DATA CENTER: FRANKFURT IST UND BLEIBT DEUTSCHE INTERNET-HAUPTSTADT
In und um Frankfurt am Main sind sie immer häufiger zu sehen: fensterlose Bauten in der Größe einer Lagerhalle, oft ohne Logo oder weiteres Erkennungsmerkmal. Meist verbergen sich dahinter Rechenzentren, die es uns ermöglichen, Streaming-Dienste, Online-Banking und Online-Shopping-Angebote zu nutzen.
CORONA SORGT FÜR ZWEITEN DATA CENTER-BOOM
Das Internet sorgte am Ende des 20. Jahrhunderts dafür, dass sich eine neue Immobilienart etablierte: das Rechenzentrum. Es entwickelte sich ein regelrechter Boom, der aber zusammen mit der Dotcom-Blase platzte. Danach wurde es ziemlich ruhig um die neue Trend-Assetklasse. Die zunehmende Digitalisierung beschert den Rechenzentren jedoch eine Renaissance: Online-Banking, E-Commerce und Streaming-Dienste wie Netflix und Spotify sorgten dafür, dass immer mehr Daten von A nach B transportiert werden mussten. Und diese hohe Datenleistung konnte nur mit Hilfe von neuen Data Centern gewährleistet werden. „Die Coronakrise hat diese Entwicklung noch weiter verstärkt, sodass man zurzeit von einer zweiten Hochphase sprechen kann“, erläutert Arno Petzold, Director Data Center Solutions Europe. „Privat und auch beruflich wurde in den letzten Monaten vermehrt auf Online-Angebote zurückgegriffen, und auch in Zukunft wird sich das nicht ändern, weswegen Rechenzentren aus der Immobilienwelt nicht mehr wegzudenken sind.“
RECHENZENTRUM – DIE ETWAS ANDERE LAGERHALLE?
Äußerlich gleichen Data Center herkömmlichen Industrieanlagen. Nur die fehlenden Fenster – außer in den Bürobereichen – machen den Unterschied erkennbar. Anders als Logistikimmobilien, die sich schwer tun mit der vertikalen Bebauung, sind Data Center zudem oft mehrstöckig.
„Zusammengefasst kann man sagen, dass ein Rechenzentrum dieselben Anforderungen hat an eine Immobilie wie eine Industrieanlage, jedoch mit deutlich mehr technischer Gebäudeausstattung (TGA). Dazu zählen unter anderem Dieselgeneratoren, USV-Anlagen und Kühlsysteme. Diese Anlagen sind essenziell, um den Betrieb über 24 Stunden, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr am Laufen zu halten. „Die Investition in diese Technik führt dazu, dass die TGA den größten Kostenfaktor beim Bau eines Rechenzentrums ausmacht. Auf Bau und Grundstück entfallen meist nur 20 bis 25 Prozent des Invests, während die Technikausstattung bei etwa 70 Prozent liegt“, erklärt Petzold.
Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die Betreiber der Rechenzentren oft auch die Grundstücke und Immobilien selbst besitzen möchten oder müssen, da die meisten der großen Player selbst als REITs strukturiert sind. So hat etwa der Colocation-Anbieter Interxion im Mai dieses Jahres das 43.000 Quadratmeter große Grundstück unweit des IT-und Gewerbeparks „Osthafen“ erworben, in dem Interxion selbst seit 20 Jahren der Hauptmieter ist.
DATA CENTER – EIN SICHERES INVESTMENT?
„Für Investoren werden Rechenzentren immer interessanter. Hier gibt es noch die langfristigen Mietverträge, die von vielen Anlegern so gerne gesehen werden. In den vergangenen fünf Jahren hat sich diese Assetklasse von einem reinen Nischenprodukt hin zu einem etablierten Asset entwickelt. Covid-19 hat zudem gezeigt, wie krisensicher Rechenzentren als Assetklasse sind“, berichtet Stephan Gubi, Niederlassungsleiter Frankfurt bei der BEOS AG. Arno Petzold fügt hinzu:
„Betreiber wie Amazons AWS kümmern sich selbst um die technische Ausstattung, die, wie bereits erwähnt, die meisten Kosten verursacht. Das führt zu einer langjährigen Mietdauer, meist 20 Jahre und mehr. Denn wenn man erst viel Geld in die technische Ausstattung investiert hat, bleibt man auch lange im Gebäude.“
Das einzige Problem: Es fehlen die Produkte, also die Bestandsobjekte mit Triple-Net-Mietverträgen, die man frei erwerben kann.
Und auch bei der Standortwahl muss einiges beachtet werden, denn hier haben Rechenzentren besondere Ansprüche: „Zum einen muss eine redundante Stromversorgung und ein geringes Risiko vor (Umwelt-)Katastrophen gewährleistet werden. Ebenso müssen Themen wie Wärme- und Lärm-Emissionen beachtet werden, die ein Rechenzentrum das ganze Jahr über im Betrieb produziert. Ein Neubau an ein angrenzendes Wohngebiet ist somit ausgeschlossen“, erklärt Petzold.
FRANKFURT AM MAIN: DIE INTERNET-HAUPTSTADT DEUTSCHLANDS
Und hier kommt Frankfurt am Main ins Spiel: Der Frankfurter Internet-Knoten „Deutsche Commercial Internet Exchange (DE-CIX)“ ist gemessen am Datendurchsatz der größte der Welt. Im März 2020 wurde nach Angaben der Betreiber ein Transfer von mehr als neun Terabit pro Sekunde gemessen – ein absoluter Rekord. Gerade für Banken, Börsen und weitere (Finanz-)Dienstleistungen sind diese Sekunden entscheidend, weswegen sich die Mainmetropole immer mehr zum Data Center-Hotspot entwickelt. „Neben dem Internet-Knoten kann die Region Frankfurt mit kurzen Wegen, einer stabilen Wirtschaft und einer Rechenzentrum-freundlichen Stadtverwaltung punkten“, so Petzold. Gubi fügt hinzu:
„Will die Stadt diese Position auch langfristig behaupten, gilt es, nicht nur dem Flächenmangel mit der Neuausweisung geeigneter Grundstücke zu begegnen. Vielmehr müssen auch neue Stromkapazitäten geschaffen werden“.
Es wird schwieriger werden, Rechenzentren in oder in der Nähe von Frankfurt anzusiedeln. Daher ist auch das Umland bereits im Fokus. So hat sich der Radius um 50 bis 100 Kilometer erweitert, was dazu führt, dass eigentlich das gesamte Rhein-Main-Gebiet mittlerweile als Hotspot für Data Center gilt.
Dieser Artikel ist Teil des Change Magazins 03