Digitalisierung Einzelhandel

RETAIL UND DER LOCKDOWN – DIGITALISIERUNG IM FOKUS?

Der Handel hatte schon vor der Corona-Krise mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, jetzt hat sich die Lage für einzelne Segmente des Retailmarkts weiter verschärft. Kann die Digitalisierung hier Abhilfe schaffen? Zum Gespräch am Runden Tisch trafen sich die Retail-Experten von BNP Paribas Real Estate, Claudia Reischl, Olga Sieczewicz und Daniel Schuh. Sie berichten über den Status-Quo und die Zukunftspläne der Textil- und Lebensmittelhändler sowie der Gastronomen.

Claudia Reischl
Claudia Reischl
Director Retail Advisory

Stichwort Digitalisierung: Können Sie zunächst den Status-Quo auf dem Retailmarkt aufzeigen?

[Claudia Reischl: Im Textilhandel kommen verschiedene digitale Technologien zum Einsatz. Natürlich wird hier stark auf Social Media gesetzt, vor allem auf Instagram und Influencer, die die potenziellen Kunden in einen Store locken oder Produkte vorstellen. Zudem gewinnen virtuelle Warenpräsentationen mehr an Bedeutung. Die Funktion der Augmented Reality – die Verknüpfung von virtueller und realer Welt – kommt in vielen Läden neu hinzu. Hier wird Kunden das Produkt direkt im Laden virtuell vorgestellt, um die Kaufentscheidung zu erleichtern. Auch Lieferroboter und Drohnen werden vermehrt weltweit im Einzelhandel getestet.]

[Daniel Schuh: Im Gegensatz zum Textilhandel sind die Food-Retailer aus Kundensicht nicht so stark digitalisiert. Gerade im Laden vor Ort ist für Kunden von der Digitalisierung kaum etwas zu sehen. Natürlich haben viele Lebensmittelhändler mittlerweile einen Online-Shop für ihre Non-Food-Produkte, und auch im Bereich Social Media sind die Food-Retailer sehr aktiv. Nur im Versand von Lebensmitteln sind noch nicht alle Betreiber aktiv. Hier haben Rewe und Amazon Fresh mit Ihren Delivery-Konzepten sicherlich eine Vorreiterrolle.]

Rewe App

REWE ONLINE – von der Bestell-App über Einkaufslisten bis hin zu leckeren Rezeptvorschlägen und exklusiven Online-Produkten.

Olga Sieczewicz
Olga Sieczewicz
Senior Consultant National Retail Advisory sowie F&B Specialist

Das ist ja schon Einiges. Wie sieht das in der Gastronomie aus?

[Olga Sieczewicz: Auch hier tut sich eine Menge. Als erstes fällt mir da der digitale Bestellvorgang zwischen Gast und Restaurant sowie zwischen Restaurant und Lieferant ein. Außerdem ermöglichen digitalisierte Waren- und Küchenplanung, dass Abfälle reduziert und der Ertrag optimiert werden kann. Natürlich wird aber auch in der Gastronomie vermehrt auf die sozialen Medien gesetzt. Wobei auch Service Apps und solche für Tischreservierungen immer mehr an Bedeutung gewinnen.]

Gibt es eine Service App, die Sie für besonders gut gelungen halten, Frau Sieczewicz?

[Olga Sieczewicz: Die Restaurantkette „The Ash“ des Bonner Unternehmens Apeiron macht das schon recht gut. Die App des Steak House-Anbieters liefert dem Gast nicht nur Informationen zu allen Restaurants der Kette, sondern ermöglicht Tischbuchungen, Bestellungen sowie ein Abhol- und Liefersystem. Auch Subway wäre hierbei positiv hervorzuheben. Der Systemgastronom hat seine Subcard mit Hilfe einer App abgelöst. Gäste sammeln via App bei jedem Kauf Punkte, die sie gegen Gratis-Produkte eintauschen können. Neben exklusiven Inhalten gibt es außerdem Sonderangebote, Neuigkeiten und Coupons zum Sparen sowie ein Online-Bestell-Tool.]

