BÜROWELTEN DER ZUKUNFT – ARBEITEN MIT WOHLFÜHLFAKTOR?
Durchschnittlich verbringen wir über 1.600 Stunden im Jahr im Büro – das ist viel Zeit.
Deshalb liegt uns viel daran, dass wir uns am Arbeitsplatz wohlfühlen. Doch das war nicht immer so. Die Vorstellungen und Ansprüche haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt. Das Büro ist nicht mehr länger nur ein funktioneller Ort, an dem gearbeitet wird, der Trend geht weit darüber hinaus: Lebendig, kreativ, kommunikativ, individuell soll es sein. Der Begriff des „Wohlfühlens“ ist von unserem Zuhause auf unseren Arbeitsplatz übergegangen.
Wie definieren wir Wohlfühlen in dem Zusammenhang eigentlich heute?
Wenn Wissen und Gelassenheit sich gegenseitig ergänzen, entstehen Harmonie und Ordnung
so ein chinesischer Philosoph um 350 v. Chr.
Was damals schon als Weisheit galt, soll auch heute den Begriff des Wohlfühlens am Arbeitsplatz definieren und zudem Aushängeschild für das Bürokonzept der Zukunft sein. In einer heimisch anmutenden Umgebung, die allerlei Annehmlichkeiten bietet, soll die Produktivität jedes einzelnen gesteigert werden.
Arbeiten ja, aber bitte individuell
Lange Zeit sah der Arbeitsalltag oft so aus, dass wir jeden Morgen in unser Büro kamen, die Schreibtische waren je nach persönlichen Vorlieben bestückt und mit den Bildern der Liebsten ausgestattet. Derweil fand man auch die ein oder andere Pflanze und sorgfältig angeheftete Klebezettel-Notizen: das perfekte Kleinod deutscher Bürowelten.
Dem schiebt das Konzept „Arbeitswelten 4.0“ nun mehr und mehr einen Riegel vor. Die gewohnte Zellenstruktur mit ihrer statischen Aufteilung soll aufgebrochen werden und einem offenen Konzept weichen, in dem der gegenseitige Austausch gefördert wird. Aus unternehmerischer Sicht soll somit gleichermaßen die Produktivität der Mitarbeiter und deren Motivation gesteigert sowie Arbeitsabläufe optimiert werden.
Treiber dieses Konzepts ist die Digitalisierung, die ermöglicht, dass wir von überall aus arbeiten und unsere Arbeitszeiten flexibel gestalten können. Wichtig ist nur, dass wir zwecksAustauschs auch einen festen Arbeitsplatz haben, an dem wir uns mit Kollegen vernetzen können.
Arbeitswelten 4.0 – Wie sieht es im Detail aus?
Eine Form des neuen Arbeitens ist das multiterritoriale Arbeiten. Unterschieden wird in vier Bereiche:
- Die klassischen Arbeitsflächen in Form von Einzel- oder Doppelarbeitsplätzen: Sie sind besonders geeignet für Kurzzeit-, Einzel- oder Teamarbeit. Hier findet auch das Desk Sharing Anwendung, das eine effiziente Nutzung von Arbeitsfläche ermöglicht, indem feste Plätze entfallen. Diese bleiben somit bei Abwesenheiten nicht ungenutzt. In diesem Zuge ist auch der Begriff der Clean-Desk-Policy von Bedeutung, da zum Ende eines Arbeitstages der Platz verlassen wird, ohne persönliche Utensilien zurückzulassen.
- Spezielle Arbeitsplätze für fokussierte Einzelarbeit ermöglichen ungestörtes Arbeiten oder telefonieren, da diese visuell und akustisch abgeschirmt sind und zusätzlich der Regeneration dienen (Think Tank, Phone Booth u. ä.).
- Gruppen- und Projektarbeitsplätze dienen dem Austausch und der Vernetzung. Darunter versteht man Konferenz- und Besprechungszonen, Schulungsbereiche sowie Meeting-Points und Lounges.
