Nach Jahren von Rekordumsätzen infolge einer zunehmenden Bedeutung der Assetklasse Healthcare, die durch den gestiegenen Bedarf an entsprechenden Einrichtungen getrieben wurde, verläuft die erste Jahreshälfte 2023 stark unterdurchschnittlich. Mit einem Investitionsvolumen von 660 Mio. € wurde der 10-jährige Schnitt um 38 % unterschritten und das starke Vorjahresergebnis sogar um 68 % verfehlt. Dies zeigt die aktuelle Analyse von BNP Paribas Real Estate.
„Einige große Insolvenzen von namhaften Betreibern setzen aktuell dem Healthcare-Investmentmarkt zu und führen zu zunehmender Zurückhaltung seitens risikoaverser Investoren. Wo jahrelang kein oder kaum Betreiberrisiken wahrgenommen wurden, wächst nun das Augenmerk auf die Stabilität eines Betreibers. Die weitere Entwicklung auf Betreiberseite wird daher genauestens beobachtet und wird einen großen Einfluss auf das weitere Transaktionsgeschehen haben“, erklärt Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment der BNP Paribas Real Estate GmbH.
Betreiberrisiken dominieren Marktgeschehen
Betrachtet man die Transaktionsvolumina nach Nutzungsart, zeigt sich ein stark differenziertes Bild. Zwar machen Pflegeimmobilien mit einem Anteil von rund 52 % weiterhin das Gros aus, erreichen damit aber im langjährigen Vergleich einen um -28 % geringeren Anteil am Gesamtmarkt. Wohnanlagen des betreuten Wohnens (27 %) mit ihrem differenzierteren Risikoprofil hingegen konnten ihren Anteil über die vergangenen 10 Jahre deutlich ausbauen und liegen erstmals deutlich vor Gesundheitsimmobilien (21 %), die schwerpunktmäßig Ärztehäuser, Kliniken und MVZ beinhalten. Angesichts der strukturellen Probleme, die sich insbesondere Pflegebetreiber stellen müssen, keine verwunderliche Entwicklung. Diverse Großinsolvenzen bzw. Schutzschirmverfahren dieser Betreiber tun ihr Übriges. Ärzte sowie Klinikbetreiber stehen im Vergleich stabiler dar, da es Ihnen besser gelingt, die gestiegenen Kosten durch die Kostenübernahme der Krankenkassen und insbesondere durch Privatversicherte umzulegen.
Die gestiegene Risikoaversion der Investoren spiegelt sich in der aktuellen Angebots-Nachfrage-Situation wider. Verkaufsangebote mit höheren Risikoprofilen dominieren zwar das Angebot, die Nachfrageseite präferiert aktuell jedoch moderne Objekte mit zeitgemäßen Baustandards sowie solventen Betreibern. Dadurch erhöhte sich zwar der Anteil an verkauften Projektentwicklungen am Gesamtmarkt auf aktuell rund ein Drittel, das Transaktionsvolumen hingegen bewegt sich mit rund 213 Mio. € in etwa auf dem Niveau des ersten Halbjahrs 2019. Angesichts der rückläufigen Bauaktivitäten dürfte dieser Angebotsengpass weiter anhalten.
Mittelgroße Deals bevorzugt
Mit 321 Mio. € und einem Anteil von 48,7 % dominieren Deals zwischen 50-<100 Mio. € das aktuelle Marktgeschehen deutlich. Maßgeblich beteiligt waren hier einzelne kleine Portfolios sowie zwei Einzeltransaktionen. Objekte zwischen 25-<50 Mio. € schieben sich mit 27 % und 178 Mio. € auf den zweiten Platz. Der Vorjahreswert wird damit um mehr als die Hälfte unterschritten. Kleinere Objekte im Bereich 10-<25 Mio. € belegen den dritten Rang mit 23,3 %. Die hier registrierten 154 Mio. € sind um fast zwei Drittel niedriger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Transaktionen unter der 10-Mio.-€-Marke kommen auf einen Anteil von gerade mal 1 %. Kleine Objekte, insbesondere in peripheren Lagen, erschweren Betreibern das Erreichen einer für sie kritischen Größe, welche ein tragbares Geschäft ermöglicht. Daher ist vorerst mit weiterhin geringen Transaktionsvolumina in diesem Segment zu rechnen.
Wie üblich liegen Spezialfonds erneut mit weitem Abstand auf dem ersten Platz. Die hier generierten 418 Mio. € machen rund 63 % des gesamten Transaktionsgeschehens H1 2023 aus. Der zweite Platz wird aktuell von Corporates belegt, hinter denen sich Betreiber befinden, die sich langfristig attraktive Objekte sichern konnten. Die hier platzierten knapp 100 Mio. € machen 14,8 % des Halbjahresergebnisses aus. Geschlossene Fonds (11 %) erreichen durch zwei Sale-and-lease-back-Transaktionen den dritten Rang. Die in den letzten Jahren üblicherweise stark präsenten Immobilien AGs/REITs sind bislang noch überhaupt nicht tätig geworden. Hier zeigt sich eindrucksvoll das sich veränderte Finanzierungsumfeld.
Renditen weiterhin auf stabilem Niveau
Die Spitzenrenditen geben dem Druck erhöhter Finanzierungskosten sowie gestiegener Betreiberrisiken nach und notieren bei 4,50 % (+50 Basispunkte ggü. Q4 2022). Fraglich ist aktuell, wann eine Bodenbildung abzusehen ist, da die Vorstellungen von Käufern und Verkäufern bislang immer noch teils erheblich auseinanderklaffen. Das knappe Angebot im Neubau-Core-Segment könnte allerdings einen stützenden Faktor darstellen.
„Der Healthcare-Investmentmarkt steht aufgrund struktureller Probleme im Gesundheits- und Pflegebereich vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Investoren werden vorerst nur selektiv agieren und Akquisitionen genau prüfen, insbesondere im Bereich Pflegeimmobilien. Ärztehäuser und Kliniken hingegen werden aller Voraussicht nach stärker in den Fokus rücken und einen immer größeren Anteil des Gesamtmarkts ausmachen. Trotz aktuell schwierigem Umfeld ist das Healthcare-Segment langfristig ein großer Wachstumsmarkt mit herausragenden Perspektiven“, fasst Christoph Meszelinsky die Aussichten zusammen.