HOTEL: SPAREN AM RICHTIGEN ENDE ERLAUBT
Ein anstrengender Flug, chaotische Fahrt durch die unbekannte Stadt und endlich im Hotel, entschädigt der erste Blick durch den Eingangsbereich für die bisher erlittenen Strapazen. Moderne Sitzmöbel mit bunten Kissen laden zum Verweilen ein, Bildbände liegen auf niedrigen Nierentischen, überdimensionale, weiße Papierlampen beleuchten die Szenerie und von der Theke her zieht warmer Kaffeeduft an einem vorbei. Schade, dass es nur ein viertägiger Städtetrip ist.
So oder so ähnlich mag es manchem Reisenden gehen, nachdem er eins der aktuellen Szenehotels betreten hat, denn der Tourismus boomt sowohl international als auch national. Erst vor wenigen Wochen verwies der Hotelverband Deutschland (IHA) auf die Daten des Statistischen Bundesamts, wonach 2016 die Zahl der Gästeübernachtungen in Hotels, Gasthöfen und Pensionen mit 279,6 Mio. um 2,8 % über dem Vorjahreswert lag. Gleichzeitig ist trotz vereinzelt bestehender Überkapazitäten in einigen Großstädten die Hotellerie weiterhin investitionsfreudig und diese Zahlen beflügeln den Trend zur Einführung moderner Hotelmarken.
Affordable luxury
Die frischen Hotelkonzepte definieren sich hauptsächlich über tolles Design zu einem überschaubaren Übernachtungspreis, was sie bei den Gästen beliebt macht. Während die neuen Häuser zunächst nur für eine junge, hippe und urbane Zielgruppe entworfen wurden, ist das Konzept inzwischen bei der breiten Masse angekommen. Anfängliche Skeptiker wollen spätestens jetzt mitmachen, nachdem sich das neue Hotelkonzept als erfolgreich bewiesen hat, trotz des ein oder anderen Mankos aus der Perspektive der traditionellen Hotelbranche.
Kann das weg?
Die ersten Designhotels, die sich neu erfanden, waren zum Beispiel CitizenM in England oder Motel One in Deutschland, die sich bei einem Besuch anfühlen wie ein Boutiquehotel, aber im Geldbeutel keine Leere hinterlassen. Bemängelt wurden an diesen Häusern häufig die kleinen Zimmer, das fehlende Telefon sowie die fehlende Minibar und der eingeschränkte Zimmerservice. Hier wird definitiv Geld eingespart, aber das junge, hippe Publikum nimmt das so nicht unbedingt wahr. Die teils recht kreative Raumaufteilung wirkt aufregend neu, und es werden Extras angeboten, die inklusive sind, wie das inzwischen selbstverständliche WLAN, aber auch qualitativ hochwertige Handtücher und Bettwäsche, Video-on-demand-Services und Gadgets, um das Licht zu steuern.
Es stellt sich zudem die berechtige Frage, wer tatsächlich heute noch ein Festnetztelefon auf dem Zimmer braucht, wenn es alleine in Deutschland 49 Mio. Smartphone-Nutzer gibt. Daher ist Sparen vollkommen in Ordnung, besonders an den richtigen Enden.
Zeig mir, wo Du schläfst, und ich sage Dir, wer Du bist
Letztendlich sollte der Trend nicht auf das rein Finanzielle reduziert werden, denn die Hotels haben verstanden, das eine Übernachtung schon lange nicht mehr der einzige Zweck eines Besuchs ist, sondern ausdrückt, wer der Gast ist oder sein will. Das funktioniert besonders gut, wenn sich das Interieur in den neuen Medien zum Beispiel auf Instagram ideal in Szene setzen lässt. Was dem Hotel besseres und authentischeres Marketing bringt, als es das selbst jemals leisten könnte.
Mehr Sein als Schein
Interessant an dieser Entwicklung ist außerdem, dass die Hotelkonzepte eine neue Definition von Luxus mitbringen, die die traditionelle Sterne-Kategorisierung unterlaufen und damit die Hotels in der nächsthöheren Kategorie unter Druck setzen. Die meisten Szenehotels zählen in das Null- bis Zwei-Sterne-Segment, fühlen sich aber nicht so an – im Gegenteil.
Beispielhaft lässt sich die Aushebelung des Systems anhand der Hotel-Lobby erklären: Während eine eindrucksvolle Lobby mit Getränkeservice und Sitzmöglichkeiten eigentlich ein Merkmal für ein höherklassiges Hotel ist, verfügen Szenehotels ebenfalls über aufregende Vor- und Empfangsräume. Da sie jedoch an anderen traditionellen Services sparen, wie oben bereits besprochen, reicht es nicht, für eine höhere Klassifizierung nach der traditionellen Skala. Das ist jedoch für diese Hotels kein Problem, denn wer einmal dort übernachtet hat, kommt wieder, unabhängig von jeglicher Systematik.