[KÖLN] FOKUSSIERT: KÖLNER LEBENSART
Mitten in der Stadt zu wohnen, gehört zur Kölner Lebensart wie das Kölsch und der Dom. Doch das begrenzte Angebot trifft auf eine immense Nachfrage. Wie man dem begegnet, wo sich Chancen mitten im Veedel auftun und wie unterschiedliche Nutzungen auf einen (Kölsch-)Deckel passen, erklärt Projektentwickler Klaus Braß von SiebersPartner im Interview.
Wir möchten gerne mit dem Blick auf das große Ganze beginnen. Was ist Ihrer Meinung nach typisch für die Stadtentwicklung in Köln?
In Köln herrscht seit vielen Jahren ein Nachfrageüberhang bei Wohnungen – die Stadt wächst. Maßnahmen zur Stadtverdichtung wie Aufstockungen oder die Konversion von Büro- in Wohnflächen reichen nicht aus. Zudem hilft es der Angebotsseite wenig, wenn nur kleinteilige Projekte im Stadtgebiet angegangen werden. Es fehlt für die Entwicklung von großen Quartieren schlichtweg Fläche. Die wenigen Industriebrachen, die umgewidmet werden können, wie etwa das Clouth-Areal in Nippes oder das KHD-Gelände in Mülheim, sind rar.
Funktioniert die Rheinmetropole denn anders als andere A-Städte?
Nein, auch wir stehen vor der Herausforderung, Wohnraum zu schaffen, wo eigentlich kein Platz mehr ist. Verzögern sich Baugenehmigungen durch Umwelt-, Nachbarschafts- oder Verkehrsthemen, die mit in die Planung einbezogen werden müssen, wird es noch schwieriger. Das gilt für Köln wie für viele andere A-Städte.
Sehen Sie einen besonderen Bedarf in Köln und Umgebung?
Die dynamisch wachsende Großstadt verzeichnet den größten Zuzug in der Gruppe der Menschen unter 30 Jahren. Viele schätzen die weltoffene Stadt mit ihrem unverwechselbaren Charakter und der starken lokalen Verbundenheit der Bewohner, suchen aber aufgrund der Wohnungsknappheit in der City auch im Umland. Pendler aus Städten wie Pulheim, Hürth oder Bergisch Gladbach erreichen uns in 20 Minuten. In Berlin entspräche das einer Fahrt durch die Innenstadt. Der Großraum Köln müsste mit einer höheren Frequenz und einem stärker ausgebauten U- und S-Bahnnetz besser erschlossen werden. Die Erweiterung des Stadtgebiets auf diese Art wäre ein großer Wurf, den Köln und die umliegenden Städte aus Partikularinteressen leider noch nicht gewagt haben.
Was sind aus Sicht eines Entwicklers interessante Stadtteile?
Interessant sind rechtsrheinisch der Stadtteil Mülheim mit dem ehemaligen KHD-Gelände und der Deutzer Hafen. Wer den Zuschlag für solche Brachflächen erhält, hat – meiner Meinung nach – auch die entwicklerische Pflicht zu handeln. Denn ein neues Quartier steht nicht für sich allein, es beflügelt auch die Umgebung.
Linksrheinisch sind Ehrenfeld und Nippes – Stadtteile mit echten Veedelsqualitäten – interessant. Gerade bei letzterem tut sich noch eine große Spanne im Preisgefüge der Bestandswohnungen auf. Hier findet man eine Mischung aus sehr guten Wohnlagen und solchen, die einfach wegen bestimmter lokaler Gegebenheiten nicht so attraktiv sind. Das können wirklich Mikrosituationen sein, etwa eine – wie man in Köln sagt – „fiese Ecke“. Ist der Bestand in einer solchen Lage niedrig bewertet, lohnt es sich für Projektentwickler, neue Wohnflächen in einem standortangemessenen, qualitativ hochwertigen Projekt mit interessanter Architektur zu schaffen.
