[ESSEN] FOKUSSIERT: VERWANDLUNG VON GRAU ZU GRÜN
Das Gesicht der Stadt Essen wandelt sich: Wo einst graue Industriebrachen vorherrschten, hält das Leben Einzug. Mit ESSEN 51. entsteht mehr als ein lebendiges, urbanes Quartier. Der Projektentwickler und Bestandshalter Christoph Thelen zeigt auf, welches Potenzial im unterschätzten Norden Essens steckt.
Beginnen wir mit dem Blick auf das große Ganze. Was ist Ihrer Meinung nach typisch für die Stadtentwicklung Essens?
Die Stadtentwicklung bietet gerade nördlich in Essen viel Potenzial. Weithin bekannt ist das typische Nord-Süd-Gefälle des Ruhrgebiets, welches auch die Stadt Essen charakterisiert. Das heißt, dass der Norden aus sozioökonomischer Perspektive gegenüber dem Süden abfällt. Das ist historisch bedingt und auf den Bergbau und dem damit verbundenen Strukturwandel zurückzuführen. So wundert es nicht, dass das Krupp-Areal sich nordwärts der Stadt befindet. Eine 260 Hektar große industrielle Brachfläche, die die nördlichen Stadtteile prägte: immer ein wenig grau. Es fand keine Entwicklung statt, galt planerisch fast als verbotene Zone. Die Stadt bemüht sich seit vielen Jahren, die Nachbarschaft zu stärken und hat bspw. mit dem Krupp-Park erste Leuchtturmprojekte setzen können. Nun ist es an uns, das Gesicht des Nordens neu zu prägen und mit ESSEN 51. 52 Hektar des Krupp-Parks rund um den Förderturm der Zeche Amalie mit Leben zu füllen. Auf dieser Brache entwickeln wir den 51. Stadtteil der Stadt Essen.
Sehen Sie einen besonderen Bedarf in Essen? Funktioniert die Ruhrmetropole anders als andere A-Städte?
In Essen und der Metropolregion Rhein-Ruhr ist der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum gestiegen – viele öffentlich geförderte Wohnungen sind aus der Bindung gefallen. Wie überall in der Republik wurde auch hier die Entwicklung wirtschaftlich lukrativer Eigentumswohnungen in den letzten Jahren stark vorangetrieben. Verbindliche Regelungen seitens der Kommunen für Investoren zur Förderung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus helfen uns als langfristig agierendem Akteur am Markt natürlich sehr. Die Stadt Essen agiert hier mit einer 30-prozentigen Förderquote. Diese soll dabei helfen, das Nord-Süd-Gefälle mit adäquaten Instrumenten zu adressieren. Die Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen ist für uns dabei von großer Bedeutung. Im Städtevergleich von Essen und Düsseldorf muss ein Entwickler beispielsweise mit unterschiedlichen Grundstückspreisen bei gleichen Baukosten und Mieten kalkulieren. Die Förderkonditionen des Landes mit den unterschiedlichen Mietenstufen helfen hierbei ein Stück, diese Differenz auszugleichen und auch das Segment des Mietwohnungsmarktes attraktiv entwickeln zu können. Aus unserer Sicht ist es dabei entscheidend, ob ein Investor nur kurzfristige renditeorientierte Interessen vertritt oder langfristig für seine Bestände Verantwortung übernimmt. Für die Stabilität in Wohnquartieren ist letzteres natürlich von zentraler Bedeutung. Ein solches Engagement noch stärker zu fördern, wäre sicherlich ein weiteres wichtiges Signal für den öffentlich geförderten Wohnungsbau.
Was sind aus Sicht eines Entwicklers interessante Stadtteile?
Wir bevorzugen definitiv Stadtteile, die uns als Projektentwickler Handlungsspielraum geben. Da ist der Essener Norden sehr interessant. Der Süden ist bereits heute sehr teuer und Entwicklungsflächen sind rar. Aber die nördlichen Stadtteile bieten schlichtweg noch viele Entwicklungspotenziale, vor allem im Mietwohnbau. Das beginnt unmittelbar ab dem nördlichen Stadtzentrum. Wer nordwärts entwickelt, sollte immer im Hinblick auf das Thema Nachbarschaft agieren. Ein neues Projekt muss mit den umliegenden Stadtteilen gemeinsam geplant und entwickelt werden, um die vielgerühmte „Verbundenheit im Pott“ zu stärken und Konfliktpotenzial von Anfang an auszuräumen.
„Die grüne Mitte“ Essens hat sich gut entwickelt und ist heute der städtebauliche Brückenschlag zwischen Innenstadt und Universität.
Welche Projekte haben in der letzten Zeit maßgeblich die Stadtentwicklung beeinflusst?
Die harte Nord-Süd-Teilung der Stadt wurde durch das Universitätsviertel auf dem ehemaligen Areal der Krupp-Stadt, wo früher Großmarkt und Güterbahnhof waren, aufgeweicht. „Die grüne Mitte“ Essens hat sich gut entwickelt und ist heute der städtebauliche Brückenschlag zwischen Innenstadt und Universität. Hier wurde 2019 auch die Zentrale der Funke Mediengruppe eröffnet. Vor allem der breite Wohnungsmix und die blau-grüne Infrastruktur zeichnen das neue Stadtquartier aus und machen es zu einem urbanen Standort mit hoher Wohnqualität. Eine Vorzeigeentwicklung, die eindrucksvoll dokumentiert, wie sich das Gesicht der Stadt von Grau zu Grün verwandelt.
Jetzt geht es weiter im Norden: Was ist das Besondere an Ihrer Projektentwicklung ESSEN 51.?
