Wohnimmobilie

WOHN-INVESTMENTS ERFORDERN KREATIVITÄT

Seine weitreichende Erfahrung im deutschen wie im internationalen Markt macht Philipp Schaper, CEO European Real Estate der PATRIZIA AG, zu einem spannenden Gesprächspartner für die City Reports. Ein Gespräch über den herausfordernden Status quo, beflügelnde Zukunftstrends und deutsche Stärken im europäischen Vergleich.

Herr Schaper, wie schätzen Sie persönlich die derzeitige Situation des Wohnmarkts in Deutschland im Vergleich zu anderen internationalen Märkten ein?

Philipp Schaper: Der Superzyklus neigt sich definitiv dem Ende entgegen. Nach fast 12 Jahren Aufwärtstrend müssen wir erst wieder lernen, mit Rückentwicklungen umzugehen. Für viele unserer jüngeren Kolleg:innen ist das absolutes Neuland.

Einerseits verfügt Deutschland weiterhin über starke wirtschaftliche Fundamentaldaten, einen hohen Wohnungsbedarf in Ballungsgebieten sowie anhaltend positive Zuwachszahlen der Bevölkerung. Andererseits haben hohe Energiekosten und Inflation, steigende Zinsen und Baukosten sowie Materialknappheit einen negativen Einfluss auf den Wohnimmobilienmarkt. Unsere Nachbarländer haben es jedoch aufgrund der Erhöhung von Grunderwerbsteuern, jährlich unterschiedlichen Bewertungsmethoden oder deutlich restriktiveren Bestimmungen für Mieterhöhungen auch nicht leichter.

Angesichts dieser Herausforderungen: Wie steht es um Wohnimmobilien als Investment-Entscheidung?

Schaper: Ich bin absolut davon überzeugt, dass Wohnimmobilien weiterhin ein fester Bestandteil sowohl privater Vermögensbildung als auch eines diversifizierten institutionellen Portfolios sein werden. Das Investitionsvolumen in Europa von über 100 Mrd. € in den vergangenen Jahren ist ein valides Indiz dafür. Das Segment Wohnen steht für Stabilität. Trends ändern und entwickeln sich langsam. Ganz anders als beispielsweise die Flächenanforderungen im Bereich Büro. Die schnell gestiegenen Zinsen und die traditionell langsamere Anpassung auf der Bewertungsseite haben derzeit aber zu einem Ungleichgewicht zwischen Verkäufern und Käufern geführt. Geschuldet ist dies dem Fakt, dass der Einsatz von Fremdkapital wenig positive Effekte auf der Käuferseite zeigt. Diese muss folglich mehr Eigenkapital einsetzen. Insofern erwarte ich für die Assetklasse Wohnen eine preisliche Anpassung, aber keinen Verlust an Attraktivität.

Wohnen steht für Stabilität. Trotz der rückläufigen Investitionen sind Wohnimmobilien weiterhin fester Bestandteil der Vermögensbildung.

Philipp Schaper
Philipp Schaper
CEO European Real Estate der PATRIZIA SE

Wie sieht die Entwicklung in Bezug auf Rendite, Volatilität und Diversifikation konkret aus?

Schaper: In vielen anderen Immobiliensegmenten sehen wir bereits eine deutliche Preisanpassung, primär getrieben von höherverzinslichen Alternativen am Anleihenmarkt und den gestiegenen Finanzierungskosten. Die Spitzenrendite von Wohnimmobilien liegt noch sehr nah an der quasi risikofreien Rendite von Staatsanleihen, insofern erwarte ich dort – analog zu anderen Nutzungsarten – eine Anpassung um etwa 100 Basispunkte. Wohnimmobilien sind ein fester Bestandteil für die Diversifikation von Portfolios, und ich erwarte hier keine Trendwende. Was die Volatilität angeht, bietet das momentane Kapitalmarktumfeld natürlich sehr spannende Opportunitäten. Blickt man auf den erheblichen Refinanzierungsbedarf der Branche nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa, wird klar, dass einige Marktteilnehmer Federn lassen werden, wenn sie sich zu den aktuellen Konditionen eindecken müssen. Entweder muss massiv Eigenkapital nachgeschossen werden oder es wird zu (Not-)Verkäufen kommen, um unattraktive Refinanzierungen zu umgehen. Aktuell ist also die Zeit für Investoren mit einer hohen Eigenkapitalquote gekommen. Ähnlichen Verkaufsdruck erwarte ich bei einigen Entwicklern, die sich zu Grundstücks- und Baupreisen von „vorgestern“ eingedeckt haben. Die Verkaufspreise, die noch vor 12 Monaten in die Businesspläne eingeflossen sind, können nun nicht mehr realisiert werden. Einige werden hier ihre Risikopositionen überdenken müssen.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Erfolgsfaktoren, damit auch weiterhin langfristig stabile Erträge und Wertsteigerungen entstehen?

