Im Gesamtjahr 2022 wurde ein gewerbliches Investitionsvolumen von 54,1 Mrd. € registriert. Damit liegt das Ergebnis knapp 16 % unter dem vergleichbaren Vorjahreswert. Der zehnjährige Durchschnitt wurde dagegen lediglich um knapp 2 % verfehlt. Für dieses in der längerfristigen Betrachtung durchaus gute Resultat ist in erster Linie das Rekordergebnis des ersten Quartals verantwortlich, wohingegen vor allem im vierten Quartal ein im langfristigen Vergleich sehr niedriges Transaktionsvolumen erfasst wurde. Berücksichtigt man auch die Investitionen in Wohnimmobilien (ab 30 Einheiten), die sich auf 13,1 Mrd. € summieren, beläuft sich das Gesamtvolumen auf 67,2 Mrd. €. Dies zeigt die aktuelle Analyse von BNP Paribas Real Estate. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Mit gut 54,1 Mrd. € liegt der Investmentumsatz knapp 16 % unter dem Vorjahreswert aber nur knapp 2 % unter dem zehnjährigen Durchschnitt
- Rund zwei Drittel (36,5 Mrd. €) entfallen auf Einzeldeals
- Portfolioverkäufe legen aufgrund von Unternehmensbeteiligungen um 10 % auf 17,6 Mrd. € zu
- Büro-Investments mit gut 41 % (22,2 Mrd. €) weiter an der Spitze, Logistik mit Rekordumsatz
- Berlin bleibt Nummer 1 der deutschen Investitionsstandorte (8,5 Mrd. €)
- Netto-Spitzenrenditen erwartungsgemäß weiter gestiegen
- Marktanteil ausländischer Käufer mit 44 % auf hohem Niveau
- Gut 1.500 erfasste Transaktionen (nur Gewerbe)
„Die erwartungsgemäß ausgefallene Jahresendrallye zeigt deutlich, wie schwierig sich das aktuelle Umfeld für die gewerblichen Investmentmärkte gestaltet. Mit lediglich gut 9,9 Mrd. € lag das Transaktionsvolumen im vierten Quartal um die Hälfte niedriger als im Schnitt der letzten fünf Jahre. Die deutlich gestiegenen Zinsen, eine sich abschwächende Konjunktur und eine Inflation auf Rekordniveau sorgen nicht nur für eine gewisse Unsicherheit zur weiteren Entwicklung der Immobilienmärkte, sondern haben auch dazu beigetragen, dass viele große Transaktionen, die sich bereits in der Vermarktung befanden, nicht mehr realisiert werden konnten“, erläutert Marcus Zorn, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland. „Vor allem die erheblich gestiegenen Finanzierungskosten haben dazu geführt, dass die Kaufpreiserwartungen vieler Verkäufer und die Kaufpreisangebote vieler Investoren erheblich voneinander abweichen. Der auch aus früheren Krisen bekannte Prozess der notwendigen Annäherung der Kaufpreisvorstellungen an ein für beiden Seiten faires Niveau läuft zwar, ist aktuell aber noch nicht abgeschlossen.“ Zu berücksichtigen ist auch, dass die einzelnen Marktsegmente von den skizzierten Störfaktoren in unterschiedlichem Maße betroffen sind. Da großvolumige Core-Transaktionen in der Regel von institutionellen Investoren mit einem hohen Fremdkapitalanteil getätigt werden, machen sich die veränderten Finanzierungsbedingungen in diesem Segment am stärksten bemerkbar. Das Investmentvolumen mit Objekten im dreistelligen Millionenbereich lag im vierten Quartal 2022 demzufolge 67 % unter dem fünfjährigen Durchschnitt. Bei Transaktionen unter 100 Mio. € wurde der fünfjährige Schnitt dagegen nur um 28 % verfehlt. Gerade bei kleinen und mittelgroßem Objekten scheint also die Annäherung an ein neues, realistisches Preisniveau bereits weiter fortgeschritten zu sein. „Grundsätzlich zeigt die Analyse auf, dass die aktuell schwachen Investmentumsätze nicht auf ein nachhaltig geringeres Investoreninteresse zurückzuführen sind, sondern aus zeitlich begrenzten Marktanpassungen resultieren, die durch die skizzierten externen Einflussfaktoren ausgelöst wurden. Im Gegenteil, weiter steigende Mieten und stabile Flächenumsätze auf den Nutzermärkten bieten für Anleger in der längerfristigen Perspektive hervorragende Wertsteigerungspotenziale. Wieder spürbar anziehende Investmentumsätze dürften deshalb nur eine Frage weniger Quartale sein“, fasst Zorn zusammen.
