Der stationäre Einzelhandelsmarkt hat im dritten Quartal erneut unter Beweis gestellt, dass gute und schlechte Nachrichten in der Retaillandschaft oftmals ganz nah beieinanderliegen. So gab es auch in den vergangenen Monaten wieder zahlreiche renommierte Akteure, die durch Unternehmensübernahmen oder neu aufgestellte Geschäftsstrukturen den ersten Schritt für die kommenden Repositionierungsprozesse eingeleitet haben. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang unter anderen die Umstrukturierung des Geschäftsbetriebes der KaDeWe-Luxuskaufhäuser im Zuge der Übernahme durch die thailändische Central Group. Zu den weiteren großen Handelskonzernen gehört mit Bluestar Alliance zudem auch die Markenrechtsinhaberin des niederländischen Fashionspezialisten Scotch & Soda, die nach der Schließungswelle den Wiederaufbau des Geschäfts in deutschen Einkaufsstraßen angekündigt hat. Darüber hinaus ist zudem noch der Menswear-Filialist Wormland erwähnenswert, der nach dem Verkauf an das Modehaus L&T ebenfalls vor einem grundlegenden Neustart steht. Nicht zuletzt diese Beispiele großer Einzelhandelsunternehmen spiegeln die Schnelllebigkeit und den Wandel in der Retailsparte wider, die auf dem Vermietungsmarkt in einer weiterhin hohen Dynamik bei den aufgebenden aber auch den neu startenden Konzepten in Innenstadtlagen zum Ausdruck kommt. Wie sich das Marktgeschehen in deutschen Innenstädten hierbei aktuell entwickelt, hat BNP Paribas Real Estate auf Grundlage der registrierten Vermietungen und Eröffnungen in den ersten drei Quartalen 2024 analysiert.
Dealanzahl spürbar gestiegen, Flächenumsätze in Centern und Highstreets auf gutem Niveau
Der bundesweite Retailmarkt blickt in den ersten drei Quartalen auf ein lebhaftes Vermietungsgeschehen zurück: „Mit fast 650 registrierten Vermietungen und Eröffnungen konnten in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres fast 10 % mehr Abschlüsse verzeichnet werden als zum Ende des dritten Quartals 2023“, erläutert Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services. Dass der Flächenumsatz gleichzeitig niedriger ausgefallen ist als im Vorjahreszeitraum ist in erster Linie auf die sehr großflächigen Abschlüsse des Modehaus Aachener im Jahr 2023 zurückzuführen. In der Summe machten die hiermit verbundenen Mietverträge, die größtenteils in ehemaligen Galeria-Filialen zum Abschluss gekommen sind, ein Flächenvolumen von rund 100.000 m² aus. Mittlerweile sind diese Geschäfte allerdings bereits wieder geschlossen bzw. stehen noch unmittelbar vor dem Aus und wurden teilweise schon wieder nachvermietet. Lässt man diese Verträge folglich im sehr hohen Zwischenergebnis der ersten drei Quartale 2023 (rund 450.000 m²) unberücksichtigt, so läge der aktuelle Flächenumsatz mit gut 360.000 m² sogar knapp über dem Vorjahresresultat (rund 350.000 m² ohne das Modehaus Aachener).
Getrieben wurde das Volumen jüngst nicht nur durch die weiterhin hohe Dynamik im Kaufhaus-Sektor, sondern unter anderem auch durch die teils umfangreichen Repositionierungsaktivitäten in innerstädtischen Shoppingcentern. Im laufenden Jahr konnten Innenstadtcenter hierbei mit insgesamt rund 110.000 m² den höchsten Flächenumsatz seit 2019 generieren und einen beachtlichen Marktanteil von knapp 31 % des Gesamtresultates in Citylagen verbuchen. Anzuführen sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die großvolumigen Vermietungen an Peek & Cloppenburg (Limbecker Platz in Essen; 6.400 m²), Modepark Röther (Stadtquartier Agnes in Göppingen; 6.000 m²), H&M Home (Boulevard Berlin; 3.000 m²) und Only (Loom in Bielefeld; 2.000 m²) in jeweils ganz unterschiedlichen Städtekategorien. Dies ist als klares Indiz dafür zu werten, dass nicht nur im Highstreetsegment, sondern auch im Shoppingcentersektor die Transformation in vollem Gange ist, wobei zugkräftige Ankermieter eine tragende Rolle spielen.
Als positives Signal für die hohe Bedeutung des deutschen Einzelhandelsmarktes im internationalen Kontext ist darüber hinaus die in den ersten drei Quartalen deutlich gestiegene Zahl der Markteintritte zu bewerten. Hierbei bilden Guess Jeans (Berlin; Neue Schönhauser Straße), Marella (München; Theatiner Straße), OVS (Essen; Limbecker Straße) sowie Lager 157 (Bremen; Einkaufszentrum Waterfront) nur einige Beispiele der vielen neuen Konzepte auf dem deutschen Markt, die allein in den letzten drei Monaten in Erscheinung getreten sind.
Die Nachhaltigkeit des Vermietungsgeschehens steht erneut auf der Probe
„Auch für die kommenden Quartale ist davon auszugehen, dass sich die Akteure, die aufgeben müssen mit den Konzepten, die neu beginnen, weiter die Waage halten. Nach den Erfahrungen der vielen nach kurzer Zeit wieder freigezogenen Großflächen bleibt jedenfalls zu hoffen, dass sich die im Jahr 2024 getätigten Vermietungen als nachhaltiger erweisen werden. Dies gilt vor allem auch für die Nachvermietungsprozesse in Galeria-Objekten, die insbesondere in kleineren Städten zu den wichtigsten Bestandteilen der innerstädtischen Einzelhandelslandschaften gehören“, skizziert Christoph Scharf die wichtigsten Herausforderungen für eine positive Marktentwicklung. Zusammenfassend kann der Retail-Sektor insgesamt jedoch zuversichtlich in den letzten Jahresabschnitt starten, der sich gerade durch das Weihnachtsgeschäft erneut als besonders wichtig für die Stimmung in der Einzelhandelsbranche erweisen dürfte.