Ganz Köln ist gefragt
"Auch wir beobachten eine weiterhin starke Nachfrage nach Wohnraum in Köln. Diese steht einer Leerstandsquote von nur 0,88 Prozent gegenüber, wobei mindestens 3 Prozent für einen ausgeglichenen Wohnmarkt notwendig wären. Insbesondere Ein- bis Zweizimmerwohnungen sind bei jüngeren Wohnungssuchenden begehrt, denn die Domstadt bleibt ein gefragter Unistandort. Das gilt auch für Köln als Medienstadt und Startup City im Rhein/Ruhr-Gebiet. So wird sich auch der Markt für Mikro- oder Serviced-Apartments beleben, wenn sich die Pandemie abschwächt.
Wo gesucht wird, richtet sich vornehmlich danach, ob Miete oder Eigentum im Fokus steht: Mietwohnungen sind im gesamten Stadtgebiet gefragt. Eigentum wird bevorzugt in Lindenthal, Braunsfeld und im Süden gesucht. Es fehlen Vier- bis Fünfzimmerwohnungen, sodass Familien an den Stadtrand, beispielsweise nach Widdersdorf, ausweichen. Auch aus Renditegesichtspunkten werden Randbezirke attraktiver. Investoren, die innerstädtisch mit dem 30-Fachen der Jahresnettomiete kalkulieren müssen – bei einem Durchschnitt von 25 – suchen nun verstärkt linksrheinisch, etwa in Porz."
Christopher Hertzberg
Director Regional Residential Investment bei BNP Paribas Real Estate Köln
Welche Projekte haben in der letzten Zeit maßgeblich die Stadtentwicklung beeinflusst?
Wohnen und Arbeiten am Wasser werden immer attraktiver: Bestes Beispiel ist der Rheinauhafen. Hier liegt auch das Büro von SiebersPartner hinter der historischen Fassade des Hauses „Siebengebirge“. Der Rheinauhafen mischt Wohnen und Arbeiten, Gastronomie und Kultur und nicht zuletzt Historie und Moderne. Gleiches gilt für den Deutzer Hafen: Die Zukunftsentwicklung soll auf 37,7 Hektar – davon 8 Hektar Wasserfläche – zeigen, wie ein gemischt genutztes Quartier mit einer vielfältigen Nachbarschaft aussehen kann.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Umwidmung von Flächen gemacht?
Die Assetklasse Wohnen war bis vor etwa zehn Jahren nicht so attraktiv wie heute. Aber wenn eine Stadt es schafft, Büro- in Wohnflächen umzuwidmen, kann man sich vorstellen, wie lukrativ dieser Markt inzwischen ist. Auch wir haben umgedacht: Die Entwicklung „Clouth. Tor 2" ist unser größtes Konversionsprojekt im Bereich Wohnen in Köln. Bei der Ausschreibung für das Areal mit seinem historischen Gebäudebestand half unsere Expertise beim Thema Denkmalschutz. Wir entwickelten bereits zwei Silogebäude im Rheinauhafen und das Bonner Münsterhaus.
Quasi der Wegbereiter für Ihre Projektentwicklung in Köln Nippes …
Unsere Projektentwicklung „Clouth. Tor 2“ wird das letzte zu entwickelnde Grundstück auf dem gesamten Gelände der alten Gummiwarenfabrik sein. Das insgesamt 14,5 Hektar große Areal bietet Platz für mehr als 1.200 Wohnungen bzw. Wohnraum für 3.000 Menschen und wird ein neues Viertel im Stadtteil Nippes bilden, welches mit seinem Umfeld vernetzt werden soll. Der Denkmalschutz erstreckt sich nicht nur auf die Verwaltungsgebäude, sondern auch auf den Ehrenhof und die Außenbereiche. Der nordwestliche Bauabschnitt ist so groß, dass wir neben dem 8.000 m² großen denkmalgeschützten Altbau auch 12.500 m² Neubau auf der Grundstücksreserve realisieren können. Eine weitere Besonderheit ist der Quartiers-Charakter: Von vier Straßen – drei Autostraßen und einem Geh- und Radweg – wird das Areal begrenzt.
„Neben Coworking-Flächen und Wohnen sind auch Kunst und Kultur teil des neuen Konzepts für das historische Clouth-Areal."