- Ein zentral liegender Supportbereich mit Spinden und Garderoben, Druckern, Archiven und Lagern, unterstützt die Gesamtorganisation und steht allen Nutzern zur Verfügung.
Soweit so gut. Doch was bedeutet das in der Praxis für unseren Workflow?
Den festen Arbeitsplatz gibt es nicht mehr
Jeder Mitarbeiter soll die Möglichkeit bekommen, überall und seinen Bedürfnissen entsprechend zu arbeiten. Die Förderung des Austauschs mit anderen Bereichen und ein Ausbruch aus dem gewohnten Umfeld, um keine Routine und Eintönigkeit aufkommen zu lassen, sind das Ziel des neuen Konzepts.
Doch so wunderbar und fortschrittlich das alles klingt: Der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier. Feste Bereiche und Strukturen helfen ihm zur Orientierung.
Man stelle sich nur vor, nach einem morgendlichen Termin ins Büro zu kommen und nur noch den unbeliebten „Katzentisch“ zur Auswahl zu haben. Keine optimale Situation und in solchen Momenten fällt es zunächst schwer, sich mit einem modernen Konzept anzufreunden. Die Mitarbeiter müssen also ins Boot geholt werden BEVOR es in die Umsetzung geht.
Das Schlagwort heißt Change Management!
Mit Hilfe von Mitarbeiterumfragen und in gemeinsamen Workshops wird ein Konzept entwickelt, in das sich der Mitarbeiter ebenso einbringen kann wie die Geschäftsführung. Bei einem Unternehmen mit 2000 Mitarbeitern ist die Einbindung jedes Einzelnen selbstverständlich nicht machbar. Es müssen somit Vertreter aus sämtlichen Bereichen im Sinne der Abteilungsinteressen ihre Ideen einbringen. Zu dem Zeitpunkt ist es wichtig, dass sich der Mitarbeiter bei der Ideenfindung engagiert und integriert fühlt, denn wenn wir selbst etwas geschaffen und mitbestimmt haben, fallen uns die Akzeptanz und die Identifikation damit leichter. Die Umsetzung muss zudem transparent gestaltet werden, damit der Mitarbeiter am Ende nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird.
Wertschöpfung der Mitarbeiter
Oberste Priorität im Change Prozess muss die Wertschöpfung der eigenen Mitarbeiter sein. Eine Identifikation mit dem Konzept ist elementar. Zudem stellt ein funktionales und innovatives Design auch für zukünftige Mitarbeiter einen Entscheidungsfaktor bei der Jobsuche dar. Das Stichwort heißt hier: War for talents. Ein Unternehmen muss heutzutage mehr bieten als ein gutes Gehalt.
Doch für wen eignet sich das Konzept überhaupt?
Großflächige Nutzer sind hier im Vorteil, denn das neue Konzept braucht vor allem eins: Platz! Hier spricht die Nachfrage auf dem Büromarkt allerdings für sich: Das Interesse an Flächen ab 10.000 m² liegt bei 80 %. Dies setzt aber nicht notwendigerweise voraus, dass sich die Mitarbeiterzahl proportional zur Flächengröße verhält. Auch immer mehr Kanzleien oder Versicherungsbüros setzen großflächige Bürokonzepte um.
Neben der notwendigen Fläche muss sich ein Unternehmen auch darüber im Klaren sein, dass ein neues Bürokonzept nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Damit es salonfähig wird, also in den Köpfen der Mitarbeiter ankommt und gelebt wird, kann es 1,5 bis 2,5 Jahre dauern. Erst dann wird sich zeigen, ob das neue Konzept, das auf den ersten Blick feste Strukturen hinter sich lässt, für eine neue Büroordnung mit viel Raum für Ideen und Kreativität sorgt. Der Weg dahin ist vermutlich nicht mehr aufzuhalten. Wir müssen uns nur darauf einlassen.
Oliver Barth