Wir haben mit ESSEN 51. ein Umdenken unsererseits erlebt: Mit dem Projekt sind wir zu einem Unternehmen geworden, das ganze Stadtteile entwickelt. Damit ist eine große Verantwortung verbunden, Verantwortung die wir gerne übernehmen möchten! Unser Ziel ist es, mit ESSEN 51. einen urbanen, lebenswerten, grünen und gleichzeitig resilienten Stadtteil zu entwickeln, der Raum für Wohnen, Arbeiten, Kultur, Freizeit, Bildung und vieles mehr birgt. Dabei stehen für uns die zentralen Zukunftsfragen im Fokus: Wie können wir bei der Quartiersentwicklung den CO2-Bedarf auf ein Minimum senken? Was sind zukunftsweisende Energie- und Mobilitätskonzepte und wie sind die rund 1.500 Wohnungen zu gestalten, die für mehr als 3.500 Menschen eine neue Heimat werden? Und welche Folgen hat die Corona-Pandemie auf unsere städtebaulichen Leitbilder? Das verstehen wir als gesellschaftliche Aufgabe. Also sollten wir mit ESSEN 51. Weitblick beweisen. Das stellt uns natürlich auch vor Herausforderungen. Aber am Ende sind es genau diese Fragestellungen, auf die wir gute, intelligente Antworten geben wollen. Denn mehrere tausend Menschen werden über Jahrzehnte in diesem Quartier leben, wohnen und arbeiten.
Wo liegen weitere Herausforderungen?
Das Wichtigste für uns ist die nachbarschaftliche Verbindung zu den umliegenden Stadtteilen. „Stuttgart 21“ hat uns eindrücklich vor Augen geführt, wie wichtig ernst gemeinte und gut gemachte Partizipation ist – das hat in der Stadtentwicklungspolitik zu einem Umdenken geführt. Von Anfang an arbeiten wir deshalb in engem Diskurs mit allen Beteiligten zusammen, um einen Konsens zu finden. Dabei sind wir auf einem guten Weg, denn bislang erfahren wir sehr viel positive Unterstützung für unser Zukunftsprojekt. Und unsere Ziele sind klar: Wir wollen bezahlbaren Wohnraum schaffen, einen wichtigen Brückenschlag zwischen Nord und Süd setzen und dem Brachland ein neues, grünes Gesicht geben.
Wir antizipieren die Bedarfe von morgen – mit den Auflagen von heute. Das erfordert die Bereitschaft und den Mut aller Beteiligten.
Wie ist die Nachfrage strukturiert? Geht der Trend zur Miete oder zu Eigentumswohnungen?
Bei der Nachfrage im Essener Norden steht das Thema Miete im Vordergrund. Wir verstehen uns in diesem Zusammenhang als langfristiger Bestandshalter unserer Mietwohnungen. Aber bei einem solchen Projektumfang macht es keinen Sinn, ausschließlich auf Mietwohnungen zu setzen. Um ein gemischtes, urbanes Quartier zu entwickeln, braucht es auch Wohnungseigentümer, die zumeist eine höhere Wohndauer in ihren eigenen Beständen mitbringen und somit für Stabilität und Kontinuität in der Nachbarschaft sorgen. Auch achten wir auf einen ausgewogenen Wohnungsmix, um eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen: Singles, Studierende, Senioren, Familien, Jung und Alt – genau dieser Mix macht doch Urbanität aus!
… wie spiegelt sich das in der Mietpreisentwicklung wieder?
Eine spannende Fragestellung: Sicherlich konkurriert jede neue Wohnung zunächst mit dem Bestand. Und natürlich wollen wir ein zukunftsweisendes Quartier entwickeln, das auch die Bedarfe seiner Nachbarschaft aufnimmt. Bezahlbarkeit spielt daher für uns eine große Rolle. Wir bieten für anspruchsvolle Mieter und Eigentümer selbstverständlich auch die nötigen Extras, wie Smart Home-Komponenten, optional an. So ergibt sich eine gute Durchmischung. Wir hoffen, mit dem Projekt wichtige Impulse für den Essener Norden mit Sogwirkung zu erzeugen. Es ist erwiesen, dass die Zahlungsbereitschaft nicht mehr von der eigentlichen Wohnung, sondern vor allem durch das Wohnquartier und seine Qualitäten bestimmt wird.
Und was schätzen Residential-Investoren an Essen?
Geschätzt wird die positive Entwicklung der letzten Jahre. Dazu gehört auch der Mut der Städte und Ämter, Zukunftsentwicklungen voranzutreiben. Das Essener Univiertel oder der Dortmunder Phönixsee haben Strahlwirkung über die Stadtgrenzen hinaus. Die Nachfrage nach Wohnraum durch den Zuzug in Essen und Dortmund lässt sich also gut in die Zukunft fortschreiben.
Gibt es weitere spannende Projekte der Thelen Gruppe?
Große und zukunftsweisende Projekte wie ESSEN 51., aber auch unser Projekt SMART RHINO in Dortmund zeigen das Transformationspotenzial in der Metropole Ruhr. So wollen wir mit SMART RHINO den Zukunftsstandort für die Fachhochschule Dortmund entwickeln und hier das Thema der wissensorientierten Stadtentwicklung maßgeblich vorantreiben. Der neue Bildungscampus soll Wohn- und Arbeitsort für 35.000 Menschen werden. Rund 1.400 Wohnungen werden hier in den nächsten 10 Jahren entstehen. Die Erfahrungen aus ESSEN 51. sind für uns wichtig und wir freuen uns wiederum, einem ehemaligen Industrieareal, der Hoesch Spundwand und Profil GmbH, ebenfalls ein neues Gesicht zu geben.
Autorin: Michaela Stemper
Foto / Visualisierungen: Thelen Gruppe
Dieser Artikel ist Teil der Reihe City Report Wohnimmobilien