Die deutschen Büromärkte haben im zweiten Quartal ihren Erholungskurs fortgesetzt. Trotz der seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs deutlich gestiegenen geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten hat sich das Anmietungsgeschehen im Frühjahr weiter belebt. Insgesamt wurden an den acht Standorten Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig und München im ersten Halbjahr rund
1,82 Mio. m² umgesetzt. Damit wurde das Vorjahresergebnis um 34 % übertroffen und das aktuelle Resultat notiert knapp 10 % über dem 5-Jahresdurchschnitt sowie 12 % über dem 10-Jahresdurchschnitt. Die Märkte bewegen sich im Durchschnitt auf einem Niveau, das dem des Jahres 2018 entspricht. Dies ergibt die Analyse von BNP Paribas Real Estate. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
• Mit 1,82 Mio. m² Anstieg des Flächenumsatzes gegenüber H1 2021 (+34 %)
• Leerstandsanstieg verlangsamt sich weiter
• Leerstandsquote nur in Essen, Düsseldorf und Frankfurt über 5 %
• Spitzenmieten stabil bis steigend, Durchschnittsmieten in allen Märkten mit deutlichem Plus
„Die deutschen Büromärkte befinden sich aktuell weiter auf Erholungskurs und das Anmietungsgeschehen hat im Frühjahr 2022 noch einmal Fahrt aufgenommen. Der Büroflächenumsatz übertrifft das Ergebnis aus dem ersten Halbjahr 2021 um 34 %, und der jetzt für das zweite Quartal notierte Umsatz übersteigt um beeindruckende 25 % das Volumen aus dem Vorquartal. Dies ist umso bemerkenswerter, da wir uns seit Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine Ende Februar in gesamtwirtschaftlich sehr herausfordernden Zeiten befinden, denen sich kein Unternehmenslenker entziehen kann. Die Entscheider wissen um die an Wachstumstempo verlierende deutsche Wirtschaft und die deutlich eingetrübten Konjunkturaussichten. Viele von ihnen stehen darüber hinaus vor der Aufgabe, neue Arbeitsmuster inklusive Homeoffice, Hybridmodellen und Arbeiten in Präsenz in ihrem Unternehmen einführen und auch etablieren zu müssen. Und dennoch oder auch vielleicht gerade deswegen: Sie entscheiden sich jetzt für neue Flächen. Hier kommen sicherlich Nachholeffekte der Corona-Pandemie zum Tragen, aber vielmehr dürfte die Bedeutung, die dem Büro nach zwei Jahren Pandemie in der Unternehmensentwicklung beigemessen wird, eine entscheidende Rolle spielen. Für viele Firmen hat sich das Büro in den vergangenen Monaten als zentraler Ort des Kommunizierens und des kreativen Arbeitens herauskristallisiert. Für sie ist es der Treffpunkt schlechthin, an dem neue Ideen und Produkte entstehen und wo allen voran Unternehmenskultur entsteht und auch gelebt werden kann. Wieviel Fläche pro Mitarbeiter benötigt wird, wieviel Arbeitsplätze vorzuhalten sind, in welchem Verhältnis Meeting- und Konferenzfazilitäten zu Kommunikationszonen und Arbeitsplätzen stehen sollten – all das muss sicherlich noch wachsen und sich entwickeln. Dies gilt auch für die Frage, welche Flächenqualitäten und welche Standorte zur jeweiligen Firmenkultur passen. Fakt ist: es wird angemietet. Die deutschen Büromärkte sind in Bewegung und im Moment auf einem guten Kurs“, so Marcus Zorn, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland.
Flächenumsatz in allen Märkten gegenüber Vorjahr gestiegen
Für alle deutschen Bürohochburgen kann gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg des Flächenumsatzes vermeldet werden. An die Spitze des Feldes in Sachen Umsatzsteigerung hat sich München gesetzt. Mit einem Plus von 67 % kommt die bayerische Landeshauptstadt auf ein aktuelles Resultat von 391.000 m². Die Dynamik aus dem starken ersten Quartal hat somit im zweiten Quartal hier ihre Fortsetzung gefunden und zu einem Ergebnis deutlich über dem 10-Jahresdurchschnitt beigetragen, das auch vor dem Berliner Resultat notiert. Die Bundeshauptstadt präsentiert sich auf hohem Niveau insgesamt stabil und registriert einen Flächenumsatz von 364.000 m² (+8 %). Sehr starke Ergebnisse werden weiterhin für Köln und Hamburg registriert. Ein fulminantes zweites Quartal hat zum zweitbesten Halbjahresergebnis in der Historie der Hansestadt mit jetzt 302.000 m² (+42 % gegenüber dem Vorjahr) beigetragen. Ähnlich fällt die Marktdynamik in der Domstadt aus, wo das sehr lebhafte Anmietungsgeschehen in den Frühjahrsmonaten für das stärkste erste Halbjahr mit 232.000 m² (+45 %) verantwortlich zeichnet. Für Frankfurt wird ein im langjährigen Vergleich überdurchschnittliches Ergebnis von 242.000 m² vermeldet (+20 % gegenüber dem Vorjahr), wobei es vor allem der starke Jahresauftakt war, der bis jetzt den Unterschied machte. Leipzig bleibt mit 69.000 m² auf seinem soliden Wachstumskurs (+9,5 %). Auch die Ruhrmetropole Essen kann um knapp 3 % auf 40.000 m² zulegen, bewegt sich aber dennoch weiterhin auf einem unterdurchschnittlichen Niveau.
