche Einbußen (-46 %) verkraften, liegt aber trotzdem nur knapp unter dem zehnjährigen Durchschnitt. Vergleichbar zeigt sich das Bild in Leipzig mit 49.000 m², was gleichzeitig mit -11 % den geringsten Umsatzverlust aller Städte bedeutet.
Leerstandsquote im Schnitt weiter bei nur 4 %
Nachdem die Leerstände in allen Standorten viele Jahre lang nur eine Richtung, nämlich abwärts, kannten, näherten sie sich Ende 2019 aufgrund einer gestiegenen Bautätigkeit bereits ihrer Talsohle. Trotzdem verharren sie weiterhin auf einem historisch betrachtet außergewöhnlich niedrigen Niveau. Mit insgesamt 3,85 Mio. m² liegen sie auf dem gleichen Niveau wie Mitte 2019. Und auch im Vergleich zum Jahresende 2019 haben sie aktuell lediglich um im Schnitt 5 % zugelegt. Die Leerstandsrate über alle Standorte liegt bei 4 % und damit nur 10 Basispunkte höher als vor der Corona-Pandemie. Die mit Abstand niedrigste Leerstandsrate weist nach wie vor Berlin mit 1,9 % auf, gefolgt von München mit 2,6 %. Im CBD der bayerischen Landeshauptstadt wird sogar nur eine Quote von 0,9 % verzeichnet. Jeweils 3,3 % Leerstandsrate werden in Köln und Essen notiert und auch in Hamburg sind es nur 4 %. In Leipzig beläuft sich der aktuelle Wert auf 5,0 % und in Frankfurt liegt er bei 6,9 %. Ähnlich wie in München bewegt sich die Quote in der Bankenmetropole im von den Mietern präferierten CBD mit nur 2,8 % auf deutlich niedrigerem Niveau. Die höchste Rate weist unverändert Düsseldorf mit 8,0 % auf; nur bezogen auf das Stadtgebiet sind aber auch hier nur 5,7 % zu vermelden.
„Die aktuelle Angebotssituation auf den deutschen Büromärkten stellt sich also weiterhin ganz anders dar als Anfang 2009. Selbst wenn der Flächenumsatz nicht nur 2020 deutlich sinken wird, sondern auch noch 2021 spürbar unter den Werten der vergangenen Jahre liegen sollte, wird sich die Angebotssituation erheblich weniger expansiv entwickeln als zur Zeit der Finanzkrise. Die bei diesem Szenario auch in 2021 unterstellten geringen Flächenumsätze würden allerdings nur bei einer deutlich langsameren konjunkturellen Erholung zum Tragen kommen, als sie aktuell von allen großen Instituten prognostiziert wird. Bei der im Vergleich zur Finanzkrise gänzlich unterschiedlichen Angebotssituation ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich die Fertigstellung bei dem einen oder anderen Objekt aufgrund der aktuellen Einschränkungen verzögern wird und einige geplante Projekte vermutlich verschoben werden“, analysiert Marcus Zorn, Deputy CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland.
Mietpreisniveaus stabil
Bei den Spitzenmieten war im ersten Quartal, also vor der Corona-Krise, noch in einigen Standorten ein Aufwärtstrend erkennbar. Am stärksten fiel dieser in Frankfurt aus, wo die Höchstmiete um gut 4 % auf 47,00 €/m² zulegen konnte. Aber auch in Hamburg kletterten sie in diesem Zeitraum um gut 3 %. Im zweiten Quartal verzeichneten lediglich noch die kleineren Städte Leipzig und Essen kleine Zugewinne. Verantwortlich dafür, dass die Mieten trotz Corona und Lockdown noch leicht angezogen haben, ist die Tatsache, dass in diesen Städten mittlerweile moderne Flächen in Neubauten zur Verfügung stehen, die nur mit höheren Mietpreisen wirtschaftlich vermarktet werden können. In den übrigen Städten zeigten sich die Spitzenmieten in den beiden letzten Quartalen dagegen stabil. Am teuersten ist weiterhin Frankfurt mit 47,00 €/m², gefolgt von Berlin mit 40,00 €/m² und München mit 39,50 €/m². Die 30 €/m²-Marke überschritten hat auch Hamburg, wo mittlerweile 32,00 €/m² notiert werden. Knapp vor dieser Schwelle steht Düsseldorf, wo aktuell 28,50 €/m² anzusetzen sind. In Köln liegt die Höchstmiete mittlerweile bei 26,00 €/m². Die B-Standorte Essen (16,30 €/m²) und Leipzig (16,00 €/m²) haben in den letzten zwei Jahren ebenfalls eine dynamische Entwicklung vollzogen.
Auch bei den Durchschnittsmieten, die traditionell volatiler ausfallen und gerade in Zeiten mit niedrigen Flächenumsätzen häufig überproportional von wenigen Vermietungen beeinflusst werden, sind bislang keine signifikanten Veränderungen zu erkennen. Während in einigen Standorten aufgrund von größeren Umsatzanteilen in modernen Topobjekten leicht höhere Durchschnittsmieten beobachtet wurden, haben sie in anderen Standorten aufgrund der Vermietungsstruktur leicht um wenige Prozent nachgegeben. Ein eindeutiger Trend, der auf die Auswirkungen der Corona Pandemie und die stark rückläufigen Umsätze zurückgeführt werden kann, ist bislang nicht nachweisbar.
