Bit, Byte und Holz – die Bausteine des modernen Quartiers
Zwei Herzen schlagen in der Brust der Geschäftsführung Residential Investment, wenn es um die Wohnmarkttrends 2020 geht. Udo Cordts-Sanzenbacher (UCS) sieht klar die Chancen von nachhaltiger Holzbauweise. Sein Co-Head sieht die kommenden Trends eher in der Digitalisierung. Dennoch hinterfragt Christoph Meszelinsky (CM) kritisch, ob sich richtungsweisende Entwicklungen abzeichnen oder wir schnelllebigen Trends erliegen.
Im Gespräch mit Udo Cordts-Sanzenbacher und Christoph Meszelinsky sowie
- Dr. Chris Richter, Animus,
- Jan Pfeiffer, Klenk Holz,
- Christian Trunte, Klenk Holz,
- Andreas Lerge, Holzbaunetzwerk,
- Helmut Spiehs, binderholz.
Skizzieren Sie zum Einstieg doch bitte kurz die Lage am Wohnmarkt.
UCS: Die zunehmende Urbanisierung und die steigende Anzahl an Einpersonenhaushalten werden die Entwicklung im Wohnbau zukünftig bestimmen. Die Angebotsreserve in den Metropolen ist erschreckend gering. Von der Politik wird Wohnraum gefordert …
CM: … jedoch dauern die Genehmigungsprozesse einfach zu lange. Im Dialog mit Politik, Behörden und Investoren müssen wir künftig tragfähige Lösungen entwickeln.
Welche qualitativen Bedarfe sehen Sie?
UCS: Wir müssen das Immobilien-Angebot an den veränderten Nutzungsanforderungen wie etwa flexiblen Wohneinheiten oder Zusatzservices ausrichten.
CM: Mikro-Apartments bieten bereits Flexibilität. Digitale Lösungen bringen noch zusätzlichen Nutzen für Quartiere, aber auch für den Bewohner selbst. Auch wenn ich so manche Neuentwicklung mit Fragezeichen versehe.
Spielt Nachhaltigkeit dabei auch eine Rolle?
UCS: Mit CO2-neutralem Bauen und Nachhaltigkeit müssen sich alle auseinandersetzen: von der Projektentwicklung, über die Bauausführung bis hin zum Property Management.
CM: Aber das geht natürlich nicht ohne wirtschaftliche Abwägung. Sind Investoren etwa bereit, Mehrkosten für ein grünes Quartier zu tragen?
Lösungen, wie nachhaltiges Bauen funktionieren kann, gibt es viele – u. a. erlebt der Holzbau eine Renaissance.
Was können Kiefer, Fichte und Co.?
Lerge: Holz ist ein Baumaterial, das dem Zeitgeist hundertprozentig entspricht. Ein nachwachsender Rohstoff, der – aus nachhaltiger Waldwirtschaft entnommen – eine gute Alternative zu Beton bietet. Und im Vergleich eine Top-CO2-Bilanz aufweist.
Pfeiffer: Wenn ich ergänzen darf: Die Sorge vor einem Kahlschlag, um die Nachfrage zu befriedigen, ist unbegründet. Der deutsche Holzvorrat hat eine Höhe erreicht wie schon seit Jahrhunderten nicht mehr. Die Verwertung von den Wurzeln bis zur Krone nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip sorgt für einen nachhaltigen Kreislauf.
Welche Aspekte sprechen außerdem für Holz?
Lerge: Nach meiner Erfahrung erfreuen sich Mieter am verbesserten Wohnklima und an einem guten Gewissen. Fast so, als würde man sich ein E-Fahrzeug zulegen. Leuchtturmprojekte wie Dalston Lane in London zeigen, dass Holzbau auch anspruchsvollen Designvorstellungen gerecht werden kann.
Pfeiffer: Vom Carport bis zum ganzen Quartier ist alles möglich. Wenn Sie es aus dem Blickwinkel des Projektentwicklers betrachten, spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Durch eine längere Planungsphase verringert sich die Bauzeit auf etwa ein Drittel. Architekt, Ingenieur, Holzbauer und auch TGA-Planer arbeiten ab Beginn an einer Lösung, die dann finalisiert werden muss. Spontane bauseitige Änderungen sind tabu, dadurch entsteht hohe Planungssicherheit im Bauablauf. Eindrucksvoll ist dies in Berlin in Weißensee oder der Lynarstraße gelungen: Vergleichbare Wohnbauprojekte benötigen ein Jahr länger. Eng wird es immer dann, wenn die Landesbauordnung nicht für Holz ausgelegt ist – kein Problem in Berlin.
Trunte: Zugegeben, die Baukosten liegen im Schnitt über denen des Betonbaus. Aber die Praxis zeigt: Die Prozesse auf der Baustelle laufen einfach reibungsloser, dies führt zur Planeinhaltung. Außerdem vergrößert sich im Holzbau die vermietbare Fläche. Die höheren Kosten in der Planungsphase amortisieren sich schnell durch Planungssicherheit, kürzere Bauphase und frühere Nutzung.
CM: Und einige institutionelle Investoren signalisieren bereits die Bereitschaft, diese Mehrkosten zu tragen, um nach ESG-Kriterien zu investieren. Ökologische Verantwortung und Rendite schließen sich nicht zwangsläufig aus.
Der alte Werkstoff kann also eine Lösung für nachhaltiges Bauen sein. Und wo spielt die Zukunftsmusik?
Spiehs: Auch wir bleiben nicht mit dem Zimmermannshammer in der Hand stehen. Die Industrialisierung der Branche hat begonnen. Auf der binderholz-Plattform b_solution wird vom Angebot bis zum fertigen Objekt alles digital durchgeplant. Die hochindustrialisierten Systemkomponenten ermöglichen effizientes Bauen. Durch Robotic können wir schon heute einen Output von 1.500 Wohneinheiten pro Jahr liefern.
Dr. Richter: Aber Digitalisierung bedeutet mehr als nur Robotic, denn sie kann in Quartieren beispielsweise das Grundbedürfnis nach Gemeinschaft erfüllen. Wenn Nachbarschaft neu entsteht, wollen sich alle kennenlernen – neudeutsch vernetzen. Mit der Animus-App etwa schaffen wir quasi ein digitales Dorf. „Wohnen“ ist dabei der Anker.
Handelt es sich nicht nur um ein nettes Gadget?
Dr. Richter: Definitiv nicht. Die Anwendung nutzt vor allem der Verwaltung. Prozesse werden verschlankt, Ressourcen und Kosten gespart. Nach unseren Erfahrungen steigt die Mieterbindung. Sind Mieter zufriedener, führt das auch zum ökonomischen Erfolg.
Wohin führt die Digitalisierung?
Dr. Richter: Bei Animus zu den wohnungsnahen Dienstleistungen. Mein Favorit ist ein Postbox-Service, der etwa die Flut der Amazon-Pakete annimmt. Aber, eine App ist noch keine Digitalisierung. Sie funktioniert schon sehr gut im Bereich Transaction. M& A hingegen bleibt People‘s Business. Und das Building Information Modeling (BIM) steckt noch in den Kinderschuhen – hier sehe ich jedoch die Zukunft.
„Unsere Kunden erwarten ebendiesen Weitblick für die Immobilienwelt von morgen. Dazu gehört auch, etwas zu wagen“, erklärt Cordts-Sanzenbacher abschließend.
Sein Co-Head ergänzt: „Aber nicht, ohne angemessen abzuwägen.“ Das alte kaufmännische Prinzip aus „wagen und wägen“ bildet letztendlich eine solide Basis für die Investmententscheidungen ihrer Kunden.