Das nach wie vor herausfordernde Marktumfeld hat auch im ersten Quartal 2024 dämpfend auf den deutschen Wohn-Investmentmarkt gewirkt, wobei die seit 2022 zu registrierende Konsolidierungsphase nun abgeschlossen sein dürfte. Bundesweit wurden in den abgelaufenen drei Monaten 771 Mio. € in größere Wohnungsbestände (ab 30 Wohneinheiten) investiert. Damit wurde das Ergebnis des Vorjahresquartals um 33 % verfehlt und der langjährige Durchschnitt um 85 % unterschritten. Jedoch sprechen die überwiegend bereits angepassten Bewertungen, die Aussichten auf eine wieder expansivere Geldpolitik in der zweiten Jahreshälfte und die sich beschleunigende Mietpreisdynamik für eine spürbar höhere Marktdynamik im weiteren Jahresverlauf. Dies ergibt eine Analyse von BNP Paribas Real Estate.
„In den ersten drei Monaten 2024 belief sich das Investitionsvolumen nur auf rund 771 Mio. €. Damit wurde der geringste Wert seit 2009 auf dem deutschen Wohn-Investmentmarkt registriert. Die Konsolidierungsphase ist aus unserer Sicht jedoch abgeschlossen, und wir haben auch im ersten Quartal sich anbahnende und zum Teil auch schon fortgeschrittene Verkaufsprozesse im großvolumigen Segment verzeichnen können, die im zweiten und dritten Quartal zum Abschluss kommen sollten“, erläutert Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment der BNP Paribas Real Estate GmbH. „Durch die positiven Rahmenbedingungen im Mietmarkt insbesondere im Vergleich zu anderen Assetklassen sehen wir bei Core-Produkten sogar eine leichte Preiserholung. Insgesamt verzeichnen wir eine vermehrte Investorenaktivität sowohl von etablierten als auch insbesondere von neuen Akteuren, die einen Eintritt in den deutschen Wohn-Investmentmarkt vorbereiten. Die deutlich verbesserten Bewertungsrelationen im Wohnbereich, die Aussicht auf steigende Mittelzuflüsse aus anderen Assetklassen, die stärkste Mietpreisdynamik seit Jahren und die Perspektive auf stabile und in der zweiten Jahreshälfte leicht fallende Zinsen sprechen für einen deutlich dynamischeren Wohn-Investmentmarkt im weiteren Jahresverlauf.“
Überdurchschnittlicher Anteil kleiner Deals (bis 25 Mio. €)
In den ersten drei Monaten wurden vergleichsweise viele kleine Deals abgeschlossen. Das Segment bis 25 Mio. € verzeichnete immerhin ein Investitionsvolumen von 238 Mio. € und kommt mit einem Umsatzanteil von knapp 31 % auf einen weit überdurchschnittlichen Anteil (Ø 10 Jahre: 14 %). Das relativ hohe Volumen in diesem Segment ist ein Beleg für die bereits abgeschlossene Preisfindungsphase. Während mittelgroße Deals (25–50 Mio. €) mit 16 % auf einen ähnlichen Marktanteil wie im langjährigen Durchschnitt kommen, konnte nur ein größerer Deal in der Größenordnung 50 bis 100 Mio. € verzeichnet werden. Das Segment über 100 Mio. € liegt mit einem Umsatzanteil von 46 % unter dem langjährigen Durchschnitt (Ø 10 Jahre: 55 %). Erfreulich hingegen ist, dass sich der Marktanteil des großvolumigen Segments gegenüber dem vergangenen Jahr etwas erholt hat. Nichtsdestotrotz bleibt absolut betrachtet das Volumen von 356 Mio. € (zwei registrierte Großtransaktionen) in diesem Segment im langjährigen Vergleich im ersten Quartal sehr niedrig (Ø 10 Jahre: 3,34 Mrd. €), wobei mit einigen Transaktionen im weiteren Jahresverlauf zu rechnen ist.
Forward Deals steuern über die Hälfte zum gesamten Investmentvolumen bei
Die Verteilung des Investitionsvolumens auf die einzelnen Assetklassen wird auch durch die geringe Anzahl an Großdeals beeinflusst. Für gewöhnlich entfallen rund die Hälfte davon (Ø 10 Jahre: 49 %) auf größere Bestandsportfolios. Diese steuerten im ersten Quartal dagegen nur 93 Mio. € bzw. 12 % zum Gesamtumsatz bei. Hingegen kommen Forward Deals mit 54 % auf einen deutlich überdurchschnittlichen Umsatzanteil (Ø 10 Jahre: 25 %), zu dem insbesondere zwei großvolumige Forward Deals in Berlin beigetragen haben. Generell ist im Markt wieder eine deutliche Belebung von Forward Deals zu registrieren, die allerdings aktuell auf ein bereits weitgehend konsolidiertes Angebot trifft. Der Grund: Viele Projekte mussten durch die veränderten Rahmenbedingungen aufgegeben oder neu kalkuliert werden.
