Das Anmietungsgeschehen auf den deutschen Büromärkten fällt vorerst weiter unterdurchschnittlich aus. Der Flächenumsatz an den acht Standorten Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig und München beläuft sich im ersten Halbjahr 2023 auf 1,23 Mio. m². Damit wurde der 10-Jahresschnitt um knapp ein Viertel verfehlt und auch das wirklich gute Vorjahresergebnis blieb unerreicht. Dies ergibt die Analyse von BNP Paribas Real Estate. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Flächenumsatz bei 1,23 Mio. m²; 32% unter Vorjahresniveau und 23 % unter Langzeitdurchschnitt
- Leerstand steigt gegenüber H1 2022 um gut 9 % auf 5,6 Mio. m²
- Leerstandsquote in Berlin, Hamburg, Köln und Leipzig weiterhin unter 4 %
- Mietniveaus tendieren weiter nach oben
„Die deutschen Büromärkte können sich der schwächelnden konjunkturellen Entwicklung kaum entziehen, was angesichts der aktuellen finanz- und wirtschaftspolitischen Lage wenig überrascht. Die deutsche Wirtschaft ist zwar deutlich besser durch den Winter gekommen als im Herbst 2022 noch prognostiziert, aber es ist noch keine Stabilität zurück im System. Die Inflation präsentiert sich hartnäckiger als erwartet, die weiteren Zinsschritte der Zentralbanken sind mit Fragezeichen versehen und die Weltwirtschaft nimmt nur langsam wieder Fahrt auf. Im Moment fehlen die großen positiven Signale für Aufbruch und dynamisches Wachstum. Entsprechend schreiten viele Unternehmen mit gedrosseltem Tempo auf ihrem Zukunftspfad voran und agieren sehr selektiv, wenn es darum geht, Flächen auch auf Zuwachs anzumieten. Dieses Marktmuster kennen wir aus früheren wirtschaftlichen Schwächephasen, aus denen die starke Korrelation zwischen BIP-Wachstum und Flächenumsatz nahezu lehrbuchmäßig abzulesen ist. Wiederholt reagieren die Büromärkte mit Verzögerung auf die wirtschaftliche Abkühlung, sodass wir im ersten Halbjahr einen Flächenumsatz von nur 1,23 Mio. m² vermelden können. Damit wurde das wirklich gute Vorjahresergebnis um rund ein Drittel verfehlt“, erläutert Marcus Zorn, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland.
„Unabhängig vom starken konjunkturellen Einfluss verfügen die Büromärkte aber auch über eine gewisse Eigendynamik, die den Flächenumsatz beeinflussen kann“, ergänzt Oliver Barth, Head of Office Advisory von BNP Paribas Real Estate Deutschland. „Viele Unternehmen haben den Wunsch, an infrastrukturstarke Standorte und in nachhaltige, attraktive und moderne Bürogebäude zu ziehen. Mögliche höhere Mietansätze, die eine Neuanmietung durchaus mit sich bringen kann, können dabei durch eine Reduktion des Flächenbedarfs mittels moderner Raumkonzepte in Verbindung mit Desk Sharing Quoten kompensiert werden. Sofern ein attraktives Flächenangebot vorhanden ist, kann dies die Flächennachfrage auch in einem konjunkturellen schwächeren Marktumfeld durchaus positiv beeinflussen.“
Berlin bleibt an der Spitze, München und Hamburg im 1. Halbjahr bemerkenswert stabil
Obwohl der Flächenumsatz in der Bundeshauptstadt gegenüber dem starken Vorjahresergebnis um rund 28 % nachgegeben hat und der 10-Jahresdurchschnitt um gut ein Viertel verfehlt wurde, behauptet sich Berlin an der Spitze der deutschen Büromärkte mit 262.000 m². München rangiert mit insgesamt 237.000 m² auf dem zweiten Platz, kann aber an das insgesamt starke Halbjahresergebnis 2022 nicht anknüpfen (-39 %) und bewegt sich wie die Mehrzahl der bundesdeutschen Bürohochburgen aktuell auf einem im Langzeitvergleich unterdurchschnittlichen Niveau. Erfreulich ist, dass sich das Anmietungsgeschehen in der bayerischen Landeshauptstadt im ersten und zweiten Quartal nahezu unverändert stabil auf jeweils rund 120.000 m² beläuft. Hamburg hält sich mit 223.000 m² erfolgreich auf dem dritten Rang. Unter den