Schaper: Zu den Erfolgsfaktoren gehört das aktive, vorausschauende Vermietungsmanagement, bei dem wir immer eng und partnerschaftlich an der Seite unserer Mietenden sind. Zusätzlich erfordert es, mit der Zeit zu gehen, die Immobilien auf einem guten technischen und optischen Stand zu halten, um so den Mietenden das bestmögliche Produkt zu bieten. In Zeiten steigender Energiekosten beinhaltet das energetische Sanierungen und Optimierungen. Nicht nur um Nebenkosten zu reduzieren, sondern auch zum Wohle der Umwelt und Nachhaltigkeit.

Müssen Investoren in der aktuellen Situation des Wohnmarktes besonders mutig sein, um neue Ideen umzusetzen und Erfolge zu generieren?

Schaper: Aktuelle Marktumfragen ergaben ein eher vorsichtigeres und verhalteneres Bild, was Immobilienanlagen angeht, insofern erwarte ich auch ein selektiveres Investitionsverhalten. Mut erfordert es vielleicht nicht unbedingt, aber langfristige Orientierung und Kreativität. Die robusten Fundamentaldaten des Wohnimmobilienmarkts werden die kurzfristigen moderaten Schwankungen im Preisfindungsmechanismus neutralisieren. Kreative, neue Ideen, um kostengünstig und ökologisch sinnvoll zu bauen, werden der Schlüssel zu weiteren Erfolgen sein.

Ökologisch notwendig, aber auch kostenintensiv ist zudem die Dekarbonisierung des Bestands. Wie schaffen Sanierungen Potenzial für zukünftige Wertsteigerungen?

Schaper: Auf Basis von ESG-Audits und CREEM-Analysen entwickeln wir objektspezifische Maßnahmenpakete für eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Wohnungsbestände. Dabei setzen wir klassische Maßnahmen der energetischen Sanierung um, zum Beispiel Lösungen über PV- und Mieterstrom. Neben den Zielen zur Dekarbonisierung der Immobilie haben wir auch die finanzielle Belastung der Mietenden im Blick und setzen vorrangig Maßnahmen zur Energiekostensenkung um. Diese umfassen das Thema „Smarthome“ und die Umstellung auf Fern- und Nahwärmenetze, um den Einsatz fossiler Energieträger zu reduzieren. Im Zuge der Kreislaufwirtschaft versuchen wir, Abrissmaterialien im Einklang mit den Vorgaben der EU-Taxonomie wiederzuverwenden. Beim Ausbau der Mietflächen achten wir auf den Einsatz von ressourcenschonenden, recycelten oder wiederverwendbaren Materialien.

Microliving

Microliving – kompaktes Wohnen, perfekt für Pendler, Berufseinsteigende oder als Zweitwohnsitz

Neben der Dekarbonisierung sind Urbanisierung und demografischer Wandel wesentliche Trends, die den Wohn-Investmentmarkt derzeit stark beeinflussen. Welche Veränderungen zeichnen sich konkret ab?

Schaper: Der demografische Wandel und die anhaltende Urbanisierung halten weiterhin die Nachfrage nach Wohnimmobilien in Ballungsgebieten auf einem so hohen Niveau, dass das Angebot die Nachfrage nicht decken kann. Rückläufige Neubauzahlen werden den Wohnungsmangel weiter verschärfen. Dieser Nachfrageüberhang ermöglicht steigende Mieten und verschwindend geringe Leerstände – beides Musik in den Ohren von Eigentümern.

Wohnen bleibt ein Grundbedürfnis des Menschen. Insofern ist und bleibt es für uns ein relevantes Thema. Insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels ist es spannend zu beobachten, wie sich Wohnformen an sich verändernde Anforderungen wie zunehmendes Alter, vermehrte Singlehaushalte, mobileres Arbeiten und Wohnen anpassen.

