Die Dynamik auf dem deutschen Logistik-Vermietungsmarkt ist im zweiten Quartal spürbar gestiegen, sodass zum Halbjahr ein Flächenumsatz von 2,9 Mio. m² (inkl. Eigennutzer) vermeldet werden kann. Damit kann der Markt erwartungsgemäß nicht an das fulminante Vorjahresergebnis (4,8 Mio. m²), das über weite Strecken vom Tesla-Baustart in Grünheide bei Berlin mit 327.000 m² getragen wurde, anknüpfen, aber auch der Zehnjahresdurchschnitt von rund 3,2 Mio. m² (-10 %) bleibt für den Moment unerreicht. Das aktuelle Ergebnis spiegelt die konjunkturelle Schwächephase ebenso wider, wie insbesondere das weiterhin vorherrschende Missverhältnis von Angebot und Nachfrage. Dies ergibt die Analyse von BNP Paribas Real Estate.
„Die anhaltende konjunkturelle Schwächephase geht sicherlich an den deutschen Logistikmärkten nicht spurlos vorbei, was wir unter anderem am gedrosselten Tempo bei Flächenentscheidungen seitens der Handelsunternehmen erkennen können. Allerdings ist das Kernproblem des Flächenrückgangs ganz klar der vorherrschende Angebotsmangel und weniger das wirtschaftlich herausfordernde Umfeld, was die Halbjahreszahlen der Logistikdienstleister und Produktionsunternehmen unterstreichen. Sie haben trotz der aktuellen ökonomischen Rahmenbedingungen Flächenumsätze nahe des Langzeitdurchschnitts bzw. auch darüber generiert. Wir müssen feststellen, dass das anhaltende Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage und die daraus resultierenden Mietpreissteigerungen höheren Flächenumsätzen entgegenstehen. Wie in den Vormonaten haben sich auch im Frühsommer 2023 viele Unternehmen mangels Flächenalternative oder auch aus Gründen der Kostenersparnis für das Ziehen von Mietoptionen, sprich für Mietvertragsverlängerungen, anstatt für neue Flächen entschieden. Vor allem das Fehlen moderner, großflächiger Bestandsimmobilien wie auch von Grundstücken zur perspektivischen Neuentwicklung fällt weiterhin maßgeblich ins Gewicht“, erläutert Christopher Raabe, Geschäftsführer und Head of Logistics & Industrial der BNP Paribas Real Estate GmbH.
Der Neubauanteil des Flächenumsatzes notiert im ersten Halbjahr 2023 bundesweit bei 63,5 % und verfehlt damit erneut das langjährige Durchschnittsniveau von 65,9 %. Die Nachfrage, die für höhere Flächenumsätze im Neubausegment sorgen könnte, ist durchaus gegeben, allerdings wirkt der Angebotsmangel hier stark bremsend. Die Tendenz zu sinkenden Eigennutzeranteilen scheint seine Fortsetzung zu finden. Aktuell liegt ihr Marktanteil bei 31 % und damit spürbar unter dem 10-Jahresdurchschnitt von gut 39 %. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. So fällt in den Halbjahresumsatz u. a. der Baustart der insgesamt rund 210.000 m² großen Gigafabrik des Eigennutzers Volkswagen in Salzgitter, der dort ab 2025 Batteriezellen produzieren will.
Top-Märkte: Fast sämtliche Logistikregionen mit deutlichem Umsatzplus in Q2
Der Flächenumsatz ist gegenüber dem ersten Quartal in fast allen führenden Logistikregionen Deutschlands gestiegen, mit beeindruckenden Steigerungswerten zwischen knapp 27 % in der Region Düsseldorf und 220 % im Marktgebiet Leipzig, wo ein Industrieunternehmen in Bitterfeld-Wolfen gut 80.000 m² für seine Fertigung beziehen wird. Leicht an Tempo verloren hat das Transaktionsgeschehen im Frühsommer allerdings in Hamburg, wo das insgesamt gute Jahresauftaktergebnis vergleichsweise knapp um 12,5 % verfehlt wurde, und in Köln, wo der Markt aufgrund des ausgeprägten Angebotsmangels weit davon entfernt ist, an alte Stärke anzuknüpfen (-17 % zum Vorquartal). Trotz der jüngsten Marktbelebung bleibt das Halbjahresergebnis in vielen Regionen nicht nur hinter den starken Resultaten des Halbjahres 2022 zurück, sondern verfehlt auch den Langzeitdurchschnitt vergleichsweise deutlich. Positive Ausnahmen sind dabei die auch nach Flächenumsatz bundesweit führenden Regionen Leipzig mit 185.000 m² (+37 % ggü. Langzeitschnitt) und München (169.000 