Top-5-Standorten nimmt Hamburg eine positive Ausnahmestellung ein: Die Anmietungsdynamik ist im zweiten Quartal gestiegen, und der Langzeitdurchschnitt wird im ersten Halbjahr nur um knapp 10 % verfehlt. Ähnlich fällt die Entwicklung in Frankfurt mit einem im Frühjahr angezogenen Vermietungsvolumen und einem Halbjahresumsatz von 190.000 m² aus (-14,5 % im Langzeitvergleich). Einmal mehr bewegen sich die Märkte in Düsseldorf und Köln auf einheitlichem Niveau. Für beide Rheinmetropolen wird zur Jahreshälfte ein Flächenumsatz von 95.000 m² registriert. Beide Büromärkte verfehlen damit ihre guten Zwischenresultate aus dem Vorjahr deutlich (-46 % in Düsseldorf und -59 % in Köln), und die Märkte können ihre über die Jahre bekannte Dynamik aktuell nicht entfalten. In jeder Hinsicht positiv ist die Entwicklung in Essen, wo nicht zuletzt ein Großabschluss der öffentlichen Hand zum höchsten Flächenumsatz seit 2019 beigetragen hat. Mit 70.000 m² wurde das schwache Vorjahresresultat um 75 % und der 10-Jahresdurchschnitt um 19 % übertroffen. Trotz eines leicht rückläufigen Ergebnisses im zweiten Quartal, präsentiert sich der Leipziger Büromarkt mit 62.000 m² Flächenumsatz gewohnt robust. Das Anmietungsgeschehen ist einmal mehr überdurchschnittlich (+6 %).
Leerstandsanstieg setzt sich fort
Zur Jahreshälfte beläuft sich das Leerstandsvolumen in den Bürohochburgen auf insgesamt 5,6 Mio. m², was im Vorjahresvergleich einem Plus von gut 9 % entspricht. Das Tempo des Anstiegs variiert jedoch zwischen den Märkten erheblich. In Berlin ist im Jahresverlauf der Leerstand auf jetzt 825.000 m² gestiegen, allerdings notiert die Leerstandsquote trotz der großen Dynamik mit 3,9 % weiterhin unter der 4-%-Marke. Diese Marke bleibt auch in Köln (3,8 %), Leipzig und Hamburg (jeweils 3,9 %) unerreicht, wobei sich das Leerstandsniveau in Leipzig und Hamburg zuletzt nahezu unverändert präsentierte. In München wird erstmals seit 2015 wieder eine 5 vor dem Komma notiert, dennoch fällt der aktuelle Wert von 5,0 % in der langen Zeitreihe immer noch moderat aus. Für Essen wird eine Leerstandsquote von 7,9 % vermeldet. Frankfurt (8,7 %) und Düsseldorf (10,9 %) rangieren weiterhin auf den hinteren Plätzen, allerdings kennen beide Märkte aus vergangenen Marktzyklen durchaus deutlich höhere Werte.
Aktuell befinden sich in den von BNP Paribas Real Estate analysierten acht Standorten rund 3,9 Mio. m² Bürofläche im Bau. Dies entspricht gegenüber dem Halbjahr 2022 einem moderaten Rückgang von gut 7 %. Die Vorvermietungsquote tendierte zuletzt wieder leicht nach oben und beläuft sich im Durchschnitt aller analysierten Standorte aktuell auf 47 %. Dieser Trend kann angesichts der gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten kaum verwunden, da viele Projektentwickler im aktuellen Marktumfeld mit erhöhter Umsicht agieren.
Mietniveau tendiert weiter nach oben
In sämtlichen Top-Büromärkten ist die Spitzenmiete seit Sommer 2022 gestiegen, wobei die Großzahl der Märkte seit Jahresbeginn stabile Mieten im Top-Segment verzeichnet. Ausnahmen sind hier München, Köln und Essen, die im zweiten Quartal 2023 ein weiteres Plus vermelden. In München ist die Spitzenmiete im Frühjahr 2023 um 2,00 €/m² auf 47,00 €/m² gestiegen. Damit wird nicht nur eine neue Bestmarke in der bayerischen Landeshauptstadt erzielt, sondern auch ein Plus von gut 9 % gegenüber dem Vorjahr. In Köln notiert die Spitzenmiete erstmals bei 32,00 €/m² (+18,5 % ggü. Vorjahr), und in Essen nimmt die Spitzenmiete langsam Kurs auf die 18,00 €/m² Marke (17,60 €/m²; knapp 7 % ggü. Vorjahr). Seit Jahresbeginn präsentieren sich die Spitzenmieten in Berlin (45,00 €/m²), Düsseldorf (38,00 €/m²), Frankfurt (48,00 €/m²), Hamburg (35,00 €/m²) und Leipzig (18,50 €/m²) auf hohem Niveau stabil.