Büros weiter an der Spitze, Logistik auf Platz zwei
Die Verteilung des Investmentumsatzes auf die einzelnen Assetklassen zeigt weitestgehend das bekannte Bild. An der Spitze liegen unverändert Büroimmobilien, die 22,25 Mrd. € (41 %) zum Gesamtergebnis beitragen. Im Vorjahresvergleich hat sich ihr Anteil damit aber um rund 7 Prozentpunkte verringert. Absolut betrachtet wurde in Büros sogar gut ein Viertel weniger investiert als 2021. Hierin spiegelt sich vor allem das aufgrund der veränderten Finanzierungsbedingungen geringe Transaktionsvolumen im großvolumigen Core-Segment wider. So wurden beispielsweise im vierten Quartal nur sechs Verkäufe im dreistelligen Millionenbereich erfasst. Auf Platz zwei folgen Logistikobjekte, die zwar ebenfalls gegen Ende des Jahres Umsatzeinbußen hinnehmen mussten, aufgrund des hervorragenden ersten Halbjahrs im Gesamtjahr aber ein Rekordergebnis erzielen konnten. Mit knapp 10,14 Mrd. € sind sie für fast 19 % des Resultats verantwortlich. Aufgrund der langfristig positiven Perspektiven der Logistikbranche dürften sie auch weiterhin im Fokus der Anleger bleiben. Knapp dahinter auf Rang drei folgen Einzelhandelsimmobilien, die ihren Umsatzanteil auf gut 17 % gesteigert haben. Mit knapp 9,4 Mrd. € legen sie als einzige Assetklasse relativ deutlich (+7 %) gegenüber 2021 zu. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Mehrheitsübernahme der Deutschen EuroShop, die mit weit über einer Milliarde Euro in die Zahlen eingeflossen ist, dieses Ergebnis erheblich beeinflusst hat. Im Blickpunkt der Investoren standen vor allem Fachmarktzentren und Fachmärkte mit hohem Lebensmittelanteil. Allerdings wurden auch einige Shoppingcenter verkauft, was darauf hindeutet, dass die hier mittlerweile gefundenen Preisniveaus einen Einstieg für Anleger wieder interessant machen. Hotel-Investments steuern weitere 3,5 % (1,9 Mrd. €) zum Transaktionsvolumen bei, womit sie knapp unter ihrem Vorjahreswert liegen. Absolut betrachtet haben aber auch sie rund ein Viertel gegenüber 2021 eingebüßt. Zwar zeichnet sich aktuell eine leichte Marktbelebung ab, die sich aber durch das schwierige Finanzierungsumfeld nicht voll entfalten kann. Weniger umgesetzt wurde auch mit Healthcare-Immobilien, auf die mit knapp 3,3 Mrd. € ein Umsatzanteil von gut 6 % entfällt. Gerade dieses Marktsegment ist weiterhin von einem ausgeprägten Produktmangel gekennzeichnet.
Deutlich weniger Einzeltransaktionen
Zwar steuern Einzelobjekte mit gut 36,5 Mrd. € über zwei Drittel zum Gesamtergebnis bei, absolut betrachtet haben sie aber erheblich eingebüßt. Im Vorjahresvergleich wurde rund ein Viertel weniger investiert, wohingegen der zehnjährige Schnitt nur um 4 % verfehlt wurde. Im Portfoliosegment stellt sich die Situation anders dar. Hier wurde ein Transaktionsvolumen von gut 17,6 Mrd. € registriert, was einer Zunahme um 10 % gegenüber 2021 entspricht. Wesentlich dazu beigetragen haben einige große Unternehmensbeteiligungen, wie die Übernahme der alstria durch Brookfield oder die angesprochene Mehrheitsbeteiligung an der Deutschen EuroShop.
Ausländische Investoren haben im Gesamtjahr gut 24 Mrd. € zum Transaktionsvolumen beigesteuert. Dies entspricht einem Umsatzanteil von 44,5 %. Im Vergleich zu 2021 konnten sie damit ihren Anteil um knapp sechs Prozentpunkte steigern. Wie so oft stellen sie im Portfoliosegment sogar die mit Abstand wichtigste Käufergruppe.
Spürbarer Rückgang auch an den A-Standorten
„Auch an den A-Standorten (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) fiel das Investitionsvolumen gering aus. Mit insgesamt 28,2 Mrd. € liegt der Umsatz knapp 24 % niedriger als im Vorjahr. Der zehnjährige Durchschnitt wurde um rund 15 % verfehlt. Gerade die großen Investmentstandorte, in denen in der Regel viele hochpreisige Core-Objekte verkauft werden, sind von den veränderten Finanzierungsbedingungen besonders betroffen. Unterstrichen wird diese Aussage durch das Ergebnis des vierten Quartals, in dem nur gut 5,2 Mrd. € in den A-Standorten umgesetzt wurden. Dieses Resultat liegt mehr als 50 % unter dem langjährigen Schnitt“, erläutert Nico Keller, Deputy CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland. Am meisten investiert wurde erwartungsgemäß wieder in Berlin mit 8,54 Mrd. €. Im Vorjahresvergleich entspricht dies zwar einem Rückgang um knapp 24 %, gleichzeitig stellt es aber das viertbeste jemals registrierte Transaktionsvolumen dar; nur in den Jahren 2019 bis 2021 wurde mehr in der Hauptstadt investiert. Auf Platz zwei folgt Frankfurt mit rund 5 Mrd. €, was einem Umsatzrückgang um ein Viertel entspricht. Die Bankenmetropole, in der traditionell besonders viele großvolumige Immobilien verkauft werden, hat mit dem aktuellen Finanzierungsumfeld besonders zu kämpfen. Vervollständigt wird das Siegerpodest von Hamburg, wo mit gut 4,9 Mrd. € nur unwesentlich weniger Umsatz erzielt wurde als in Frankfurt. Gleichzeitig ist die Hansestadt eine von lediglich zwei Städten, in der das Investmentvolumen spürbar zulegen konnte (+57 %). Auf den weiteren Rängen folgen München mit knapp 4,3 Mrd. € (-45 %), Düsseldorf mit fast 2,9 Mrd. € (+22 %) und Stuttgart mit gut 1,44 Mrd. € (-32 %). Neben Hamburg ist Düsseldorf damit der zweite Standort, in dem ein Anstieg des Transaktionsvolumens zu beobachten war. Den mit Abstand stärksten Rückgang des Umsatzes verzeichnete Köln: Mit insgesamt gut 1,1 Mrd. € liegt das Ergebnis um gut 70 % niedriger als im Vorjahr. Gerade in der Domstadt kommt neben dem schwierigen Finanzierungsumfeld zusätzlich ein kaum vorhandenes Produktangebot zum Tragen.