Leerstandsanstieg verlangsamt sich weiter
Das Leerstandsvolumen ist im Vorjahresvergleich zwar um 7,5 % auf aktuell rund 5,1 Mio. m² gestiegen, allerdings hat sich das Tempo des Anstiegs im zweiten Quartal weiter verringert. In der Mehrheit der Standorte ist der Leerstand in den vergangenen drei Monaten sogar erstmals wieder gesunken, darunter Berlin, Essen, Hamburg, Köln und Leipzig. Unter der Fluktuationsreserve von 5 % notieren die Leerstandsquoten aktuell weiterhin in Berlin (3,2 %), Köln (3,3 %), Hamburg (3,9 %), Leipzig (4,1 %) und München (4,3 %), was das auch im internationalen Vergleich niedrige Leerstandsvolumen in den deutschen Bürohochburgen eindrucksvoll unterstreicht. Einzig in Essen (7,0 %), Frankfurt (8,8 %) und Düsseldorf (9,8 %) bewegt sich der Leerstand auf einem deutlich höheren Niveau, wobei bei dieser Betrachtung zu ergänzen ist, dass sowohl der Markt in Düsseldorf wie auch in Frankfurt deutlich höhere Leerstandsvolumina aus der Vergangenheit kennt.
Zur Jahreshälfte sind Leerstandsflächen mit modernem Ausstattungsstandard in den meisten Büromärkten weiterhin nur in relativ begrenztem Umfang verfügbar, was insbesondere für die zentralen Lagen gilt. Eine umfangreiche Ausweitung des Volumens kann im laufenden Jahr 2022 nicht registriert werden und das Gesamtvolumen beläuft sich in diesem Segment aktuell auf 1,85 Mio. m². Im Durchschnitt der acht analysierten Büromärkte verfügen nur 36 % aller Flächen über eine entsprechende Flächenqualität, wobei die Nachfrage nach modernen Flächen weiterhin sehr hoch ist. In den ersten sechs Monaten des Jahres entfielen mindestens 55 % des registrierten Umsatzes auf moderne Flächen. Der Anteil moderner Leerstandsflächen ist in Düsseldorf, Essen, Hamburg, Köln und Leipzig mit weniger als 30 % unterdurchschnittlich. In Hamburg (-11,5 %), Köln (-25 %) und Leipzig (-13 %) ist ihr Volumen im Vergleich zum Vorjahr sogar gesunken. In der bayerischen Landeshauptstadt München beläuft sich der Anteil auf 36 % und notiert damit im Bundesdurchschnitt. Über ein deutlich höheres Volumen an leerstehenden Top-Flächen verfügt traditionell die Büroturmstadt Frankfurt, wo sich ihr Anteil aktuell auf 48 % beläuft. Auch in Berlin verfügen 48 % der leerstehenden Flächen über einen modernen Standard und das Volumen ist in den vergangenen 12 Monaten auf rund 324.000 m² gestiegen (+45 %). Allerdings gilt hier zu berücksichtigen, dass die Bundeshauptstadt im nationalen wie vor allem im internationalen Vergleich weiterhin über eine insgesamt sehr niedrige Leerstandsquote verfügt, und dass im modernen Flächensegment die jüngsten Zahlen schon wieder nach unten zeigen.
Das Volumen der Flächen im Bau ist im Vorjahresvergleich um 6,5 % auf 4,2 Mio. m² gestiegen. Mit Ausnahme von Hamburg (-25 %) werden für alle Büromärkte steigende Bauvolumen registriert, allen voran in Leipzig (+119 %), Düsseldorf (+56 %) und Köln (+44 %). Auf hohem Niveau stabil ist die Bautätigkeit in den Top-Märkten Berlin und München. Die Zahlen unterstreichen eindrucksvoll das Vertrauen der Projektentwickler in das Produkt Büro.
Wie im Sommer 2021 sind 46 % der im Bau befindlichen Flächen bereits vor Fertigstellung vom Markt absorbiert worden.
