Green Building

DEFINITION DER GREEN-BUILDING-ZERTIFIZIERUNGSSYSTEME

Der einfachste Weg, ein wirklich nachhaltiges Gebäude zu erkennen, ist nicht etwa eine grüne Fassade, sondern ein offizielles Zertifikat. Es haben sich weltweit verschiedene Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude etabliert. International gibt es über 40 verschiedene Zertifikate – die bekanntesten in Europa sind BREEAM, DGNB, LEED und HQE, wobei letzteres hauptsächlich in Frankreich angewandt wird.

Wir haben unseren Experten Hermann Horster, Head of Sustainability bei BNPPRE, befragt, was hinter den bekanntesten Nachhaltigkeits-Zertifizierungssystemen steckt und alle Fakten für Sie zusammengefasst.

Mit der Gesetzgebung der EU ist ESG von Nice-to-have zu einem Must-have geworden.

Hermann Horster
Hermann Horster
Head of Sustainability

Die bekanntesten Green-Building-Zertifizierungssysteme im Überblick

1.

BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) wurde 1990 in Großbritannien entwickelt und ist damit das älteste System. Aufgrund einer sehr hohen Anzahl an Zertifikaten ist es insbesondere in Großbritannien das am weitesten verbreitete Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen. Die Bewertung nach BREEAM folgt einem einfachen Punktesystem, das auf die unten angegebenen Kriterien zur Bestimmung der Nachhaltigkeit angewandt wird.

BREEAM-Kriterien zur Bestimmung der Nachhaltigkeit eines Gebäudes

  • Energie- und Wasserverbrauch
  • Gesundheit
  • Management
  • Materialien
  • Ökologie
  • Transport
  • Verschmutzung

Wo findet BREEAM in Deutschland Anwendung?

In Deutschland spielt BREEAM bei Neubauten praktisch keine Rolle. Sehr beliebt ist hingegen das BREEAM-Bestandszertifikat. Das Zertifikat BREEAM DE Bestand (ehemals BREEAM in use) erfordert keinerlei Sanierungen / Optimierungen des Gebäudes – es analysiert nur den Status quo des Gebäudes in einem sehr begrenzten Umfang. Es können einzelne oder insgesamt drei Module analysiert und bewertet werden: das Gebäude, der Betrieb und / oder der / die Nutzer:in. Die Gebühr ist zudem überschaubar. Das Zertifikat ist also günstig und relativ einfach zu erwerben.

2.

LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) baut auf BREEAM auf und wurde 1998 in den USA entwickelt. Auch dieses Zertifizierungssystem funktioniert über eine einfache Punktevergabe für die jeweiligen Kriterien, die darüber entscheiden, ob das Gebäude als Green Building klassifiziert werden kann. Neben LEED als Basiszertifikat gibt es auch die Bewertungsstufen Platin, Gold und Silber.

 

LEED-Kriterien zur Bestimmung der Nachhaltigkeit eines Gebäudes

  • Energie
  • Grund und Boden
  • Innenraumqualität
  • Innovation und Design
  • Ressourcen
  • Wassereffizienz

Wo findet LEED in Deutschland Anwendung?

LEED wird überwiegend von Projektentwicklern für zu vermietende Neubau-Bürogebäude im CBD (Central Business District) der A-Standorte angestrebt. Dabei steht die Erwartung im Vordergrund, dass das US-amerikanische LEED-Zertifikat internationale Investor:innen und Mieter:innen anspricht. Eigennutzer:innen wenden es kaum an. Das LEED-Zertifikat bietet Versionen für fast alle Nutzungsarten an.

Aktuelles Beispiel für ein LEED-zertifiziertes Gebäude:

LEED GOLD: Die 2004 fertiggestellten Highlight Towers in München umfassen neben zwei hohen Bürotürmen zwei Flachbauten. Die eindrucksvollen Glasfassaden bewirken eine gute Belichtung der Büroräume und verfügen über Fensterkonstruktionen mit Windschutz- und Schalldämmelementen. Die Mitarbeitenden profitieren von einem umweltfreundlichen Klimatisierungs- und Lüftungssystem in den Gebäuden.