Renditen erwartungsgemäß weiter gestiegen
„Vor dem Hintergrund der noch andauernden Leitzinserhöhungen der wichtigsten Notenbanken ist es nicht verwunderlich, dass auch die Finanzierungskosten für Immobilieninvestitionen und damit auch die Renditen im vierten Quartal weiter gestiegen sind“, stellt Nico Keller fest. Für Büroimmobilien haben die Netto-Spitzenrenditen im vierten Quartal im Schnitt um rund 30 Basispunkte zugelegt. An der Spitze liegen Berlin und München mit jeweils 3,20 %. Knapp dahinter folgen Hamburg und Köln mit 3,30 %. In Frankfurt sind aktuell 3,35 % anzusetzen, und in Düsseldorf und Stuttgart notieren sie bei 3,40 %. Bei Logistikobjekten sind die Spitzenrenditen bundesweit sogar um 50 Basispunkte auf 3,85 % gestiegen. Bei Fachmarktzentren werden im Moment 4,20 % verzeichnet und bei einzelnen Fachmärkten 4,80 %. Auch für Shoppingcenter ging es noch einmal leicht aufwärts, sodass hier jetzt 4,90 % anzusetzen sind.
Perspektiven
„Das vierte Quartal gestaltete sich aufgrund der skizzierten Rahmenbedingungen erwartungsgemäß schwierig. Vor allem die verteuerten Finanzierungskosten und die damit einhergehende Preisfindungsphase spiegeln sich in einem niedrigen Investmentumsatz wider. Da dieser Prozess weiterhin noch nicht abgeschlossen ist, spricht aus heutiger Sicht vieles dafür, dass wir 2023 ein zweigeteiltes Investmentjahr sehen werden“, erläutert Marcus Zorn.
Das erste Halbjahr dürfte noch von steigenden Leitzinsen und Finanzierungskosten geprägt sein. Gleichzeitig ist nicht ganz auszuschließen, dass Deutschland in eine leichte Rezession rutscht und nur wenig konjunktureller Rückenwind zu erwarten ist. Ausgehend von diesem Szenario sind zumindest im langfristigen Vergleich relativ moderate Investmentumsätze in den ersten Monaten des Jahres 2023 wahrscheinlich. Gleichzeitig spricht aus heutiger Sicht aber vieles dafür, dass ab dem zweiten Quartal ein Ende der Zinserhöhungen absehbar werden dürfte und die voraussichtlich flache Rezession wieder in eine steigende Wirtschaftsdynamik übergehen wird. In Verbindung mit bereits heute wieder sinkenden Energiepreisen wird sich vermutlich einerseits das konjunkturelle Umfeld spürbar aufhellen, andererseits die Planungssicherheit bezüglich des zukünftigen Finanzierungsumfelds erhöhen. Dies alles wird die Findungsphase für neue, realistische und faire Preisniveaus erheblich beschleunigen. In diesem Zusammenhang ist nicht auszuschließen, dass bereits im zweiten Quartal eine leichte Marktbelebung einsetzen wird, in der vor allem neue Verkaufsprozesse wieder in größerem Umfang angeschoben werden. Im zweiten Halbjahr ist dann eine starke Zunahme der Investmentaktivitäten das aus heutiger Sicht wahrscheinlichste Szenario.
„Voraussichtlich wird das Transaktionsvolumen im Gesamtjahr 2023 trotzdem niedriger ausfallen als in den vergangenen Jahren. Der entscheidende Grund hierfür sind die deutlich niedrigeren Preisniveaus als in den Vorjahren, da selbst bei vergleichbarer Marktdynamik das Volumen sinken würde. Zumindest im ersten Quartal 2023 ist darüber hinaus ein weiterer leichter Renditeanstieg nicht auszuschließen“, fasst Zorn die Aussichten zusammen.