[STUTTGART] FOKUSSIERT: ZWISCHEN ENGE UND FREIHEIT
Auf der Halbhöhe des Killesbergs erkennt man auf einen Blick, was den Stuttgarter Immobilienmarkt ausmacht: Grüner Stadtrand trifft auf eingekesselte City. Gemeinsam mit den Experten des Projektentwicklers Instone haben wir uns auf die Suche nach Chancen innerhalb und außerhalb der Metropole gemacht.
Beginnen wir mit dem Blick auf das große Ganze. Was ist Ihrer Meinung nach typisch für die Stadtentwicklung in Stuttgart?
Bianca Reinhardt Weith: Die Topografie Stuttgarts, eine limitierte Kessellage, gibt die Rahmenbedingungen für das Bauen in der Stadt vor. Weil die Blickachsen von den Randlagen in den Kessel bewahrt werden sollen, werden Sie hier keine Hochhäuser finden. Eine charakteristische Skyline fehlt, dafür werden die Stuttgarter mit einem freien Blick von der Halbhöhe entlohnt. Ein weiteres Phänomen schließt sich an: Durch die ca. 300 Meter Höhenunterschied zwischen der City und den Randlagen erfolgt ein Luftaustausch über Frischluftschneisen durch die für Stuttgart typischen Berg- und Talwindsysteme. Diese Frischluftschneisen müssen städtebaulich berücksichtigt werden.
Thomas Knapp: Das Stadtgebiet ist vergleichsweise klein und weist nur wenig Brachflächen wie ehemalige Kasernen oder Industriegelände auf. Diese Baugrundstücke fehlen und limitieren das Angebot. Zusätzlich bestehen rund 50 Prozent des äußeren Stadtgebietes aus Grünflächen und Ackerland. Die Stadt tut sich hier schwer, Neubaugebiete zu entwickeln, um den grünen Charakter nicht zu verlieren. Innenentwicklung geht den Stadtvätern grundsätzlich vor Außenentwicklung. Leider ist die „Innen“-Priorität schwer umsetzbar. Zum einen, weil eben diese Brachen fehlen. Zum anderen, weil eine Nachverdichtung in der Höhe selten möglich ist. Zudem sind Stuttgarts alte Baustaffeln planungsrechtlich schwer mit den Anforderungen der Entwicklung moderner Stadtquartiere zu vereinbaren. Das klingt jetzt nach vielen Hürden, aber wir sind mit Leib und Seele Stuttgarter und stellen uns diesen Herausforderungen gerne.
Sehen Sie einen besonderen Bedarf in Stuttgart?
Reinhardt Weith: Das limitierte Angebot trifft auf eine hohe Nachfrage durch das prosperierende Gewerbe im Großraum und die attraktiven Lebensräume, die die Region bietet. Nach wie vor verzeichnet die Stadt steigende Zuzüge. Gesucht wird bezahlbarer Wohnraum – kompakte Wohnungen zu einem erschwinglichen Absolutpreis. Dieser Nachfrageüberhang erschwert es Familien oder Immobilieneinsteigern, eine geeignete Wohnimmobilie zu finden. Da Bauland knapp und Bauen in der Stadt teuer ist, ist es umgekehrt auch für Entwickler nicht leicht, günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Funktioniert die Hauptstadt Baden-Württembergs anders als andere A-Städte?
Reinhardt Weith: Stuttgart hat ein attraktives Umland, bedingt durch starke Arbeitgeber. Entlang des S-Bahn-Netzes existieren Lagen, die genau aus diesem Grund zum Wunschwohnstandort werden. Das Wachstum am Rand resultiert nicht nur aus der Enge der City, sondern entsteht auch durch die Zugkraft der Peripherie.
Welche Projekte haben in der letzten Zeit maßgeblich die Stadtentwicklung beeinflusst?