Perspektiven
„Die weitere Entwicklung der Büromärkte im laufenden Jahr ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Wie schnell die deutsche Wirtschaft es schafft, die 2020 zu erwartende Rezession hinter sich zu lassen und wieder einen beschleunigten Wachstumspfad einzuschlagen, kann voraussichtlich erst gegen Ende des Jahres abschließend beurteilt werden, auch wenn erste Anzeichen, wie ein stärker als erwartet gestiegener ifo-Index, darauf hindeuten, dass die Zuversicht wieder spürbar wächst. Auch die noch offene Frage, ob mit einer zweiten Infektionswelle zu rechnen ist, spielt eine entscheidende Rolle. Unbestritten ist, dass der Flächenumsatz 2020 schwach ausfallen wird, da viele Unternehmen noch nicht bereit sein werden, geschobene Investitionsentscheidungen kurzfristig wieder in Angriff zu nehmen“, ist sich Marcus Zorn sicher.
„Auch wenn viele offene Fragen eine fundierte Voraussage der kurz- und mittelfristigen Nachfrage erschweren, zeichnet sich aus heutiger Sicht ein wahrscheinliches Szenario ab. Danach dürfte der Büroflächenumsatz gegen Ende des Jahres wieder erste Aufwärtstendenzen zeigen, die sich ab 2021 beschleunigen und zu einer schrittweisen Rückkehr zur Normalität im Jahre 2021 führen dürften. Dass dabei gleich wieder Umsatzrekorde wie in den vergangenen Jahren erzielt werden können, ist zwar eher unwahrscheinlich, Umsätze im Schnitt der letzten zehn Jahre erscheinen aber durchaus realistisch für 2021. Verantwortlich für diese Einschätzung ist die erwartete schnelle Recovery der deutschen Konjunktur in Verbindung mit den massiven finanziellen Hilfspaketen, wodurch die Zuversicht in der Wirtschaft wachsen dürfte. Gerade für die Büromärkte ist die Stimmungslage ein entscheidender Faktor, da Investitions- und Expansionsentscheidungen überwiegend dann getroffen werden, wenn die Perspektiven auf Wachstum hindeuten. Häufig ist dabei das Sentiment ausschlaggebender als das aktuell vorhandene Ausgangsniveau“, erläutert Piotr Bienkowski.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass tendenziell nachfrageerhöhende Trends, wie die fortschreitende Digitalisierung oder sich ändernde Arbeits- und Lebenswelten, die entsprechend höhere Anforderungen an die Standort- und Flächenqualität mit sich bringen und zu den außergewöhnlich guten Flächenumsätzen der letzten Jahre beigetragen haben, sich nicht einfach in Luft auflösen, sondern Bestand haben werden. Aktuell vielfach diskutierte nachhaltige Rückgänge des Büroflächenbedarfs in großem Umfang aufgrund einer starken Ausweitung des permanenten Home-Office erscheinen dagegen wenig plausibel. Bei einer intensiveren Beschäftigung mit dem Thema werden viele Unternehmen realisieren, dass damit viele offene Fragen und Risiken verbunden sind. Als Stichworte stehen Kostenaspekte, versicherungstechnische und organisatorische Fragen, Datenschutz und -sicherheit, Sicherstellung der Arbeitsqualität und Innovationskraft, Eingliederung und Bindung neuer Mitarbeiter und nicht zuletzt die Schaffung und langfristige Sicherstellung einer ausreichenden Unternehmens- und Teamidentifikation in weiten Teilen der Belegschaft. Noch nicht berücksichtigt ist dabei die offene Frage, ob es wirklich deutlich mehr Menschen als bisher vorziehen würden, permanent alleine zu Hause zu arbeiten.
Aus heutiger Sicht spricht deshalb vieles dafür, dass ein Ausbau des mobilen Arbeitens mit dem Ziel, die Zufriedenheit und Flexibilität der Mitarbeiter zu erhöhen und an neue Lebenswelten anzupassen, das wahrscheinlichste Szenario ist. Das bedeutet aber nicht automatisch einen Rückgang der Büroflächennachfrage insgesamt, da teilweise eingesparte Arbeitsplätze erfahrungsgemäß durch die Integration zusätzlicher Kommunikationszonen, Ruhezellen oder Telefon- und Meeting-Kabinen weitestgehend kompensiert werden. Ein deutlich geringerer Bedarf an Büroflächen im zweistelligen Prozentbereich erscheint vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich.
„Leichter einzuschätzen als die Nachfrageentwicklung ist die Angebotssituation. Auch wenn im Laufe des Jahres von steigenden Leerständen auszugehen ist, wird sich diese Entwicklung auf einem im langjährigen Vergleich moderatem Niveau abspielen. Selbst bei längerfristig schwacher Nachfrage wird die Angebots-/Nachfragerelation deutlich gesünder bleiben als während der letzten Krisen. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich auch keine umfangreichen Mietpreisrückgänge auf breiter Front ab“, fasst Bienkowski die Aussichten zusammen.