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MÜNCHEN: DAS RICHTIGE MASS FINDEN

Im Jahr 2016 besuchten rund 39.000 Besucher die weltweit wichtigste Immobilienmesse in München, die Expo Real. 2015 waren es knapp 38.000 Messebesucher und im Jahr zuvor etwa 37.000. Wie viele werden es dieses Jahr sein? Sicher ist, die Expo Real wächst. Hotels und Restaurants sind zu dieser Zeit ausgebucht. Doch München leidet nicht nur zu Messezeiten unter Platzmangel, sondern eigentlich das komplette Jahr über.

Zuletzt wurden die Prognosen zum Zuzug in die Landeshauptstadt nach oben korrigiert. Bis 2030 soll die Stadt auf 1,8 Millionen Bewohner wachsen, während bisher nur mit gut 1,7 Millionen gerechnet wurde. Wo aber sollen diese Menschen wohnen? München erlebt eine historische Flächenknappheit. Es fehlen Wohnungen, Gewerbeimmobilien, besonders Büros und auch Grundstücke, auf denen die Stadt bauen kann. Wie muss München jetzt darauf reagieren?

Hoch, aber nicht höher

Die Stadt könnte in die Höhe bauen, wie es andere Metropolen in Deutschland bereits tun. Im Mittleren Ring jedoch dürfen Gebäude maximal die Höhe der Frauenkirche (99 Meter) erreichen, um dem Wahrzeichen keine Konkurrenz zu machen. Ausnahmen stehen in innenstadtnahen Bezirken wie dem Werksviertel, in Moosach, in Baumkirchen / Steinhausen oder in der Parkstadt Schwabing. Eingezeichnet auf einer Karte bilden die maximal 146 Meter hohen Gebäude einen Kreis um die Innenstadt. Das wirkt anders als in Städten mit einer Skyline im Zentrum.

Ganz aber hat München das Thema Höhe nicht aufgegeben. Bestandsgebäude, Wohnungen und Büros dürften in naher Zukunft um eine Etage aufgestockt werden. Das entspannt die Situation in München, ist aber keine endgültige Lösung.

Mehr Leben dank neuer S-Bahn

Abhilfe schaffen wird aber der Bau der 2. S-Bahn-Stammstrecke: Sie wird das Leben in den außenliegenden Bezirken und Gemeinden attraktiver machen und bringt Vorteile wie eine längst fällige Entlastung der aktuellen Strecke, eine schnellere Verbindung zum Haupt- und zum Ostbahnhof und eine verbesserte Pünktlichkeit mit sich. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2026 geplant.

Ich erwarte, dass sich entlang der Strecke sowohl Wohngebiete als auch Büroprojekte zunehmend entwickeln werden. Noch vor ein paar Jahren forderte die Stadt München die außenliegenden Gemeinden dazu auf, deren brachliegende Gewerbeflächen zu Wohnungsgrundstücken auszuweisen. Die Gemeinden aber widersprachen. Neben Wohnungen müssten dann auch Kitas, Schulen, Buslinien und weitere, notwendige Infrastruktur entstehen. Die Gewerbesteuer dagegen würde an die Stadt bezahlt werden, nachdem sich Unternehmen im Zentrum angesiedelt hätten. Für alle Beteiligten ist eine gute Durchmischung aus Wohnen und Arbeiten daher wünschenswert.

Musterbeispiel für Mischnutzung

Statt das Wohnen ins Umland zu verbannen und die Büros in der Innenstadt zu bauen, empfiehlt sich eine alternative Strategie. Ein Beispiel dafür ist das Werksviertel in München auf dem ehemaligen Pfanni-Gelände.

Wo früher Kartoffelfertigprodukte über das Fließband glitten und sich ein reges Nachtleben in Diskotheken, Konzerthallen und Clubs tummelte, lässt sich zukünftig wohnen, arbeiten, shoppen und Kultur erleben. Das Areal wird in wenigen Jahren folgenden Nutzungsarten beherbergen:

  • 1.500 Wohnungen
  • Büros für 7.000 Arbeitsplätze
  • 30.000 m² Einzelhandelsfläche
  • 6 Musikbühnen
  • 5 Hotels sowie
  • das neue Konzerthaus der Landeshauptstadt München

Das Viertel ist trendig und beliebt bei den Münchnern – nicht zuletzt aufgrund der unmittelbaren Anbindung zum Ostbahnhof. Zu verdanken ist das innovative Projekt dem Pfanni-Erben Werner Eckart: Er wünschte sich für das ehemalige Werksviertel eine kreative Mischnutzung.

Eine solche Umwandlung gelingt aber nicht immer. Das ehemalige Siemensareal, “Südseite“ in München-Obersendling leidet dagegen unter schwächelndem Gewerbe; hier wurden großflächig ehemalige Büro- und Produktionsstätten des Siemens-Konzerns zu neuen Wohnquartieren umgenutzt – charakterisiert durch markante Wohnhochhäuser. Jetzt aber fehlt es an Bürofläche, von denen das Viertel sicherlich profitieren würde.

Kein Ende in Sicht

München steht also in den kommenden Jahren vor einer Reihe von Herausforderungen: Die weiterhin stark und langfristig steigende Bevölkerungszahl bei heute schon kaum mehr verfügbarem Wohnraum oder zu wohnwirtschaftlicher Bebauung nutzbaren Grundstücken, das einhergehende wirtschaftliche Wachstum und damit verbunden der steigenden Zahl von Arbeitsplätzen und ein wiederum erhöhter Bedarf an Büroimmobilien. Bereits jetzt ist deswegen abzusehen, dass der Leerstand niedrig und die Mieten hoch bleiben. Der Druck, der dadurch in der Innenstadt entsteht, wird sich in den umliegenden Gemeinden fortsetzen. Das stärkt diese wirtschaftlich und macht sie attraktiver für weitere Zuzügler. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht.

 Von unserem Experten: Stefan Bauer