Equity/Real Estate Funds stärkste Käufergruppe
Wie schon im vergangenen Jahr ist auch im ersten Quartal 2024 die Struktur der Kapitalherkunft nicht unbedingt typisch für den deutschen Wohn-Investmentmarkt. US-amerikanisches Kapital kommt auf einen weit überdurchschnittlichen Anteil von rund 29 % (Ø 10 Jahre: 7 %). Deutsches Kapital steuert knapp 71 % zum Umsatz bei und dominiert etwas weniger stark als in den vergangenen Jahren den deutschen Wohn-Investmentmarkt (Ø 10 Jahre: 73 %). Käufer aus dem europäischen Ausland blieben indes dem deutschen Wohn-Investmentmarkt bislang komplett fern.
Noch stärker hat sich die Verteilung des Investitionsvolumens nach Käufergruppen im Vergleich zu den vergangenen Jahren gewandelt. Equity/Real Estate Funds können in den ersten drei Monaten mit rund 274 Mio. € den ersten Platz im Käufergruppenranking für sich verbuchen. Damit kommen sie auf einen deutlich überdurchschnittlichen Markanteil von knapp 36 % (Ø 10 Jahre: 6 %). Die zweitstärkste Käufergruppe ist die öffentliche Hand mit einem Umsatz von 136 Mio. € beziehungsweise einem weit überdurchschnittlichen Umsatzanteil von 18 % (Ø 10 Jahre: 6 %). Für die 2023 verstärkt auf der Käuferseite aufgetretenen Family Offices wird hingegen aktuell nur ein Umsatz von 29 Mio. € und ein Marktanteil von 4 % registriert.
Berlin dominiert mit 52 % Umsatzanteil klar den Markt
Die Big-Six-Städte kommen auf einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil von knapp 60 % (Ø 10 Jahre: 46 %) und dominieren damit deutlich das Transaktionsgeschehen auf dem deutschen Wohn-Investmentmarkt. Dieser hohe Marktanteil der sechs größten Städte wird jedoch im Wesentlichen getragen durch die Bundeshauptstadt: Berlin zeichnet mit einem Umsatz von rund 403 Mio. € für 52 % des Gesamtvolumens verantwortlich. Auch wenn der Umsatz ein Stück weit hinter dem Vorjahresquartal (546 Mio. €) zurückbleibt, notiert der Marktanteil deutlich über dem langjährigen Durchschnitt (26 %). Ein starkes Signal sendet dabei ein Forward Deal über 225 Mio. €, den ein US-amerikanischer Investor in Berlin-Neukölln getätigt hat. Solche Opportunitäten unterstreichen das Vertrauen in die Bundeshauptstadt und die mittel- und langfristig guten Perspektiven auf dem deutschen Wohnungsmarkt.
Konstante Renditen gegenüber Q4 2023
Im ersten Quartal sind die Netto-Spitzenrenditen für Neubauobjekte gegenüber dem vierten Quartal unverändert geblieben. München und Berlin sind die teuersten Standorte (3,60 %). Dahinter rangieren Frankfurt bei 3,65 %, Hamburg und Stuttgart bei 3,70 % sowie Düsseldorf bei 3,80 % und Köln bei 4,0 %.
Perspektiven
„Zwar konnte in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 noch keine spürbare Belebung des deutschen Wohn-Investmentmarktes konstatiert werden, allerdings gehen wir von einer deutlichen Belebung im weiteren Jahresverlauf aus. Der deutliche Rückgang der Inflation in der EU und den USA in den vergangenen Monaten sprechen jedoch dafür, dass das Zinsplateau bereits erreicht ist und die führenden Notenbanken im Laufe des angebrochenen Jahres beginnen werden, langsam die Zinsen zu senken. Dies verspricht einen verbesserten Zugang zu Fremdkapital und günstigere Finanzierungskosten und sollte den Investoren mehr Handlungsspielraum und Planungssicherheit verschaffen. In Kombination mit dem bereits vollzogenen Anstieg der Mietrenditen dürften somit die Risikoprämien gegenüber anderen sicheren Assets wieder anziehen und Wohn-Investments attraktiver werden. Vor dem Hintergrund perspektivisch fallender Anleiherenditen und den erreichten Allzeithochs der wichtigsten Aktienindizes steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Wohn-Investmentmarkt von Mittelzuflüssen aus anderen Assetklassen profitieren kann. Angesichts eines sehr angespannten Wohnungsmarkts, der bereits eingebrochenen Baufertigstellungen und eines auf Jahre absehbar schwachen Wohnungsneubaus dürfte die Angebots-und-Nachfrage-Relation von Wohnimmobilien auch fundamental zunehmend attraktiver werden, was sich in einer bereits starken und anhaltend hohen Mietpreisdynamik widerspiegeln dürfte. Die Aussicht auf ein verbessertes fiskalisches und sich aufhellendes konjunkturelles Umfeld sprechen für eine weitere Erholung im angebrochenen zweiten Quartal, bevor es im zweiten Halbjahr, einhergehend mit den ersten Zinssenkungen, zu einer deutlichen Belebung am deutschen Wohn-Investmentmarkt kommt“, fasst Christoph Meszelinsky die weiteren Aussichten zusammen.