The Ash App

Gerade in der heutigen Zeit mit all ihren Herausforderungen spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle, um „nah am Gast“ und transparent zu sein. Darüber hinaus möchten wir unsere Gäste stets mit aktuellen News versorgen, es ihnen so leicht wie möglich machen, das Restaurant in ihrer Nähe zu finden, einen Tisch zu reservieren oder auch auf die Möglichkeit der Lieferung oder des Curbside Pick Up zurückzugreifen. 

Kent Hahne
Kent Hahne
CEO & Founder, apeiron restaurant & retail management GmbH

Gibt es sonstige Best Practices aus dem Einzelhandel?

[Claudia Reischl: Seit drei oder vier Jahren gibt es immer mehr Shops, die durch gewisse Aktionen versuchen, die Kunden wieder zu sich in den Laden zu locken, um ihnen ein unvergessliches Einkaufserlebnis zu bieten. Die Aufenthaltsqualität wird in vielen Beispielen durch coffee shops oder ähnliches erhöht. Doch die große Sensation fehlt noch auf dem deutschen Retailmarkt. Vielleicht könnte man den bonprix Store in Hamburg an dieser Stelle nennen, hier wird via App ein digitales Einkaufserlebnis im Laden geboten, von der Suche bis hin zum Bezahlvorgang via PayPal.]

bonprix Fashion Store Hamburg

LERNENDER STORE – das Einkaufskonzept des bonprix Fashion Connect Stores wird ständig optimiert, Kunden liefern durch kontinuierliches Feedback wichtige Erkenntnisse über den Einzelhandel der Zukunft.

Daniel Schuh
Daniel Schuh
Head of National Retail Investment-Team
Transaction

Wird Corona den Druck zur Digitalisierung erhöhen oder werden momentan andere Prioritäten gesetzt?

[Daniel Schuh: Food-Retailer spüren auch trotz Corona keinen unmittelbaren Druck, noch stärker zu digitalisieren, um Kundenerlebnisse zu verbessern. Die Geschäfte waren ja auch in Corona Zeiten offen, mit sehr guten Umsätzen. Zwar wurden während des Lockdowns im Frühjahr mehr Lebensmittel online eingekauft, aber eher in Ballungszentren, da nur dort Delivery-Angebote zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass in Deutschland flächendeckend Drogerien und Lebensmittelmärkte vorhanden sind, sodass der Einkauf im Laden immer noch schneller und einfacher ist, als sich beispielweise Waren nach Hause liefern zu lassen.]

[Claudia Reischl: Nur, wer weiterhin Einkaufserlebnisse schafft und die Verknüpfung von Online und Offline beherrscht, wird sich in der Krise positiv hervorheben, daher muss der Einzelhandel auf die Digitalisierung setzen. Wobei online nicht in Konkurrenz zu offline stehen muss, sondern am besten die perfekte Ergänzung bieten sollte. Generell wollen und sollen die Einzelhändler mehr in digitale Technologien wie Big Data oder die sozialen Medien investieren, damit die Kunden wieder einen Grund mehr haben, in den Flagship Store zu gehen. Denn einen Vorteil hat der Handel gegenüber dem Netz: Die Produkte sind greif- und fühlbar. Und diese Stärke muss ausgenutzt werden.]

Werden auch die Gastronomen weiter auf die digitale Transformation setzen?

[Olga Sieczewicz: Die Krise hat nochmal verstärkt gezeigt, dass diejenigen, die in Sachen Digitalisierung nicht geschlafen haben, klar im Vorteil sind. Spätestens jetzt ist jedem Gastronom die Wichtigkeit der Digitalisierung bewusst. Es wird viel in die Transformation gesetzt, und das Thema hat hohe Priorität. Auch durch das stark wachsende Delivery- und Take-Out-Segment der Gastronomie wird dieser Trend verstärkt. Hier laufen ja ohnehin schon alle Prozesse online und mobil. Die Möglichkeiten und Benutzerfreundlichkeit werden dabei weiter ausgebaut.]

Change Magazin 03

Dieser Artikel ist Teil des Change Magazins 03

[Change] Magazin: Erfahren Sie mehr über die dritte Ausgabe 

Marina Vogt
Marina Vogt
Senior Content Marketing Specialist

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