Der deutsche Markt für gewerbliche Immobilien verzeichnet zum Halbjahr einen Investmentumsatz von 30,2 Mrd. €. Es war vor allem der historisch fulminante Jahresstart mit gut 19,7 Mrd. €, der zu diesem neuen Spitzenwert beigetragen hat. Das zweite Quartal stand eindeutig unter dem Einfluss des Ende Februar begonnen Kriegs gegen die Ukraine. Das sich innerhalb von wenigen Tagen und Wochen gewandelte Investitionsumfeld hat deutlich dämpfend auf das Marktgeschehen gewirkt, sodass für die Frühjahrsmonate ein Resultat von 10,5 Mrd. € registriert werden kann. Das Investmentvolumen in Wohnimmobilien (ab 30 Einheiten) summiert sich im ersten Halbjahr auf 7 Mrd. €, davon wurden 3 Mrd. € im zweiten Quartal platziert. Dies zeigt die aktuelle Analyse von BNP Paribas Real Estate. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
• Mit 30, 2 Mrd. € bestes Halbjahresergebnis der Historie
• Nach Rekordjahresauftakt (19,7 Mrd. €) spürbar gesunkene Marktdynamik in Q2 (10,5 Mrd. €)
• Einzeldeals (18,9 Mrd. €) und Portfoliotransaktionen (11,4 Mrd. €) mit hohen Halbjahresumsätzen
• Einzeldeals mit 62 % Marktanteil deutlich in Führung
• Büroobjekte bleiben Investitionsschwerpunkt mit 43 % Marktanteil (13,1 Mrd. €)
• Berlin mit 4,6 Mrd. € weit vor Frankfurt (3,4 Mrd. €) und Hamburg (2,6 Mrd. €)
• Trendwende bei Netto-Spitzenrenditen Büro und Logistik
• Ausländische und deutsche Investoren gleichauf mit jeweils 50 % Marktanteil
• Rund 812 Transaktionen davon 368 im zweiten Quartal (nur Gewerbe)
„Die deutschen Investmentmärkte sind in den Wochen nach Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine in eine neue Phase eingetreten. Innerhalb weniger Wochen haben sich für Investoren die Vorzeichen auf den Anlagemärkten verändert. Neben den geopolitischen Verwerfungen und den deutlich eingetrübten wirtschaftlichen Aussichten war es allen voran das Ende der lockeren Geldpolitik und die nun auch von der EZB eingeläutete Zinswende, die viele Investoren veranlasst bzw. auch gezwungen hat, ihre Anlagestrategie zu justieren und zum Teil neu zu denken. Finanzierungskonditionen haben sich innerhalb kürzester Zeit spürbar verändert und die Swap Rates spiegeln die aktuellen Erwartungen der Finanzwelt in eindrucksvoller Weise wider. Es kann wenig überraschen, dass dabei die zuvor noch historisch hohe Marktdynamik gesunken ist. Was wir jetzt erleben, ist die klassische Reaktion des Marktes auf ein stark verändertes Investitionsumfeld. Wir kennen dies aus anderen Phasen wie der globalen Finanzmarktkrise 2007/2008 und dem Platzen der Dot.com Blase 2001, um nur zwei Beispiele zu nennen“, erläutert Marcus Zorn, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland und führt weiter aus: „Wichtig ist zu verstehen, dass die Situation jetzt eine deutlich andere ist als im zweiten Quartal 2020, wo der deutsche Investmentmarkt in der Tat für einige wenige Monate komplett zum Stillstand gekommen ist. Damals hat die neue pandemische Lage in Kombination mit den weltweit implementierten Lockdown-Maßnahmen den Markt zum Erliegen gebracht. Davon sind wir aktuell weit entfernt, und die Zahl von 368 Transaktionen im zweiten Quartal ist ein Beleg dafür. Es werden weiterhin täglich neue Kaufverträge unterzeichnet, verhandelt und auch angebahnt. Natürlich agieren Investoren mit erhöhter Umsicht. Natürlich hat sich das Bieterfeld bei den großvolumigen Core-Produkten verschlankt. Selbstverständlich gestalten sich Vertragsverhandlungen schwieriger als noch zuvor, denn jetzt muss sich erst einmal ein neues Preisniveau finden. Die Preisvorstellungen der Verkäufer befinden sich noch auf dem historisch hohen Niveau von Anfang 2022, während die Realität der Ankaufwilligen eine komplett neue ist. Investoren sind zum Teil täglich gezwungen, ihre Finanzierung zu überprüfen und neu zu kalkulieren. Dass es da einen sogenannten Gap, eine deutliche Schere zwischen den Kaufpreisvorstellungen von Verkäufern und Käufern gibt, liegt auf der Hand. In der Regel dauern solche Findungsphasen, in denen beide Parteien ein neues, für alle passendes Preisniveau finden, sechs bis neun Monate. Danach springen die Märkte erfahrungsgemäß wieder komplett an und die Marktdynamik steigt. Es spricht vieles dafür, dass wir die Wiederholung dieses Musters in den kommenden Monaten beobachten können“, ist sich Zorn sicher.
