EXPANSION IN ZEITEN DER PANDEMIE – AKTIVE RETAILER IN CITYLAGEN
Retail-Flächen während der Corona-Pandemie anmieten? Das klingt zunächst nach einem Widerspruch. Allerdings zeigt die Expansionsanalyse aktiver Retailer in Citylagen von BNPPRE einen positiven Flächenumsatz in der zweiten Jahreshälfte 2021 und im Frühjahr 2022: Insgesamt lag das Vermietungsvolumen 2021 rund 12 % über dem Vorjahreswert und auch im ersten Halbjahr 2022 wurden rund 200.000 m² Einzelhandelsfläche in Citylagen neu vergeben oder eröffnet.
Expansionen, Übernahmen, Fusionierungen oder Neupositionierungen liefern vielfältige Gründe für Anmietungsentscheidungen in der Pandemie. Wir möchten von Akteur:innen der Branche mehr darüber wissen und haben einige Unternehmen zu ihren Gründen für die Anmietung von Retail-Flächen seit 2020 befragt.
Expansion
Anhand aktueller Vermietungsabschlüsse lassen sich unterschiedliche Motivationen hinter den Expansionsplanungen aktiver Retailer erkennen. Globetrotter (Händler für Outdoor-Artikel) gehört genau wie Dr. Martens (Schuhe) und JD Sports (Sportartikel) mit sieben registrierten Abschlüssen zu den aktivsten Retailern außerhalb der vier Top-Branchen Gastronomie (anteilig 24 %), Textil (anteilig 23 %), Lebensmittel (anteilig 11 %) und Körperpflege (anteilig 10 %).
Der stationäre Einzelhandel wird auch künftig eine große Bedeutung haben, wenn er seine Stärken richtig spielt. Da unser Konzept nicht auf einen kurzfristigen Erfolg ausgerichtet ist, haben antizyklische Standortentscheidungen somit eine hohe Attraktivität.
Innenstadt als Plattform
Die verbesserten Corona-Aussichten im Zusammenspiel mit einem deutlich vergrößerten Flächenangebot in Citylagen setzten seit dem zweiten Halbjahr 2021 die Rahmenbedingungen für das spürbar beschleunigte Vermietungsgeschehen. „In Zeiten, in denen Expansionsentscheidungen vor dem Hintergrund der sich fortsetzenden geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten getroffen werden müssen, bieten die Top-Märkte zumindest bei der Standortwahl das höchste Maß an Sicherheit“, fasst Christopher Wunderlich, Head of Retail Advisory bei BNP Paribas Real Estate, zusammen. Auch Retailer aus dem Bereich E-Mobilität nutzen die Citylagen als Plattform. Zu der Kategorie der Labels, die erst seit Kurzem in der deutschen Einzelhandelslandschaft anzutreffen sind, zählen beispielsweise die beiden internationalen E-Automarken Polestar und Lynk & Co. Zusammen mit den zahlreichen Abschlüssen verschiedener Fahrrad-Brands stehen sie als Beispiel für die aufstrebende (E-) Mobilitäts-Branche, die inzwischen eine wichtige Nachfragegruppe auf dem Retail-Vermietungsmarkt darstellt.
„Lynk & Co hatte schon fast zwei Jahre eine europäische Onlinepräsenz, weshalb unsere Produkte und Dienstleistungen bereits vor Ausbruch der Pandemie verfügbar waren. Die Entscheidung, unser Club-Netzwerk aufzubauen, haben wir getroffen, um sicherzustellen, dass wir sofort loslegen können, sobald sich die Lage wieder normalisieren würde. Jetzt, da sich die Pandemie beruhigt hat, sind wir bestens darauf vorbereitet, unsere Kund:innen persönlich zu empfangen. Die Anmietung während der Pandemie hat uns somit einen gewissen Vorsprung verschafft,"
kommentiert Lynk & Co von offizieller Seite.
Übernahmen und Fusionen
Neben der Expansion gehören auch Restrukturierungen, Übernahmen und Fusionen zu den Gründen für Anmie-tungen während der von der Pandemie geprägten Jahre. Der Bekleidungshersteller und Handelskettenbetreiber s.Oliver weist beispielsweise seit Jahresmitte 2021 vier Deal-Abschlüsse in den größten Shoppingmetropolen vor. Zudem entscheidet sich das Unternehmen für die Rückkehr seiner Filialen in Top-Lagen wie z.B. die Mönckebergstraße in Hamburg, die Frankfurter Zeil oder die Neuhauser Straße in München.
Nicht zuletzt spiegelt sich die beschriebene Vermietungsdynamik auf dem Retailmarkt auch in den Nachfrageimpulsen aus dem Ausland wider: Mit einem Beitrag von über 26 % stellt sich das Vermietungsgeschehen nach einer Analyse von BNPPRE (Stand Jahresmitte 2022) so international dar wie zuletzt 2018, wo 30 % der Abschlüsse auf Labels entfielen, die ihren Hauptsitz außerhalb von Deutschland haben. Vor allem in den A-Städten lässt sich beobachten, dass internationale Marken bei ihrer Ausweitung des Filialnetzes auf den deutschen Einzelhandel setzen: Mit über 52 % der verzeichneten Vermietungen und Eröffnungen entfällt hier mehr als jeder zweite Deal auf Retailer aus dem Ausland. Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, gibt abschließend noch seine Einschätzung zur Vermietungsdynamik auf dem Retailmarkt ab:
Der Retail-Vermietungsmarkt hat vor dem Hintergrund der geopolitischen und finanzmarktgetriebenen Unsicherheiten nach den ersten neun Monaten ein zufriedenstellendes Resultat erzielt, das im Bereich der Vorjahre liegt. Nahezu alle Marktteilnehmenden haben sich zwischenzeitlich auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt und richten ihre Aktivitäten entsprechend aus. Ob die ersten Anzeichen einer Erholung des Marktes jedoch nachhaltig sind, dürfte sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
Fotos / Visualisierungen: Globetrotter; Lynk & Co
Dieser Artikel ist Teil des CHANGE Magazins 05