WETTKAMPF GASTRONOMIE VS. TEXTIL: WER ÜBERZEUGT LANGFRISTIG?
Die Einzelhandelsstruktur deutscher Städte befindet sich im Umbruch. Der E-Commerce trägt besonders dazu bei, dass sich das Bild in den einst beliebten Einkaufsstraßen deutlich verändert. Auffällig ist, dass sich immer mehr Gastronomen in Einzelhandelslagen etablieren, die bislang von Textilern dominiert worden sind. Welche Auswirkungen das auf den Handel insgesamt hat und ob die Gastronomie den Textilern wirklich den Rang ablaufen wird, verrät uns Christoph Scharf, Head of Retail Services.
Gastronomie auf dem Vormarsch
Die Gastronomie- und die Textilbranche bewegten sich 2019 erstmals auf Augenhöhe. Beide waren schon früher die Hauptakteure unter den Einzelhandelsmietern. Sie waren zusammen für die Hälfte der registrierten Vermietungen und Eröffnungen in Citylagen verantwortlich – jetzt liegen sie aber erstmals Kopf an Kopf! Während die Gastronomie zwischen 2014 und 2018 noch einen Anteil von 15 Prozent an den Vermietungen hatte, waren es 2019 ganze 25 Prozent, womit sich die Gastronomen sogar leicht vor die Textiler mit 24 Prozent setzten.
Aus diesem Grund erweitern vor allem Einkaufszentren ihre Food-Courts um weitere gastronomische Angebote. Diese haben bis vor einigen Jahren nur 6 Prozent der Verkaufsfläche ausgemacht, heute ist es vielerorts bereits um die 20 Prozent. In der Hamburger Europa Passage entfallen beispielsweise ein Fünftel der Fläche des 30.000 Quadratmeter großen Einkaufszentrums auf Restaurants, Cafés und Imbisse.
Und auch in der neugestalteten MyZeil in Frankfurt am Main rühmt man sich für das neue Foodkonzept. Das ECE Projektmanagement geht davon aus, dass ein Drittel der 48.000 täglichen Besucher auch die sogenannte Foodtopia des Einkaufszentrums aufsuchen.
Das Erlebnis wird zum wichtigsten USP
Doch nicht jedes Gastronomiekonzept geht auf. Auf Wachstumskurs sind vor allem erlebnisorientierte Angebote wie die der Systemgastronomen Hans im Glück und l’Osteria.
Unterhaltung ist alles, könnte man heutzutage sagen. Klassisches Retail verschmilzt immer mehr mit der Gastronomie, Kunst- und Unterhaltungsangeboten. Das große Einkaufszentrum im südhessischen Weiterstadt LOOP5 setzt diesem Gedanken dabei die Krone auf: Das Shoppingcenter will einen Freizeitpark auf sein Grundstück integrieren.
Gastronomie vs. Textiler: Wer gewinnt?
Gastronomie vs. Textil: Wer den Wettbewerb gewinnen wird, lässt sich nicht sagen. Gastronomen haben ganz andere Anforderungen an Immobilie und Grundstück als die Textilgeschäfte. Nicht jedes leerstehende Geschäft lässt sich so einfach zu einem gut funktionierenden Gastronomieangebot umgestalten.
Weder für London noch für Deutschland lässt sich aber momentan sagen, welcher Textiler und welcher Gastronom einen Aufschwung erleben oder vom Markt verschwinden wird. Das hängt sektorenübergreifend in erster Linie von der Innovationsfreudigkeit einzelner Retailer ab, um im harten stationären Wettkampf um die Gunst der Kunden bestehen zu können.