Büro bleibt mit Abstand stärkste Assetklasse
Büroobjekte sind weiterhin die stärkste Assetklasse auf dem deutschen Markt für gewerbliche Immobilien. Im ersten Halbjahr wurden rund 13,1 Mrd. € in diesem Segment erfolgreich platziert (Q2: 3,3 Mrd. €), sodass sich ihr Marktanteil zur Jahreshälfte auf gut 43 % beläuft. Im Rahmen von Einzeltransaktionen sind bis dato 7,3 Mrd. € in Büroimmobilien geflossen, weitere 5,8 Mrd. € wurden im Zuge von Portfoliotransaktionen platziert. Zu dem hohen Volumen bei den Paketverkäufen hat überproportional die im ersten Quartal erfolgte alstria-Übernahme durch Brookfield beigetragen, im zweiten Quartal hat sich die Marktdynamik in diesem Segment spürbar verringert. Im Frühjahr hat sich das Investmentgeschehen in der Assetklasse Büro ganz eindeutig auf Einzeltransaktionen konzentriert, die gut 3 Mrd. € zum jüngsten Ergebnis beigesteuert haben. Der Investmentmarkt für Logistikimmobilien bewegt sich weiterhin auf einem im Langzeitvergleich sehr hohen Niveau und der Marktanteil dieser Assetklasse erreicht zum Halbjahr die Bestmarke von 22 %. Erstmals kann für die ersten sechs Monate des Jahres ein Ergebnis von 6,6 Mrd. € registriert werden, wovon 1,8 Mrd. € im zweiten Quartal investiert wurden. Wie bei den Büroobjekten hat sich das Transaktionsgeschehen im Logistiksegment in den vergangenen Wochen ganz eindeutig auf Einzeltransaktionen konzentriert, sie verantworten fast 80 % des Q2-Volumens. Vergleichsweise konstant präsentiert sich im bisherigen Jahresverlauf der Markt für Einzelhandelsimmobilien mit jeweils 2 Mrd. € Investmentvolumen im ersten und zweiten Quartal. Das Halbjahresresultat von 4 Mrd. € entspricht einen Marktanteil von 13,5 % und einem Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum von gut 45 %. Ebenfalls stabil, aber auf einem deutlich höheren Niveau, präsentiert sich der Investment-markt für Healthcare-Immobilien. Erstmals wurde zum Halbjahr die 2-Mrd.-€-Marke geknackt. Allein im zweiten Quartal sind 1,1 Mrd. € in dieser Assetklasse investiert worden. Nur langsam erholt sich der deutsche Hotelmarkt von den Aus- und Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Im ersten Halbjahr konnte für diese Assetklasse noch keine Portfoliotransaktion verzeichnet werden, sodass ausschließlich Einzeldeals für das bisher registrierte Volumen von rund 770 Mio. € verantwortlich zeichnen (Q2: 330 Mio. €).