Knapp: In jedem Fall Stuttgart 21. Ein Projekt, das viele Bauflächen, insbesondere Brachen, freigesetzt hat. Das Bauvorhaben hat zu wertvollen Stadtbausteinen wie dem MILANEO oder der Bibliothek beigetragen, aber auch die Sensibilität der Bürger in Bezug auf Großprojekte offenbart.
Reinhardt Weith: Der Neckarpark in Bad Cannstatt ist mit 22 Hektar eine der wenigen großen Entwicklungsflächen. Neben dem Wasen wird perspektivisch Raum für bezahlbares Wohnen geschaffen, auch für sozialen Wohnbau. Hier lassen sich Entwicklungskonzepte ausprobieren, wie beispielsweise Schallschutzlösungen für mehr Wohnqualität. Gut durchdachte Quartiere sind wichtig. Ich denke nicht zuletzt an den Pragsattel.
Hier sind Sie mit dem Projekt „Wohnen im Theaterviertel“ stark involviert …
Reinhardt Weith: Der Schulterschluss zwischen Pragsattel und dem Killesbergpark – eine weithin bekannte, wunderbare Lage – ist durch die Stadtentwicklung „City Prag“ spürbar gelungen. Die Fläche, auf der nun Wohnraum entstanden ist, war ein ehemaliger Produktionsstandort mit Lagerhallen – eine Rarität in städtischer Lage. Im Umfeld waren zuvor Gewerbe, Hotels, Büros und Dienstleister angesiedelt. Den ersten Impuls gaben kulturelle Stadtbausteine wie das Theaterhaus und das Varieté. Beides beflügelte das Areal. Es gibt städtebaulich nach der reinen Lehre nichts Besseres, als zunächst einen kulturellen Mittelpunkt zu schaffen. Die Nähe zu Kunst und Kultur ist sicherlich eine der Besonderheiten des Projekts.
Der Schulterschluss zwischen Pragsattel und dem Killesbergpark – eine weithin bekannte, wunderbare Lage – ist durch die Stadtentwicklung „City Prag“ spürbar gelungen.
Und wo liegen Herausforderungen?
Reinhardt Weith: Alles hat zwei Seiten: Die Logistik des Theaterhauses geht nicht geräuschlos vonstatten. Ein entsprechender Schallschutz war planerisch gefordert. Unter anderem durch geschickte Grundrissgestaltung und spezielle Fenster konnte dies gelöst werden.
Wir bedauern beim „Wohnen im Theaterviertel“, dass wir nicht mehr Wohnraum – gerne auch Sozialwohnungen – im Austausch zu Büroflächen schaffen konnten. Aber gemäß altem Bebauungsplan aus den 90er Jahren waren gewerbliche Nutzungen vorgeschrieben. Wir entwickeln deshalb auf 1.130 qm eine große Kita und zusätzlich 2.830 qm Büroflächen.
Knapp: Ein neuer Bebauungsplan hätte mit einem Mobilitätskonzept beispielsweise auch zu weniger Stellplätzen geführt. So mussten zwei Tiefgaragengeschosse gebaut werden. Das macht ein Quartier weder einfacher noch günstiger. Zumal ein darunterliegender ICE-Tunnel eine Schall- und Erschütterungsentkopplung notwendig machte.
Welche neuen Aspekte eines modernen Quartiers erfüllt die Projektentwicklung?
Reinhardt Weith: Als das Gebäude in die Höhe wuchs und wir vor dem Rohbau standen, wusste ich: Es hat fünf Jahre Vorarbeit gekostet, die sich aber wirklich gelohnt hat. Unser Quartier verbindet Wohnen, Arbeiten und Leben durch 250 Mietwohnungen, eine große Bürofläche und eine Kita für 80 Kinder. Diesen Dreiklang in der Enge des innerstädtischen Raums konnten wir intelligent kombinieren, um Synergien zu nutzen. Beispielsweise profitieren alle von kurzen Wegen. Gemeinschaftliche Innenhöfe, private wie halbprivate Flächen, aber auch die öffentliche Durchquerung zum Killesberg machen das Quartier individuell nutzbar und gleichzeitig lebendig. Eben weil so viele Bausteine berücksichtigt werden müssen, besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen einer Immobilien- und einer Quartiersentwicklung.
