Schwammstadt Berlin im Regen

DIE SCHWAMMSTADT ALS NACHHALTIGES KONZEPT DER STADTENTWICKLUNG

Angesichts zunehmender Umweltkatastrophen und des Klimawandels allgemein ist es entscheidend, innovative Lösungen für die Stadtentwicklung zu finden. Ein Beispiel dafür ist das Konzept der Schwammstadt, das in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Berlin und Hamburg haben bereits große Schritte in diese Richtung unternommen. Wir beleuchten in diesem Artikel, was es mit diesem Konzept auf sich hat, wo die Vorteile einer Schwammstadt liegen und welche Projekte bereits realisiert wurden.

Schwammstadt – eine kurze Definition

Die Schwammstadt (engl. sponge city) ist ein innovativer Ansatz zur Stadtentwicklung, der darauf abzielt, Städte widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Dabei soll eine Stadt Wasser wie ein Schwamm aufnehmen und speichern, und zwar genau da, wo es in Form von Niederschlag hinfällt. Denn in herkömmlichen städtischen Räumen kann das Regenwasser aufgrund der Flächenversiegelung nicht in der Erde versickern und wird stattdessen oft in die Kanalisation geleitet. Dies führt nicht nur zu Überflutungen bei starkem Regen, sondern auch zu einem Verlust wertvoller Ressourcen.

Maßnahmen der Schwammstadt im Überblick

„Eine Schwammstadt ergreift verschiedene Maßnahmen, um möglichst viel Regenwasser vor Ort zu halten und den natürlichen Wasserhaushalt zu unterstützen“, erklärt unser Head of Sustainability Hermann Horster. Die Schwammstadt besteht aus einer Kombination verschiedener Maßnahmen, unter anderem:

  • Begrünung von Dächern oder Fassaden. So können 50 bis 100 Prozent des Jahresniederschlags zurückgehalten und durch die Verdunstung eine Wärme- bzw. Kälte- und Windisolierung erreicht werden.
  • Verwendung von regendurchlässigen Bodenbelägen für Verkehrsflächen
  • Einsatz von Mulden bzw. Rigolen. Diese meist mit Kies gefüllten Staukörper können Niederschlag aufnehmen und zwischenspeichern.
  • Integration von Teichen, Gräben, Zisternen und anderen Regenrückhaltebecken, die vorab gereinigtes Regenwasser kurz- oder langfristig speichern und zur Verdunstung bringen.

Ziele und Vorteile einer Schwammstadt

„Das Ziel der Schwammstadt liegt quasi auf der Hand“, erklärt Horster: „Städte sollen in Zeiten von Hitze, Dürre und Unwettern kühler bleiben und Überflutungen vermieden werden.“ Das wäre die Kurzfassung. Aber schauen wir uns die Ziele einmal im Detail an.

Besonders in dicht besiedelten Gebieten mit begrenzten Freiflächen kommt es immer wieder zu Überschwemmungen. Vor allem bei Starkregen kommt die Kanalisation schnell an ihre Grenzen. Ist ein bestimmter Schwellenwert überschritten, wird das Abwasser, ohne dass es vorab in irgendeiner Form gereinigt wurde, in Oberflächengewässer, das heißt in Flüsse und Seen, eingeleitet. Dabei kann das ungereinigte Wasser Spuren von Reifenabrieb und Hundekot, Blätter und Pollen sowie Chemikalien von Dächern und Hauswänden enthalten. Es ist also wichtig, die Aufnahmekapazität beispielsweise durch Mulden zu erhöhen, um das Risiko von Überschwemmungen zu minimieren.

Das Speichern von Wasser innerhalb der Stadt hat durch die Verdunstung an heißen Tagen zudem den Nebeneffekt, die Hitze zu reduzieren. Denn die Temperatur in Städten liegt um bis zu drei Grad am Tag beziehungsweise sogar bis zu 12 Grad Celsius in der Nacht über den Werten des Umlands. Ein weiterer Vorteil einer Schwammstadt ist die Verbesserung der Luftqualität. Durch die Integration von Grünflächen in das städtische Gefüge werden Schadstoffe aus der Luft gefiltert und die Luftqualität insgesamt verbessert.

Darüber hinaus können Schwammstädte zur Schaffung von Lebensräumen für die städtische Flora und Fauna beitragen. Durch die Schaffung von grünen Korridoren und Biotopen wird die Biodiversität gefördert, und die städtische Umwelt wird vielfältiger und lebenswerter.

Wie verbreitet ist die „Sponge City“?

Die Schwammstadt scheint also eine gute Möglichkeit zu sein, die Stadtentwicklung nachhaltiger und die Stadt lebenswerter für ihre Bewohner:innen zu gestalten. Doch die wenigsten haben bisher von diesem Konzept gehört. Denn oft gestaltet sich die Umsetzung schwierig, bei einem Neubau können zwar einige der Maßnahmen angewandt werden, oft sind damit aber auch hohe Kosten verbunden. „Beim Bestand und dem öffentlichen Raum gestaltet sich der Umbau zur Schwammstadt aber überaus schwierig, da  die Flächenkonkurrenz hier am größten ist“, sagt Horster bedauernd. Dennoch gibt es weltweit einige Beispiele für Schwammstädte; vor allem Dänemark und die Niederlande setzen seit längerer Zeit auf das Konzept.