Einzeldeals mit 62 % Marktanteil deutlich in Führung
Die Investitionstätigkeit konzentriert sich im laufenden Jahr 2022 über weite Strecken auf Einzeltransaktionen. Mit einem Investmentvolumen von 18,9 Mrd. € beläuft sich ihr Marktanteil aktuell auf 62 %, wobei sie insbesondere für das Investmentgeschehen im zweiten Quartal verantwortlich zeichnen (80 % Markt-anteil in Q2). Für Portfoliodeals wird zum Halbjahr der zweithöchste Wert in der Langzeitbetrachtung mit 11,4 Mrd. € registriert. Nach dem Rekordjahresauftakt mit 9,3 Mrd. € muss für das Frühjahr 2022 ein deutlich geringeres Volumen von gut 2 Mrd. € vermeldet werden. Die Analyse der Paketverkäufe nach Assetklassen zeigt, dass im ersten Halbjahr rund 5,8 Mrd. € im Rahmen von Büro-Paketen platzier wurden. Auf den Plätzen folgen Logistik mit 3,5 Mrd. € und Einzelhandel mit 1,1 Mrd. €.
Ausländische und deutsche Investoren sind aktuell gleichauf mit jeweils 50 % Marktanteil. Erstmals nach 2015 haben ausländische Marktteilnehmer damit wieder rund die Hälfte des registrierten Investmentvolumens generiert. Sie waren u. a. an der alstria-Übernahme beteiligt, haben verschiedene Portfoliotrans-aktionen im dreistelligen Millionenbereich getätigt und zeichnen auch für eine Vielzahl von großvolumigen Einzeltransaktionen verantwortlich. Sie sind dabei allen voran im Büro- und Logistiksegment auffällig aktiv.
A-Standorte überschreiten 15 Mrd. € Investmentvolumen
„Die deutschen A-Standorte haben zum Halbjahr erstmals die 15-Mrd.-€-Marke überschritten. Der Rekordauftakt mit über 10 Mrd. € hat dabei sicherlich den Unterschied gemacht. In den vergangenen Wochen haben die Investoren in Deutschlands Top-Standorten spürbar den Fuß vom Gas genommen, sodass für das zweite Quartal ein Ergebnis von nur noch 4,5 Mrd. € zu vermelden ist. Ihr Marktanteil am bundesweiten Ergebnis notiert damit zuletzt bei unterdurchschnittlichen 43 %, was umso bemerkenswerter ist, da es ja vor allem Einzeltransaktionen waren, die im laufenden Jahr einen Großteil des Invest-mentvolumens auf sich vereinigten. Hinzu kommt, dass die Objekte im Rahmen der alstria-Übernahme mehrheitlich in den Immobilienhochburgen verortet sind. Es scheint für den Moment, dass Käufer und Verkäufer abseits der Top-Märkte schneller ein positives Verhandlungsergebnis erzielen können, während sich in den A-Standorten das Zusammenkommen beider Seiten insbesondere im Core- und sogenannten Super-Core-Segment derzeit aufwendiger gestaltet. Mit dem Wissen, dass die deutschen A-Standorte über eine sehr solide wirtschaftliche Basis und gut funktionierende Nutzermärkte verfügen, dürfte diese Phase mit großer Wahrscheinlichkeit vorübergehend sein, denn die Investoren wissen um die kurz- und langfristigen Chancen, die diese Standorte bieten“, erläutert Nico Keller, Deputy CEO der BNP Paribas Real Estate GmbH. Berlin führt einmal mehr das Feld der Top-Standorte mit weitem Abstand und einem Investmentvolumen von 4,6 Mrd. € an. Es ist damit das zweithöchste Halbjahresergebnis in der Historie der Bundeshauptstadt. In Frankfurt wurde erstmals nach 2018 wieder die 3-Mrd.-€-Marke zum Halbjahr überschritten (3,4 Mrd. €). Auf Platz drei folgt Hamburg mit einem Rekordergebnis von 2,6 Mrd. €. Eine deutliche Steigerung ge-genüber dem Vorjahr ist weiterhin für Düsseldorf zu vermelden, das mit 1,9 Mrd. € eine neue Bestmarke verzeichnet. Gegenüber dem Vorjahr haben München und Köln deutlich an Investmentvolumen eingebüßt. In der bayerischen Landeshauptstadt steht ein Minus von 53 % zu Buche. Das Halbjahresergebnis beläuft sich aktuell auf 1,6 Mrd. €. In Köln ist der Umsatz um -22 % auf rund 630 Mio.€ zurückgegangen.