m²; +43 % ggü. Langzeitschnitt) sowie Düsseldorf mit 152.000 m² bzw. einem Resultat knapp 31 % ggü. dem 10-Jahresdurchschnitt. Der Hamburger Markt befindet sich mit München aktuell auf Augenhöhe, kann aber mit einem Flächenumsatz von 165.000 m² seinen eigenen Ansprüchen nicht genügen (-27 % im Langzeitvergleich). Frankfurt (128.000 m²; -51 %), Berlin (125.000 m²; -48 %) und vor allem Köln mit (55.000 m²; - 48 %) folgen mit einigem Abstand. Insgesamt beläuft sich der Flächenumsatz damit in Deutschlands Top-7 Logistikregionen auf 979.000 m². Das Rekordergebnis aus dem Vorjahr wurde damit um -45 % verfehlt und der 10-Jahresdurchschnitt um rund -19 %. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr bewegt sich im Ruhrgebiet mit -49 % auf 157.000 m² in einer ähnlichen Größenordnung, fällt allerdings gegenüber dem Langzeitdurchschnitt mit -31 % deutlich stärker ab. Aufgrund des über weite Strecken dominierenden Angebotsmangels in den Kernmärkten, werden immer mehr Gesuche auch außerhalb der Top-Agglomerationen realisiert. Entsprechend wird für die weiteren, von BNP Paribas Real Estate analysierten, Regionen ein überdurchschnittlicher Flächenumsatz von 766.000 m² registriert (+5 % gegenüber 10-Jahresdurchschnitt). Es ist nach dem Rekordergebnis zum Halbjahr 2022 (1,2 Mio. m²) das dritthöchste Resultat der Historie.
Durchschnitts- und Spitzenmieten weiter steigend
Das Mietpreisniveau kennt auch im Jahr 2023 nur eine Richtung: aufwärts. Der vorherrschende Angebotsengpass hat die Mieten im Jahresverlauf nachhaltig steigen lassen. Für die Top-Logistikmärkte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, und München wird ein Plus der durchschnittlichen Spitzenmiete um 11 % auf aktuell 7,61 €/m² registriert. München bleibt mit jetzt 9,50 €/m² mit weitem Abstand teuerster Standort (+19 % im Vorjahresvergleich), während Hamburg (7,90 €/m; +14 %) und Berlin (7,80 €/m²; +4 %) auf den Plätzen folgen. Bemerkenswert ist der starke Mietpreisanstieg in der Spitze in Leipzig mit +19 % in den vergangenen zwölf Monaten auf einen neuen Hochwert von 5,60 €/m². Auch die Durchschnittsmieten sind in allen führenden Logistikstandorten in den abgelaufenen 12 Monaten nachhaltig gestiegen. Im Durchschnitt wird ein Wachstum von gut 9 % registriert. Im Mittel werden 6,08 €/m² gezahlt.
Weitere Marktbelebung in der zweiten Jahreshälfte erwartet
Die deutsche Wirtschaft verfügt über gute Voraussetzungen, um im zweiten Halbjahr wieder Fahrt aufnehmen zu können. Zum einen tendiert die Inflation nach unten, zum anderen präsentiert sich der deutsche Arbeitsmarkt sehr robust und wirkt stabilisierend auf den zuvor rückläufigen privaten Konsum. Hinzu kommt, dass die deutsche Industrie nicht nur über einen hohen Auftragsbestand verfügt, den sie aufgrund nachlassender Lieferengpässe zügig abarbeiten kann, sondern dass vielmehr im Zuge einer weltwirtschaftlichen Erholung auch eine wieder anziehende Auslandsnachfrage wahrscheinlich ist. Die Aufträge aus dem Inland waren jüngst bereits wieder ins Plus umgeschwenkt.
„Gestützt von einer wieder dynamischeren konjunkturellen Entwicklung erwarten wir für die bundesweiten Logistikmärkte eine weitere Belebung des Marktgeschehens in der zweiten Jahreshälfte. Sicherlich werden Mietvertragsverlängerungen angesichts der oftmals fehlenden Flächenalternativen und des hohen Mietpreisniveaus für viele Unternehmen eine attraktive Lösung bei der Flächensuche bleiben, allerdings gehen wir davon aus, dass sich der steigende Flächenbedarf auch im Flächenumsatz positiv niederschlagen wird. Für viele Logistikregionen dürfte daher ein Jahresergebnis im langjährigen Durchschnitt realistisch sein. Das Mietpreisniveau wird unterdessen aufgrund des anhaltenden Angebotsengpasses und auch der steigenden ESG-Anforderungen weiter nach oben tendieren“, fasst Bastian Hafner, Head of Logistics & Industrial Advisory der BNP Paribas Real Estate GmbH, die Aussichten zusammen.