Auch die Durchschnittsmieten sind im Jahresverlauf an allen Standorten gestiegen. Mit Ausnahme von Berlin und Düsseldorf, wo sie im zweiten Quartal 2023 minimal nachgegeben haben, kennen sie in allen Märkten aktuell nur eine Richtung: nach oben. Die insgesamt starke Nachfrage nach gut ausgestatteten Flächen spielt auch in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Durchschnittsmieten notieren aktuell zwischen 29,20 €/m² in Berlin und 11,90 €/m² in Leipzig. Jenseits der 20-€-Marke notieren die Durchschnittsmieten in München (24,20 €/m²), Frankfurt (23,70 €/m²), Hamburg (22,30 €/m²) und Düsseldorf (20,20 €/m²).
Perspektiven
Die bundesweiten Büromärkte bewegen sich aktuell im Kielwasser einer schwächelnden Konjunktur. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer technischen Rezession und auch der Weg, den die Weltwirtschaft gerade beschreitet, ist steinig. Die globale Konjunktur nimmt zwar wieder Fahrt auf, allerdings ist die Aufschwungsdynamik noch vergleichsweise schwach und die Rahmenbedingungen für nachhaltiges und vor allem starkes Wachstum sind fragil. Die Inflation präsentiert sich in den meisten Ländern hartnäckiger als erwartet, sodass sich die Zentralbanken gezwungen sehen, an ihrem 2022 eingeschlagenen Zinspfad vorerst festzuhalten. Positiv fällt ins Gewicht, dass die mit den Zinserhöhungen beabsichtigte dämpfende Wirkung auf das Inflationsniveau langsam wirkt und dieses sukzessive zu sinken beginnt. Es zeichnet sich ab, dass der Großteil des Zinserhöhungszyklus bereits vollzogen wurde. Dennoch sind weitere, wenn auch moderate Zinsschritte in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich, was vorerst dämpfend auf die Realwirtschaft und damit auch auf die Dynamik auf den Büromärkten wirken dürfte.
„Wir gehen mit großem Realismus in die zweite Jahreshälfte, denn die deutsche Wirtschaft ist noch ein gutes Stück davon entfernt, auf einen soliden und nachhaltigen Wachstumskurs einzuschwenken. Der Markt sendet aber trotz aller Herausforderungen durchaus positive Signale“, so Oliver Barth, und ergänzt: „Aktuell befinden sich Großgesuche mit Mietflächen jenseits der 10.000 m² im Markt, die noch 2023 zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden und so dem Flächenumsatz Schub geben könnten. Darüber hinaus notieren die Leerstandsniveaus weiterhin unter den aus letzten Dekaden bekannten Hochwerten, und eine umfangreiche Angebotsausweitung von Seiten der Projektentwickler ist nicht zu erwarten. Last but not least ist das Büro in den Führungsetagen als Arbeitsort Nr. 1 gesetzt. Die Lust wie auch der Druck, den Mitarbeitenden ein attraktives, kommunikationsförderndes Arbeitsumfeld zu bieten, ist da. Die jüngsten Abschlüsse in den deutschen Top-Objekten und Top-Lagen unterstreichen dies eindrucksvoll.“
„Für die zweite Jahreshälfte bleiben unterdurchschnittliche Flächenumsätze das wahrscheinlichste Szenario und ein weiterer, wenn auch moderater Leerstandsanstieg ist nicht auszuschließen. Aufgrund der gesunden Nachfrage nach modernen und auch ESG-konformen Flächen, erwarten wir aber kein Nachgeben der Mietniveaus – ganz im Gegenteil. In den meisten Segmenten sind weitere Mietpreissteigerungen durchaus zu erwarten, die Spitzenmieten dürften in den deutschen Bürohochburgen ganz klar weiter nach oben tendieren. Und sobald die deutsche Wirtschaft wieder Fuß gefasst hat, werden auch die Büromärkte wieder Fahrt aufnehmen“, fasst Marcus Zorn die Aussichten zusammen.