STABILE MIETEN TROTZ HOHER NACHFRAGE: WAS MACHT DER INDUSTRIE- UND LOGISTIKMARKT?
Logistik- und Industrieimmobilien sind knapp, und das kommt nicht von ungefähr. Besonders Handelsunternehmen, zum Beispiel aus der Textilindustrie oder Lebensmittelhändler, drängen auf den Markt. Im E-Commerce soll sich bis 2025 das Paketvolumen auf fünf Milliarden Sendungen verdoppeln. Dabei war die Assetklasse Industrie und Logistik lange Zeit nicht sonderlich willkommen, weil sie als laut und dreckig galt. Inzwischen aber haben sich sowohl Kommunen wie auch Investoren mit dem Thema angefreundet. Das treibt den Logistik- und Immobilienmarkt an.
In unseren Marktreports überbieten sich derzeit die Resultate zum Flächenumsatz von Quartal zu Quartal. Die sehr guten Ergebnisse sind auf das Wirtschaftswachstum zurückzuführen, und das Nachfrageverhalten des Endkonsumenten spiegelt sich in den Logistik- und Industriezahlen wider. Was jedoch verwundert sind die stabilen Mietpreise für diese Immobilien. Statt weiter zu steigen sind sie trotz des knappen Angebots und der hohen Nachfrage an den meisten Standorten unverändert nur in Berlin und Leipzig sind diese leicht gestiegen.
Eine Erklärung für die scheinbar irrationale Entwicklung ist vielschichtig und nicht einfach. Die angeführten Thesen sind Überlegungen, aber keine definitiven Antworten und spielen mal mehr, mal weniger in die Industriemieten hinein. So versuche ich weniger das Verhalten der Mieten definitiv zu lösen als eher eine Diskussion anzustoßen.
Die Marge regelt den Mietpreis
Eine erste mögliche Erklärung lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Es handelt sich um die Selbstregulierung des Logistik- und Industriemarkts, denn Mietpreise unterliegen den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Unternehmen. Anders als in anderen Assetklassen hat der Quadratmeterpreis in der Wertschöpfungskette in der Industrie und Logistik wesentlich mehr Einfluss, sprich ist ein viel stärkerer Kostenfaktor im Verhältnis zu anderen Positionen. Steigen die Preise für Flächen, leiden besonders schnell margenarme Geschäftsmodelle in der Industrie und Logistik. Hohe Mieten stellen die Wirtschaftlichkeit in Frage, es kann kaum noch Geld verdient werden und die Gewinne sinken.
Es gibt jedoch Branchen, die eine Ausnahme bilden: Weniger anfällig für die oben besprochenen Relationen sind Industrien, die kostenintensive Einzelteile fertigen. Hier können steigende Mieten aufgefangen werden und sind nicht in gleicher Weise entscheidend für den Erfolg.
Amortisierung beim Wiederverkauf
Eine weitere These bezieht sich auf die Verbindung zwischen dem Vervielfältiger/Faktor und der erhöhten Nachfrage am Investmentmarkt. Grundsätzlich verhält es sich so: Je höher der Vervielfältiger/Faktor beim Verkauf eines Objekts, desto geringer fällt die Rendite aus. Der Vervielfältiger bzw. Verkaufsfaktor bildet, multipliziert mit der Jahresnettomiete, den Verkaufspreis und steht in Abhängigkeit zu verschiedenen Kriterien wie der MV-Laufzeit, der Objektqualität oder der Mieterbonität.
Durch die aktuell hohe Nachfrage und den damit steigenden Faktoren/Vervielfältigern sinken bekanntlich die Renditen und damit letztendlich die Investmentverzinsung des Käufers. Durch Investitionen bei Bestandsobjekten wie Sanierung oder Vermarktungskosten geraten die Renditen weiter unter Druck. Aufgrund der Wettbewerbssituation kann der Eigentümer diese Kosten durch die Erhöhung des Mietzinses nur bedingt kompensieren. Folglich ist es für ihn sinnvoller seine Investitionen in das Objekt über den Wiederverkaufspreis zu amortisieren, was im Zuge der sehr hohen Faktoren zurzeit lukrativ ist. Seine Investitionen rechnen sich so über den steigenden Verkaufspreis.
Preiskampf unter Entwicklern
Die letzte These fußt auf einem Trend, der bereits seit fünf Jahren anhält. Im Moment besteht wegen des Mangels an Angeboten die Notwendigkeit, häufig neue Objekte von einem Investor entwickeln zu lassen. Häufig wird dafür ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die Projekte werden im Folgenden nach den Anforderungen des potenziellen Kunden entwickelt und aufgrund des Wettbewerbs zu attraktiven Konditionen angeboten. Das heißt, ein Neubau kann günstiger als der Bestand angeboten werden. Letztendlich führt dieser Trend dazu, dass Unternehmen es bevorzugen, die Stadt zu verlassen und sich für ein Projekt nur wenige Kilometer außerhalb entscheiden. Anderseits sind sie ohnehin dazu gezwungen aufgrund der mangelnden Grundstücksangebote ins Umland auszuweichen, denn große Ballungszentren geben kaum andere Alternativen her.
Wie lange dieser Trend noch bestehen bleibt, ist bisher nicht abzusehen. Letztendlich hängt viel davon ab, ob der Neubauanteil weiterhin wie für das Jahr 2017 steigen wird. Aufgrund der hohen Nachfrage im Investmentmarkt bleibt dieses Geschäftsmodell für die Entwickler nach wie vor interessant.
Tipps und Tricks für die Zukunft
Welche der drei Thesen für die stabilen Mietpreise verantwortlich ist, ist wie schon erwähnt, nicht mit Sicherheit zu beantworten, denn dafür sind die Standorte in Deutschland zu unterschiedlich. Während im Süden ein Argument greift, greift im Norden vielleicht ein anderes und in der Mitte Deutschlands können es wiederum alle ein wenig sein. Wichtig ist es, den Markt differenziert zu betrachten.
Was ich in einer solchen Situation raten kann ist, dass jetzt die Zeit ist, sich rechtzeitig Logistikflächen zu sichern. Das kann über eine langfristige Anmietung oder als Eigeninvest erfolgen. Der Artikel soll nämlich nicht den Eindruck erwecken, dass Mietpreise ausschließlich das entscheidende Kriterium sind. Der hohe Wettbewerb kommt vor allem daher, dass es an Standorten mangelt. Die Mieten können sinken oder fallen, aber was tun, wenn es keine Flächen mehr gibt?
Quelle für Grafiken: Logistik-Investment – Deutschland: At a Glance Q1 2017
Von unserem Experten: Christopher Raabe