Green Building Investmentmarkt

NACHHALTIGKEIT IN DER IMMOBILIENBRANCHE: VON DER NISCHE ZUR NOTWENDIGKEIT

Die Themen Nachhaltigkeit und ESG (Environmental, Social, Governance) haben in den letzten Jahren nicht nur an Bedeutung gewonnen, sondern sind mittlerweile in der Immobilienwirtschaft fest verankert. Was einst als Nischenanliegen für wenige Immobilienakteure galt, ist inzwischen zum Standard geworden. Um diese Entwicklung besser zu verstehen, haben wir mit Hermann Horster, Head of Sustainability bei BNP Paribas Real Estate in Deutschland, über den aktuellen Stand und die Zukunft von ESG im Immobiliensektor gesprochen.

Phase 1: die Anfangsjahre von ESG – ein Thema unter vielen

Vor rund vier bis fünf Jahren war das Thema Nachhaltigkeit ein Thema, das lediglich einige wenige Immobilienakteure auf dem Radar hatten. So erinnert sich Hermann Horster an die frühen Jahre, als Nachhaltigkeitsaspekte eher peripher behandelt wurden: „Es waren vor allem das Thema der Green Building-Zertifikate und freiwillige Maßnahmen, die als Indikatoren für nachhaltige Gebäude dienten. ESG war damals noch keine zentrale Forderung und wurde eher als eine von vielen Variablen betrachtet, die selten mit Priorität behandelt wurden.“

Diese Phase, die bis etwa 2019 andauerte, gehörte vor allem den großen institutionellen Investoren, die erste Schritte in Richtung Nachhaltigkeit unternahmen und begannen, eigene Konzepte und Strategien zu entwickeln und eine branchenweite Diskussion anzuschieben.

Phase 2: der ESG-Hype – vom Nischenthema zur verpflichtenden Norm

Mit der Einführung der EU-Verordnung zur nachhaltigen Finanzierung und der damit verbundenen Taxonomie sowie der Offenlegungsverordnung nahm das Thema ESG im Immobiliensektor Fahrt auf. Horster beschreibt diese Phase als den „großen Gamechanger“: „Durch die Taxonomie stand erstmals eine gesetzlich verbindliche Definition des ‚E‘ von ESG zur Verfügung, insbesondere in Bezug auf Energieeffizienz und CO2-Reduktion. Diese Regelungen betrafen zunächst nur institutionelle Investoren, aber der Effekt war tiefgreifend. Das Thema ESG rückte plötzlich ganz nach vorne.“

In dieser Phase wurde ESG zunehmend zu einem Buzzword, das jedoch noch mit vielen Unsicherheiten und Herausforderungen behaftet war. Viele Marktteilnehmer waren zwar bemüht, sich mit den neuen Anforderungen vertraut zu machen, es herrschte jedoch eine gewisse Verunsicherung über die konkrete Umsetzung und die damit verbundenen Kosten. Es war eine Zeit des „Overused“ und „Underinformed“ – ESG wurde viel diskutiert, doch die meisten wussten noch nicht genau, wie sie es effizient umsetzen sollten. Das Thema war jedoch nicht mehr nur ein freiwilliges, sondern zunehmend auch ein verpflichtendes Element der Unternehmensstrategie geworden. Allerdings fehlten einheitliche Standards und Definitionen, das Verständnis, was eigentlich mit ESG gemeint sein soll, war noch sehr unterschiedlich.

"Es geht jetzt darum, ESG in den Unternehmensalltag zu integrieren und konkret umzusetzen."

Hermann Horster
Hermann Horster
Head of Sustainability

Phase 3: die Umsetzung – ESG als zentraler Bestandteil der Strategie

Seit etwa einem Jahr befindet sich der Immobiliensektor in der dritten Phase, die von einer verstärkten Umsetzung und Integration von ESG-Maßnahmen gekennzeichnet ist. Hermann Horster fasst diesen Übergang treffend zusammen: „Heute sehen wir, dass viele Marktteilnehmer erkennen, dass ESG nicht nur ein Hype ist, sondern eine gesetzliche Realität, die auch in Zukunft nicht verschwinden wird. Es geht jetzt darum, ESG in den Unternehmensalltag zu integrieren und konkret umzusetzen.“ Auch beginnen sich gewisse Standards durchzusetzen.