Das führt uns zu gefragten Sonderformen des Wohnens wie Micro- oder Coliving …

Schaper: Microliving zielt auf Berufseinsteigende, Pendelnde oder Zweitwohnungsnutzer:innen, wobei das Konzept auf Pragmatismus ausgelegt ist. Coliving und studentisches Wohnen dagegen ist für Gleichgesinnte gedacht, kostengünstig und mit dem gewissen Extra an Unterhaltung und Services ausgestattet. Das altersgerechte Wohnen kombiniert das Leben in einer Gemeinschaft mit medizinischen Dienstleistungen. So kann gleichzeitig dem wachsenden Problem der Vereinsamung begegnet und die physische Gesundheit fokussiert werden – dank integrierter Sonderleistungen wie Verpflegung oder medizinischer Versorgung.

Erweist sich diese Art von Immobilien tatsächlich auch als attraktiv für Investoren?

Schaper: Unter den alternativen Wohnformen bevorzugen wir weiterhin studentisches Wohnen und das Senior:innensegment. Beide werden gestützt durch Makrotrends. Die Expertise und ein genaues Verständnis, welche Merkmale und zusätzliche Services diese Immobilien für Mietende langfristig attraktiv machen, hilft, zusätzliche Wertpotenziale zu heben. Dies sichert Investoren somit eine höhere Gesamtrendite im Vergleich zum klassischen Wohnen.

Gerne möchten wir mit Ihnen einen Blick über die Grenze werfen: Welche Konzepte oder Entwicklungen anderer Länder haben Sie gesehen, die für Deutschland interessant sein könnten?

Schaper: Deutschland hat sich flexibel gezeigt, was die Anpassung an neue Wohnkonzepte wie Serviced Apartments, studentisches Wohnen oder Mikroapartments angeht. Es gibt nur wenige Trends, die Deutschland nicht übernommen oder ausgebaut hat. Entscheidend ist immer, die speziellen Sonderformen entsprechend den Anforderungen der Nutzer:innen stetig weiterzuentwickeln. Deutschland verfügt über eine im europäischen Vergleich sehr hohe Anzahl an Studierenden bei vergleichsweise geringem Angebot. Andere Länder wie Großbritannien sind auf der Angebotsseite bereits deutlich fortgeschrittener.

Studentisches Wohnen

Studentisches Wohnen sichert Investoren höhere Gesamtrenditen im Vergleich zum klassischen Wohnen.

Wie hat sich der Wert europäischer Wohn-Investments entwickelt?

Schaper: Meine Beobachtung ist, dass die Renditen in Europa sich mehr und mehr angleichen. Schwankungsbreiten von circa 1,5 % pro Jahr in der Spitzenrendite sind nicht unbedingt die Treiber von Investitionsentscheidungen. Interessanter ist es, Wohn-Investments geografisch zu diversifizieren, Währungsrisiken und -chancen einzugehen und durch Beimischung alternativer Wohnformen die Renditeseite zu verbessern. Ein weiteres Kriterium ist die unterschiedliche Größe der Investitionsmärkte sowie ob diese primär von einheimischem oder ausländischem Kapital beeinflusst werden.

Wo zeigt sich Deutschland besser als die europäischen Nachbarn?

Schaper: Vergleiche, welches Land wo besser oder schlechter abschneidet, sind mit Vorsicht zu genießen. Denn die Vorzeichen können sich schnell ändern. Eine Stärke Deutschlands liegt aber sicherlich im starken Mietmarkt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern weist Deutschland eine vergleichsweise niedrige Eigentumsquote auf, die sich in absehbarer Zeit wahrscheinlich nicht wesentlich erhöhen wird. Insofern bleibt der Mietmarkt für Investoren eine sichere Bank, zumal der stabile Cashflow der Mieten einen nicht zu unterschätzenden Inflationsschutz bieten kann.

Zu guter Letzt: Wo sehen Sie Wohnen im Vergleich zu anderen Assetklassen in ferner Zukunft?

Schaper: Ich denke, dass das Wohnsegment weiterhin an Bedeutung gewinnen wird. Die eigenen vier Wände werden vor dem Hintergrund unserer sich verändernden Arbeitsweisen, dem vermehrten Trend hin zu Homeoffice und flexiblem Arbeiten noch mehr in den Mittelpunkt rücken als bisher. Die Wohnung der Zukunft wird künftig auch Arbeitsort sein und sich so erneut um eine wichtige Komponente erweitern.

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Dieser Artikel ist Teil der Reihe City Report Wohnimmobilien

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Autorin: Michaela Stemper

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