Auch wenn der Retail-Investmentmarkt im Zuge des herausfordernden Zinsumfeldes und der unsicheren geopolitischen Lage im Jahr 2022 insgesamt keine Trendwende einleiten konnte, wurde das Vorjahresresultat leicht um gut 7 % übertroffen. Im langjährigen Vergleich ordnet sich das Investmentvolumen mit knapp 9,4 Mrd. € jedoch immer noch gut ein Fünftel unter dem Durchschnittswert der letzten zehn Jahre ein. Dies ergibt die Analyse von BNP Paribas Real Estate.
Während das sehr geringe Volumen im letzten Jahresabschnitt (Q4: 1,7 Mrd. €) hierbei die erschwerten Rahmenbedingungen widerspiegelt, gibt es jedoch auch positive Signale, die für die weitere Entwicklung des Retail-Investmentmarktes sprechen: Hierzu zählt in erster Linie die Bilanz im Einzeldeal-Segment, das mit fast 5,4 Mrd. € den höchsten Umsatz seit 2019 erzielt hat und dabei von einer insgesamt guten Anzahl an Deals profitieren konnte. „Darüber hinaus gestaltete sich das Marktgeschehen bei den Einzeltransaktionen im dreistelligen Millionenbereich wieder etwas lebhafter als in den beiden Jahren zuvor, ohne dabei allerdings das Ergebnis entscheidend in die Höhe zu treiben. In der Portfoliosparte wurden insgesamt gut 4 Mrd. €, anteilig 43 %, investiert, wobei neben zahlreichen Fachmarkt- und Lebensmittelportfolios insbesondere die Übernahme der Deutschen EuroShop AG heraussticht“, erläutert Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services.
Top-Märkte legen mehr zu als der Gesamtmarkt
Mit insgesamt gut 3,3 Mrd. € erzielen die A-Standorte zwar keine überdurchschnittliche Bilanz (4 Mrd. €), können ihr Vorjahresresultat aber um knapp 23 % toppen. Herausstechen können hierbei in erster Linie Berlin und München, die sich mit rund 1,3 Mrd. € bzw. gut 852 Mio. € an der Spitze absetzen. Mit dem Q207, dem Geschäftshaus Kurfürstendamm 12 und dem neuerrichteten Retail-Objekt Rosi wechselten hierbei in Berlin gleich mehrere großvolumige Highstreet-Immobilien den Eigentümer. Über eine halbe Milliarde Euro wurde zudem auch in Hamburg investiert (739 Mio. €). Auf den Plätzen folgen Frankfurt (211 Mio. €), Köln (160 Mio. €), Düsseldorf (72 Mio. €) und Stuttgart (31 Mio. €).
Nachdem der Retail-Investmentmarkt in jüngster Vergangenheit maßgeblich durch die Fachmarktsparte geprägt wurde, ergibt sich in der Umsatzverteilung nach Objektarten erstmals wieder ein ausgeglicheneres Bild: Zwar schiebt sich der Fachmarktsektor mit gut 44 % im Ranking nach vorne, umfangreiche Beiträge liefern aber auch Shoppingcenter (28 %), u. a. durch die EuroShop-Übernahme, und Geschäftshäuser (21 %), die von einigen großvolumigen und zahlreichen kleineren Geschäftshäusern profitieren. Kaufhäuser kommen mit ebenfalls vielen Transaktionen in den kleineren Größenklassen auf weitere knapp 7 %.
Durch die EuroShop-Übernahme im dritten Quartal ist Bewegung in das Ranking der Käufergruppen gekommen: So setzen sich zum Jahresende die Equity/Real Estate Funds (gut 24 %), die von der Unternehmensübernahme profitieren, an die Spitze der Umsatzverteilung der Anleger. Im Einzeldeal-Segment bleiben Spezialfonds die Top-Investorengruppe und generieren zusammen mit einigen Fachmarktportfolios fast 22 % des Gesamtvolumens. Mit deutlichem Abstand dahinter folgen Investment/Asset Manager (knapp 10 %), bei denen sich aktuell vor allem Geschäftshaus– und Fachmarkt-Transaktionen als Investmentschwerpunkt herauskristallisieren. Umfangreicher am Umsatz beteiligt sind zudem Projektentwickler (fast 7 %), wozu in erster Linie auch das Klöpperhaus (eh. Galeria Kaufhof) in der Hamburger Mönckebergstraße beitragen konnte. Käufer außerhalb der genannten Investorengruppen halten zusammengenommen weitere 37 % Umsatzanteil, was ein Indiz für den relativ breiten Anlegerkreis im Retail-Segment ist. Internationale Investoren partizipieren mit 41 % am Marktgeschehen und damit in etwas geringerem Maße wie auf dem gesamten Gewerbe-Investmentmarkt (45 %).
Renditeanstiege über alle Objektarten und Städte
Während die Spitzenrenditen für Büro- und Logistikimmobilien schon zur Jahresmitte steigende Tendenzen aufgewiesen haben, zeichnete sich in der Retail-Sparte der Aufwärtstrend im Verlauf der zweiten Jahreshälfte ab. Dies ist vor allem auch darauf zurückzuführen, dass die Renditeentwicklung bei Premium-Einzelhandelsobjekten bereits in den vergangenen Jahren stagnierte und keine kontinuierliche Renditekompression wie im Core-Office- und Logistiksegment zu beobachten war. Aktuell stehen Berlin und München an der Spitze (jeweils 3,00 %) vor Hamburg (3,15 %), Frankfurt (3,30 %), Düsseldorf und Stuttgart (jeweils 3,40 %) sowie Köln (3,45 %). Bei den weiteren Objektarten haben Fachmarktzentren im 12-Monatsvergleich um 70 Basispunkte auf 4,20 % angezogen, einzelne Fachmärkte gingen um 40 Basispunkte auf 4,80 % nach oben und auch Shoppingcenter legten um 20 Basispunkte zu und notieren bei 4,90 %.
„Der Retail-Investmentmarkt hat angesichts der geopolitischen und finanzmarktgetriebenen Unsicherheiten im Jahr 2022 ein respektables Resultat erzielt. Das gestiegene Ergebnis im Einzeldeal-Segment, die gute Anzahl der Transaktionen und die ausgeglichenere Umsatzverteilung über die verschiedenen Objektarten sind hierbei als Indiz dafür zu werten, dass sich ein dynamisches Marktgeschehen nicht immer im Transaktionsvolumen ausdrückt. Darüber hinaus könnte der Retail-Investmentmarkt langfristig von den bereits während der Corona-Krise beschleunigten Transformationsprozessen im Handel mit teils umfangreichen Investitionen in Retail-Assets profitieren. Insgesamt bleibt jedoch die sich fortsetzende Preisfindungsphase als entscheidendste Marktdeterminante für den Jahresauftakt 2023 weiter bestehen“, so Christoph Scharf.