Diese Phase zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass ESG-Themen nicht mehr als isolierte Projekte betrachtet werden, sondern als Teil einer ganzheitlichen Unternehmensstrategie. In vielen Unternehmen werden bereits konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen, zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung der Biodiversität ergriffen. Der Head of Sustainability nennt als Beispiel die Nutzung von Smart Metering und Gebäudeleittechnik zur Optimierung des Energieverbrauchs: „Die Implementierung von Smart-Metering-Systemen ermöglicht es, den Energieverbrauch in Bürogebäuden um bis zu 40 Prozent zu senken – und das ohne aufwendige Umbauten oder Modernisierungen.“

Zusammenfassung der 3 ESG-Phasen

1

 

Phase 1 – die Anfänge
ESG war zu diesem Zeitpunkt ein weitgehend unbekanntes Thema, dominierend waren Zertifizierungen und freiwillige Maßnahmen zum Thema Nachhaltigkeit. Nur wenige große Akteure in der Immobilienbranche befassten sich aktiv mit dem Thema.

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Phase 2 – der ESG-Hype
Durch die EU-Regulierungen (Taxonomie und Offenlegungsverordnung) gewann ESG an Bedeutung und wurde zunehmend zu einem verpflichtenden Bestandteil der strategischen Ausrichtung, besonders für institutionelle Investoren. Dies führte zu einem Hype, in dem das Thema stark diskutiert wurde, jedoch noch viele Unsicherheiten bei der konkreten Umsetzung bestanden.

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Phase 3 – die Integration
ESG hat sich als integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie etabliert. Unternehmen setzen konkrete Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen und zur Förderung der ökologischen und sozialen Aspekte um. ESG wird nicht mehr als einmalige Maßnahme, sondern als dauerhafte, strategische Verpflichtung verstanden.

Ausblick und zukünftige Herausforderungen

Die Immobilienbranche hat in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte bei der Umsetzung von ESG gemacht, dies gilt insbesondere für das E in ESG. Doch auch in der dritten Phase bleiben Herausforderungen bestehen. Besonders für kleinere Unternehmen, Family Offices und private Investoren, die nicht über die Ressourcen und Fachkenntnisse großer institutioneller Akteure verfügen, stellt die Integration von ESG-Maßnahmen eine Herausforderung dar. Hier ist es wichtig, dass Unterstützung durch Experten und Technologien zur Verfügung gestellt wird, um die Umstellung zu erleichtern.

Horster weist darauf hin, dass ESG nicht nur in Bezug auf ökologische Maßnahmen wie CO2-Reduktion von Bedeutung ist, sondern auch die sozialen Aspekte immer mehr an Bedeutung gewinnen. Hier sieht er insbesondere bei großen institutionellen Investoren eine deutliche Entwicklung hin zu umfassenden, sozial verantwortungsvollen Anforderungskatalogen.

S in ESG: der Bereich Social in der Umsetzung

Neben den ökologischen Aspekten von ESG wird zunehmend auch der soziale Bereich (Social, also das „S“ von ESG) berücksichtigt. Hermann Horster erklärt, dass in verschiedenen Assetklassen – vom Büro über Shoppingcenter – zunehmend soziale Standards eingeführt werden. Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und der Pflegeheimstandards gibt es bereits klare gesetzliche Vorgaben, die Inklusion und Barrierefreiheit sicherstellen sollen.

Aber auch bei kommerziellen Objekten wie Bürogebäuden oder Einkaufszentren wird zunehmend auf den sozialen Faktor geachtet: „Es gibt mittlerweile detaillierte Checklisten, die sicherstellen, dass Immobilien den sozialen Anforderungen gerecht werden“. Dies umfasst unter anderem die Barrierefreiheit, den Zugang für Menschen mit eingeschränkter Mobilität sowie Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsumfelds, wie zum Beispiel der Zugang zu Elektrofahrzeug-Ladestationen und sicheren Fahrradabstellplätzen.

Fazit: ESG ist kein Trend, sondern die Zukunft

ESG ist nicht länger ein „Hype“, sondern ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie geworden. Während die ersten Schritte vor Jahren zögerlich und teils unkoordiniert waren, sehen wir heute eine umfassende Integration von ESG-Kriterien in die Unternehmenspraxis – und dies nicht nur bei den großen institutionellen Akteuren, sondern auch im Mittelstand. Doch es gibt noch Herausforderungen und neue Unsicherheiten, die durch die aktuellen politischen Rahmenbedingungen entstehen. Hermann Horster abschließend: „Es ist noch ein weiter Weg, aber wir sind auf einem guten Kurs. ESG ist gekommen, um zu bleiben.“

Hermann Horster
Hermann Horster MRICS
Head of Sustainability
Ob ESG-konforme Portfolio-Ausrichtung oder Klimapfade und Green-Building-Zertifizierung für einzelne Assets, ob marktgerechtes, nachhaltiges Nutzungskonzept für einen Neubau oder die Begleitung eines Investors bei der Objektakquisition – für mich steht im Vordergrund, mit dem spezifischen Know-how unseres Consulting & Valuation-Teams die Ziele der Kunden im Bereich Nachhaltigkeit erfolgreich umzusetzen.
Consulting & Valuation

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