Büro- und Logistikrenditen erstmals seit 2009 wieder gestiegen
„Die neue Realität auf den weltweiten Finanzmärkten bzw. das veränderte Zinsumfeld wird in der Entwicklung der Spitzenrenditen in den letzten Wochen zunehmend sichtbar. Vor dem Hintergrund, dass Investoren beim Einsatz von Fremdkapital gezwungen sind, ihre geplanten Ankäufe aufgrund der stark gestiegenen Finanzierungskosten neu kalkulieren zu müssen, liegt auf der Hand, dass das ursprünglich aufgerufene Preisniveau von Verkäuferseite kaum mehr erreicht wird. Die Trendwende bei den Kauf-preisen bzw. den Renditen ist nun gekommen und vollzieht sich schrittweise. Aktuell fehlt uns noch die Evidenz, insbesondere im Core-Segment, um bereits ein neu erreichtes Preisniveau seriös und valide abbilden zu können“ stellt Nico Keller, Deputy CEO der BNP Paribas Real Estate GmbH, fest. „Obgleich die Vermietungsmärkte, speziell bei Büro und Logistik, trotz aller Herausforderungen aktuell weiter wirklich gut laufen, müssen wir im Bürosegment einen Anstieg der Netto-Spitzenrendite von rund 15 Basis-punkten für die Mehrheit der großen Bürohochburgen registrieren und in den weiterhin stark nachgefragten Top-Logistikmärkten bundesweit um 10 Basispunkte.“ Die Spitzenrendite für Büroimmobilien ist um jeweils 15 Basispunkte in Berlin (2,55 %), Düsseldorf (2,90 %), Frankfurt (2,80 %), Hamburg (2,70 %), Köln (2,75 %) und Stuttgart (2,75 %) gestiegen. Eine Ausnahme bildet die traditionell stark nachgefragte Wirtschaftsmetropole München mit einem Anstieg von 10 Basispunkten auf jetzt 2,60 %. In den bundes-deutschen Logistikhochburgen notiert die Netto-Spitzenrendite nun bei 3,10 %. Noch keine Veränderungen werden für das Retail-Segment registriert. Die Spitzenrenditen notieren somit wie folgt: Fachmarktzentren (3,50 %), einzelne Fachmärkte (4,40%) und Shoppingcenter (4,70 %).
Perspektiven für 2022
„Die aktuell marktdominierende Preisfindungsphase, in der Verkäufer wie Käufer ein neues Niveau finden, das für beide Seiten funktioniert, dürfte unserer Erfahrung nach noch einige Monate in Anspruch nehmen. Es ist nicht zuletzt ein Prozess, der erfahrungsgemäß mit steigender Evidenz und zurückkehrender Sicherheit Fahrt aufnimmt. Vor allem ab Frühherbst dürfte sich der deutsche gewerbliche Investmentmarkt wieder deutlich lebhafter mit einer spürbar steigenden Anzahl an Transaktionen präsentieren. Die aktuell gut laufenden Vermietungsmärkte, die über sehr gute Fundamentaldaten verfügen, dürften Investoren dabei zusätzliche Sicherheit bei Anlage- und Investitionsentscheidungen geben. Wer über langjährige Erfahrungen im Markt verfügt, weiß um die Sicherheit und die Chancen, die die deutschen Immobilien- und Investmentmärkte insbesondere im internationalen Vergleich bieten – vor allem in den Punkten Leerstandsniveau, Flächenumsatz und Mietpreisentwicklung. Vor diesem Hintergrund sind wir vorsichtig optimistisch, dass wir zum Jahresende einen wieder dynamischen deutschen Investmentmarkt erleben werden, der mit großer Wahrscheinlichkeit ein Investmentvolumen jenseits der 50 Mrd. € erreichen dürfte. Weiterhin ist eine stärkere Ausdifferenzierung der Netto-Spitzenrenditen nach Assetklasse und Standort ein sehr wahrscheinliches Szenario. Die Renditen dürften sich auf ein höheres Niveau, sprich auf ein nach unten angepasstes Preisniveau, zubewegen. Mit dem Verständnis, eine starke deutsche Wirtschaft als Investitionsbasis zu haben, dürften Investoren einmal mehr sehr genau regionale Unterschiede und vor allem lokale Stärken in den Fokus nehmen und versuchen, Immobilienwerte nachhaltig und nicht zuletzt zukunftsgerecht zu heben. Auch dies ist eine große Chance für den deutschen Markt“, fasst Marcus Zorn, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland, die Aussichten zusammen.