Spitzenmieten stabil bis steigend, Durchschnittsmieten in allen Märkten mit deutlichem Plus
Mit Ausnahme von Frankfurt, wo die Spitzenmiete wie im Vorjahr weiterhin bei 47,00 €/m² notiert, wird für alle anderen Standorte ein Anstieg der Spitzenmiete in den vergangenen zwölf Monaten registriert. Insbesondere in München (+9 % auf 43,00 €/m²), Berlin (+7,5 % auf 43,00 €/m²), Leipzig (+6 % auf 18,00 €/m²) und Düsseldorf (+5 % auf 30,00 €/m²) ist das Wachstum spürbar. Höher als im Vorjahr notieren auch die Spitzenmieten in Hamburg (+3 % auf 33,00 €/m²), Köln (+2 % auf 27,00 €/m²) und Essen (+1 % auf 16,50 €/m²). Das positive Bild bestätigen die Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2022 mit ausgeprägter Stabilität im Top-Segment und mit Anstiegen in Düsseldorf, Essen, Köln und Leipzig.
Die Entwicklung der Durchschnittsmieten unterstreicht eindrucksvoll den Anstieg des allgemeinen Mietniveaus. Für alle Standorte wird ein Plus der Durchschnittsmiete seit Sommer 2021 registriert. In Berlin notiert die Durchschnittsmiete auf einem bundesweit unerreichten Niveau von 28,20 €/m² (+3 %), gefolgt von München (+5 % auf 22,80 €/m²) und Hamburg (22,20 €/m²). Die Hansestadt sticht mit einem Plus von 21 % aus dem Feld der bundesweiten Top-Standorte hervor. Zu betonen ist, dass der Anstieg der Durchschnittsmieten bundesweit bei der Analyse des zweiten Quartals 2022 bestätigt wird.
Perspektiven
„Die Büromärkte profitieren aktuell von drei Faktoren. Zum einen präsentiert sich die deutsche Wirtschaft trotz aller Herausforderungen und Unsicherheiten weiterhin erstaunlich robust. Zum anderen sind auf den Vermietungsmärkten Nachholeffekte im Zuge der Corona-Pandemie spürbar. Viele Anmietungs-entscheidungen wurden zurückgestellt, die mit zurückkehrender Entscheidungssicherheit in den Wintermonaten 2021/2022 vorangetrieben und nun erfolgreich zum Abschluss gebracht wurden. Hinzu kommt der nicht zu unterschätzende dritte Faktor, dass sich viele Unternehmen jetzt ganz bewusst für neue Flächen entscheiden, um ihren Teams modernes und attraktives Arbeiten zu ermöglichen. Vor allem moderne Flächen sind gefragt. Im Fokus stehen dabei neben den zentralen Lagen all de Standorte, die insbesondere per ÖPNV sehr gut erreichbar sind. Diese 3-Faktoren-Kombination ist dann auch die solide Basis für die zweite Jahreshälfte“, so Marcus Zorn, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland.
Sicherlich ist mit dem Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine Unsicherheit auf die Märkte zurückgekehrt, und für den Moment ist schwer einzuschätzen, in welches Fahrwasser die deutsche Wirtschaft am Jahresende gelangen wird. Die Büromärkte verfügen allerdings über sehr gute Fundamentaldaten und die Unternehmenslenker haben ihr Grundvertrauen in das Büro und die Stärke der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal an vielen Standorten eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das Leerstandsvolumen ist niedrig, die Bautätigkeit insgesamt moderat, und die Bürobeschäftigtenprognosen zeigen langfristig deutlich nach oben.
„Wir erwarten für die zweite Jahreshälfte ein Anmietungsgeschehen, das voraussichtlich zu einem Ergebnis im 10-Jahresdurchschnitt beitragen wird. Das Mietniveau dürfte dabei weiter nach oben tendieren. Die ausschlaggebenden Faktoren sind die insgesamt moderate Bautätigkeit, bei der sich keine umfangreiche Ausweitung abzeichnet – ganz im Gegenteil – sowie das weiterhin niedrige Leerstandsvolumen. Vor dem Hintergrund, dass die Einführung von „New Work“ in vielen Unternehmen Hand in Hand mit neuen Büroflächen geht, dürfte das Anmietungsgeschehen besonders bei modernen Flächen weiterhin vergleichsweise dynamisch ausfallen. Viele Entscheider präferieren hierbei ganz klar urbane Lagen, um nicht zuletzt hochqualifizierte Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen. Da gerade in unseren Innenstädten Top-Flächen weiterhin vergleichsweise knapp sind, dürfte der Druck auf die Spitzenmieten entsprechend hoch bleiben“, fasst Zorn die Aussichten zusammen.