3.

DGNB (Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen) Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. entwickelte 2007 gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung das Bewertungssystem DGNB. 2009 fand das Zertifikat erstmals seine Anwendung an einem Gebäude. In Deutschland ist diese Zertifizierung am beliebtesten und hat im Neubausegment einen Marktanteil von über 80 Prozent. Mögliche Bewertungsstufen sind Platin, Gold, Silber und Bronze.

DGNB-Kriterien zur Bestimmung der Nachhaltigkeit eines Gebäudes

  • Ökologie
  • Ökonomie
  • Prozesse
  • Soziale Aspekte
  • Standort
  • Technik

Wo findet DGNB in Deutschland Anwendung?

Das DGNB-Zertifikat ist inzwischen auch international verbreitet, wobei der Schwerpunkt nach wie vor in Deutschland auf dem Neubausegment liegt. Gemäß dem Motto der DGNB „mehr Nachhaltigkeit in der gebauten Umwelt“ werden Zertifikate für fast alle Gebäudenutzungen, aber auch zum Beispiel für Infrastrukturbauten wie Tunnel und Brücken, angeboten.

Aktuelles Beispiel für ein DGNB-zertifiziertes Gebäude:

Das Timber Office in Holz-Hybrid-Bauweise in Hamburg trägt das DGNB Gold nicht ohne Grund: Außer seiner nachhaltigen Bauweise verfügt das Gebäude über eine Lowtech-Strategie, um Energie zu sparen sowie ein integriertes Mobilitätskonzept, das Mitarbeitenden ein nachhaltiges Pendeln ermöglicht. Das Pionierprojekt verspricht einen Ort des Austauschs und setzt ganz auf Well-being als Leitgedanken.

Perspektiven:

Zertifikate werden immer beliebter: Waren es 2013 lediglich 550 nachhaltig zertifizierte Gebäude, so kommen wir im Jahr 2021 bereits auf 2.600. In einem Marktumfeld, das durch die neue (aber noch nicht zu Ende definierte) Regulatorik aus Brüssel (Taxonomie- und Offenlegungsverordnung) und ihren Anforderungen relativ verunsichert ist, haben die Zertifikate zuletzt einen etwas überraschenden Aufschwung erlebt. Jeder vierte Euro wurde 2021 in zertifizierte Gebäude investiert, der Anteil der Green Buildings am Gesamtvolumen der Single-Asset-Deals betrug 25,7 %. Bei den Büro-Investments war es sogar jeder dritte Euro mit einem Anteil von 37,7 % der zertifizierten Bürogebäude am gesamten Investitionsvolumen. Beides sind absolute Rekordwerte.

Mit der Gesetzgebung der EU ist ESG von Nice-to-have zu einem Must-have geworden – wobei viele Immobilienunternehmen noch eine Orientierung zwischen Klimarisikoanalyse, Artikel-8- und Artikel-9-Fonds suchen. In dieser Situation vermitteln die anerkannten Zertifikate mit ihren Prüfkriterien und Erfüllungsgraden offenbar eine gewisse Verlässlichkeit. Dies bestätigt auch die Erfahrung aus zahlreichen Transaktionsprozessen: Als erstes, positives Signal genießt das (auch ältere) Gebäudezertifikat eine Anerkennung und wird dann im Zuge der Ankaufsprüfung durch eine ESG-Due-Diligence nochmals anhand spezifischer, zum Teil neuerer, (Taxonomie-)Kriterien ergänzt und verifiziert.

Hermann Horster
Hermann Horster MRICS
Head of Sustainability
Ob ESG-konforme Portfolio-Ausrichtung oder Klimapfade und Green-Building-Zertifizierung für einzelne Assets, ob marktgerechtes, nachhaltiges Nutzungskonzept für einen Neubau oder die Begleitung eines Investors bei der Objektakquisition – für mich steht im Vordergrund, mit dem spezifischen Know-how unseres Consulting & Valuation-Teams die Ziele der Kunden im Bereich Nachhaltigkeit erfolgreich umzusetzen.
Consulting & Valuation

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