Wo liegen die Herausforderungen?
Zunächst galt es, den Wettbewerb um das Grundstück zu gewinnen. Dieser war nicht allein auf den höchsten Kaufpreis reduziert. Die Angebote wurden anhand des Kaufpreises, des investorenspezifischen Nutzungskonzepts sowie dessen Nachhaltigkeit bewertet. Unser Konzept mit Theater, Musical-Akademie und Kunst neben Wohnen und Coworking-/Start up-Flächen hat uns nach vorne gebracht.
Die zukünftige Herausforderung besteht darin, die geplanten Nutzungsarten architektonisch so miteinander zu verbinden, dass sie sich ergänzen und nicht einschränken. Sei es beispielsweise von bautechnischer Seite oder bei der Planung der inneren Erschließung. Der enorme Vorteil des Projekts liegt darin, dass wir auf dem 12.500 m² großen Grundstück gut gestalten können.
Welche neuen Aspekte an ein modernes Quartier erfüllt die Projektentwicklung?
Was macht Leben in Köln aus? Eine urbane Umgebung mit Restaurants, Theatern, Kneipen und viel Gemeinschaftsgefühl, würde ich sagen. Das alles können wir in diesem multifunktionalen Quartier abbilden. Wenn wir unser Konzept richtig umsetzen, können wir mitten in Köln einen lebendigen, urbanen Wohnraum für 350 bis 400 Menschen schaffen. Und es gelingt uns hoffentlich darüber hinaus, das Quartier mit dem Traditionsviertel Nippes zu verknüpfen. Offenheit heißt die Devise – der Ehrenhof wird rund um die Uhr zugänglich sein. Durch die Restaurants, diverse Veranstaltungsflächen, den Theatersaal und die Akademie wird im vorderen Bereich des Areals immer Betrieb herrschen. Trotz der geschlossenen Lage vermitteln wir Passanten das Gefühl, willkommen zu sein. Im hinteren Bereich als ruhigem Rückzugsort entstehen dann 140 Wohnungen.
Wie ist die Nachfrage strukturiert?
In Bezug auf Nippes hat unsere Bedarfsanalyse meine persönlichen Beobachtungen bestätigt: Das Viertel ist ein ausgesprochener Familienstandort. In den rund 1.200 Wohneinheiten des neuen Viertels leben alle, die das Urbane und Lebendige schätzen. Unser Wohnflächenmix von Ein- bis Fünfzimmerwohnungen ist auf familienorientierte Größen ausgerichtet. Ebenfalls auf Gemeinschaft bedacht sind die geförderten Wohnheimplätze in Zwei- und Dreizimmerwohnungen für Studierende. Nach wie vor ist Köln ein gefragter Unistandort. Insgesamt soll eine stabile soziale Durchmischung das Viertel prägen.
Und was schätzen Residential-Investoren an der Domstadt?
Auf der Suche nach stabilen Anlagen mit regelmäßigem Cashflow fällt der Blick der institutionellen Investoren unweigerlich auf den Wohnungsbau. Kölner Residential-Investoren wissen, dass sie in den nächsten Dekaden keine Vermietungsprobleme haben werden, denn die Nachfrage wird weiterhin das Angebot übersteigen. Ein schnelles „Kasse machen“ findet man in Köln weniger, ebenso wie internationale Investoren oder exklusive Wohnhochhäuser. Ganz selten liest man „teuerste Wohnung Kölns verkauft.“ Der Markt ist einfach gesünder.
Gibt es weitere zukunftsweisende Projekte Ihres Hauses?
Wir möchten in Mittelstädten Projekte in 1A-Lagen – entgegen dem Marktzyklus im Einzelhandelsbereich – entwickeln. Denn wir erwarten hier eine hohe Marktdynamik. Wir glauben, dass es sich lohnt, mit einem Projekt wie dem „Kaiser Carré“ in Siegburg Einzelhandelsflächen und Wohnen zu verbinden.
Autorin: Michaela Stemper
Copyright Bilder: © SiebersPartner GmbH & Co. KG
Dieser Artikel ist Teil der Reihe City Report Wohnimmobilien