Wir möchten den Blickwinkel mit Ihrer Hilfe erweitern. Was ist im Einzugsgebiet interessant?
Knapp: Kurz gefasst: Alles, was das ÖPNV-Netz abdeckt, ist interessant. Stimmt die Anbindung, lassen sich Projekte im Radius von 50 Kilometern entwickeln. Gleiches gilt, wenn eine gute Zugverbindung an ein Mittelzentrum wie Heilbronn oder Ulm gegeben ist. Das Stuttgarter Umland besitzt eine hohe Lebens- und Wohnqualität.
… wie spiegelt sich das in der Preisentwicklung wider?
Reinhardt Weith: Das Preisniveau fällt aufgrund der Zugkraft des starken Umlandes nicht so ab wie in anderen A-Städten. Beispielsweise entscheiden sich Käufer in Herrenberg bewusst für den Wohnstandort aufgrund der Lebensqualität und der Nähe zu großen Arbeitgebern.
Kennen Sie konkrete Projekte?
Reinhardt Weith: In Herrenberg realisieren wir aktuell das „Quartier an der Schwarzwaldstraße“. Dort entsteht Wohnraum mit unterschiedlichem Charakter: Townhäuser, Reihenhäuser und Eigentumswohnungen, aber auch ein Anteil an geförderten Wohnungen. Wir veräußern die sozial gebundenen Mietwohnungen wiederum an private Kapitalanleger – eine gute Lösung für die Altersvorsorge.
Knapp: Auch interessant, das S‘LEDERER in Schorndorf. Durch die Konversion einer Gerbereifläche konnten 228 Wohnungen geschaffen werden. Aufgrund des großen Nachfrageüberhangs an Mietwohnungen vor Ort wurde das gesamte Quartier an einen langfristigen Bestandshalter veräußert und dem Mietmarkt zugeführt. Gerade Pendler werden diese Wohnungen nutzen, da sie direkt am Bahnhof liegen.
Stabil, solide und zuverlässig, diese Eigenschaften charakterisieren den Markt.
Sie sprachen das Thema Kapitalanlage an. Was schätzen Residential-Investoren an der schwäbischen Metropole?
Reinhardt Weith: Stabil, solide und zuverlässig, diese Eigenschaften charakterisieren den Markt. Dies bedeutet weniger Risiko und dadurch eine geringere Volatilität in der langfristigen Cashflow-Betrachtung. Unter Renditegesichtspunkten stellt sich die Frage: Wenn Verkaufspreise steigen, wie schnell steigen die Mieterträge? Da sollte keine Schere aufgehen. Das Mietniveau in Stuttgart und Umgebung zieht schnell nach.
Eine Frage zu guter Letzt: Gibt es weitere Projekte, die dem Wohnmarkt neue Impulse geben?
Reinhardt Weith: Das Neckar.Au Viertel in Rottenburg liegt im Einzugsgebiet von Stuttgart und Tübingen. Die Universitätsstadt besitzt ihrerseits eine eigene Zugkraft und garantiert eine starke Nachfrage. Auf einem ehemaligen DHL-Gelände entwickeln wir in fünf Bauabschnitten etwa 350 bis 400 Wohnungen. Im ersten Bauabschnitt haben wir 66 Wohnungen binnen 6 Monaten fast vollständig an private Kapitalanleger und Eigennutzer verkauft. Jeder Bauabschnitt wird ein modernes Quartier für sich sein. Zusammen ergeben sie ein einen kleinen Stadtteil. Die weitläufige Fläche ist aus Entwicklersicht wie eine weiße Leinwand, die wir frei gestalten und auf der wir moderne Quartierskonzepte umsetzen können.
Autorin: Michaela Stemper
Fotos / Visualisierungen: Instone Real Estate
Dieser Artikel ist Teil der Reihe City Report Wohnimmobilien