„Es gibt einige Projekte in deutschen Städten, die wassersensibel sind. So plant beispielsweise das Four in Frankfurt einen Wasserspeicher unter dem Quartier, der Regenwasser aufnimmt, bei Starkregen damit die Kanalisation entlastet und außerdem dazu genutzt werden soll, die Außenbepflanzung zu bewässern.“

Hermann Horster
Hermann Horster
Head of Sustainability

Berlin auf dem Weg zur Schwammstadt

Auch Berlin hat sich vorgenommen, zur Schwammstadt zu werden. Die Stadt leidet zunehmend unter Wasserknappheit und hat auch immer wieder mit Überschwemmungen zu kämpfen. Daher hat das Land Berlin bereits 2018 die Berliner Regenwasseragentur gegründet und verschiedene Maßnahmen und Projekte angestoßen. Wir schauen uns zwei davon im Detail an:

1

Technologiepark Berlin Adlershof

Der Technologiepark Adlershof wurde als Schwammstadt geplant und kombiniert smartes Wohnen, Energie-Plus-Bauen und dezentrale Regenwasserbewirtschaftung. Für letztere wurden zahlreiche Mulden angelegt, in denen das Wasser versickern kann. Dazu wurde das Grundstück an der Südseite erhöht. Rigolen schieden wegen der hohen Grundwasserstände aus. Zusätzlich wurde etwa 50 Prozent der Dächer begrünt, um das Regenwasser zurückzuhalten und die Verdunstung zu erhöhen. Für die positive Energiebilanz befinden sich Photovoltaikanlagen auf 50 Prozent der Dächer, die einen Energieüberschuss produzieren.

2

Quartier 52° Nord

In Berlin-Grünau realisiert die BUWOG auf einer ehemaligen Industriebrache am Dahme-Ufer das Quartier 52° Nord. Das Herzstück des Quartiers ist ein 6.000 Quadratmeter großes Wasserbecken, in dem das Regenwasser gesammelt, ökologisch gereinigt und wieder in den natürlichen Wasserkreislauf von Niederschlag, Versickerung und Verdunstung eingespeist wird. Dieses dient gleichzeitig auch als Biotop für Insekten, Amphibien und Vögel. Das Schwammstadt-Projekt wurde durch die Bundesstiftung Baukultur im Jahre 2020 ausgezeichnet und will auch bei der Energieversorgung punkten: Wärme und Strom sollen dezentral auf dem Gelände erzeugt werden. Möglich machen soll das die Nutzung moderner Kraft-Wärme-Kopplung in einem Blockheizkraftwerk.

Schwammstadt Hamburg

Auch die Hansestadt möchte sich zur Schwammstadt transformieren. Dabei setzt Hamburg auf verschiedene Maßnahmen, zum Beispiel Gründächer, lockere Böden, Mulden, Gräben, Pflanzen an Fassaden oder Rasengittersteinen statt Asphalt. Ein wichtiger Baustein ist dabei auch Hamburgs Gründachstrategie mit dem Ziel, mindestens 70 Prozent der Neu- und Bestandsbauten zu begrünen.

Ein Hamburger Schwammstadt-Projekt, das zeigt, wie Wasser besser genutzt werden kann, findet sich im Stadtteil Volksdorf in der Straße Wiesenhöfen. Das Regenwasser floss dort früher an zwei Seiten in einen Abwasserkanal. An einer Stelle der Straße gab es einen Tiefpunkt, an dem sich der Niederschlag bei Starkregen immer wieder staute. Heute fließt das Wasser über eine Rinne in den angrenzenden Ohlendorffs Park: Dort gibt es eine natürliche Mulde, in der sich der Regen sammelt und langsam verdunstet oder versickert. „Wir sind gespannt, wann das Konzept der Schwammstadt in Deutschland zur Normalität wird, und welche weiteren Innovationen die Stadtentwicklung der Zukunft für uns bereithält“, schließt Hermann Horster das Thema ab.

Hermann Horster
Hermann Horster MRICS
Head of Sustainability
Ob ESG-konforme Portfolio-Ausrichtung oder Klimapfade und Green-Building-Zertifizierung für einzelne Assets, ob marktgerechtes, nachhaltiges Nutzungskonzept für einen Neubau oder die Begleitung eines Investors bei der Objektakquisition – für mich steht im Vordergrund, mit dem spezifischen Know-how unseres Consulting & Valuation-Teams die Ziele der Kunden im Bereich Nachhaltigkeit erfolgreich umzusetzen.
Consulting & Valuation

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